Buchrezension: James Turrell. Extraordinary Ideas—Realized
Der Mann ist ein Mythos. Alterslos alt, immer mit Cowboy-Hut und sehr bärtig, so höflich wie nachdrücklich und eigentlich nicht erreichbar: James Turrell. Magier des Lichts und Besitzer einer Cessna, die ihn über das weite Land Nordamerikas trägt: "N57 JT" ist ihre Kennung. Das kleine aber leistungsfähige Flugzeug hilft eine Legende mittragen, die von der Entdeckung eines erloschenen Kraters, den der in Flagstaff, Arizona, lebende Künstler in ein Observatorium der ganz besonderen Art umbaute.
Das Licht, wie wir es wahrnehmen könnten, wenn wir mehr von ihm wüssten, das ist sein Thema. Und viele seiner Arbeiten aus der Vergangenheit dienten ihm dazu, seinen Roden-Crater, das schon erwähnte Himmelslichtobservatorium zu finanzieren. Was auch dazu führte, dass nun nicht jeder Sky-Space, nicht jedes Ganzfeld oder jede Projektion eine Offenbarung war oder wird, muss sie doch immer an denen gemessen werden, die davor schon den Atem beschleunigten, den Herzschlag sowieso. Mancher stürzte bereits, für einige Arbeiten gibt es dezidierte Warnhinweise vor dem Betreten. Turrells Manipulationen unserer Wahrnehmung gehen eben an niemandem spurlos vorüber, auch wenn sie so gut wie aus nichts gemacht zu sein scheinen außer eben Lichtwellen, Lichtteilchen.
Nun gibt es in Baden-Baden eine große Ausstellung mit Turrell-Arbeiten und passend dazu einen Katalog, eher eine die Ausstellung erweiternde Publikation, die "alle großen Werke von James Turrell in einem Band" zeigt und zwar "in noch nie gesehenen Bildern". So der Verlag, der schon in der Vergangenheit eine ganze Menge Bücher zu Turrell herausgebracht hat und man wundert sich schon ein wenig über den reisserischen Verkäuferton auf der Verlags-Website. Denn tatsächlich hat man - oder glaubt es zumindest - viele, viele der Arbeiten schon einmal gesehen, die hier in großer Zahl aber längst nicht vollständig gezeigt werden. Und wirklich liegt der Wert der Publikation weniger auf der Anzahl der hervorragend fotografierten und produzierten Lichtarbeiten sondern eher auf den Texten, hier insbesondere denen, die zwei Gespräche mit Turrell wiedergeben. Leider sind diese beiden nicht sonderlich lang und jeweils die zwischen Freunden, doch wer die Arbeiten des Künstlers schon in vielen Ausstellungen und Katalogen gesehen hat, der wird vor allem hier noch fündig. Allen anderen mögen die Bilder zum (ungläubigen) Staunen schon reichen.
Was fehlt in einer solchen Publikation, die das noch nie zuvor Gesehene uns zeigen will ist ein Literaturverzeichnis, ein Werkverzeichnis vielleicht gar, das insbesondere die frühen Arbeiten listet. Es fehlt ganz unbedingt aber der Blick hinter das jeweilige Werk, über Baustellenfotos würde man sich freuen, über Pläne, über technische Details und über einen Blick auf diejenigen, die eben genau das mit und für Turrell planen. Im nächsten Band, liebes Hatje-Team, im nächsten über die Legende des Lichtmagiers mit LED-Technologie dann!
James Turrell. Extraordinary Ideas—Realized. Hrsg. Stiftung Frieder Burda. Hatje Cantz, Ostfildern 2018, 192 S., 178 Farbabb., 60 €, ISBN 978-3-7757-4470-6 (engl. Ausgabe: ISBN 978-3-7757-4484-3)