22. Brillux Architektenforum in Wien

Unter dem Titel „Abseits bekannter Pfade – Zeitgemäße Konzepte für den Wohnungsbau“ widmete sich das 22. Brillux Architektenforum dem vieldiskutierten Thema „bezahlbarer Wohnraum“. Erstmalig fand die Veranstaltung nicht in Deutschland statt, sondern machte in Österreichs Hauptstadt Wien Station. Das hatte seine Gründe: Wien hat, was bezahlbaren Wohnraum und Lebensqualität angeht, weltweit eine Vorreiterrolle. Dazu gab es spannende Exkursionen.

62 % der Wiener Haushalte sind geförderte Wohnungen, seit 1920 läuft die Förderung in eigene Bestandsobjekte. „Fördermittel sind keine Almosen für die Ärmsten der Armen. Sie dienen der Strukturerhaltung in der Stadt, indem sie Wohnen für mittlere und geringere Einkommen leistbar machen“, so der ehemalige Wiener Planungsdirektor und heutige Vorsitzende des Grundstücksbeirats und Berater im Büro der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung der Stadt Wien, Dipl.-Ing. Dr. Kurt Puchinger. Die Stadt Wien ist Eigentümerin von 220 000 Wohneinheiten, die circa 25 % des gesamten Wohnbestandes ausmachen. Weitere 200 000 leistbare Mietwohnungen sind im Besitz gemeinnütziger Wohnbauträger. Kontinuierlich kauft die Stadt potenzielles Bauland auf, um neue Flächen zu gewinnen. Und statt die Stadt profitorientierten Investoren zu überlassen, gestaltet man sie mittels sogenannter Bauträgerwettbewerbe selbst.

Herwig Spiegl von ALLESWIRDGUT ARCHITEKTUR, Wien, und Heftpate der DBZ 05|2017 „Verdichtetes Wohnen“, hat mit dem Bauträgerwettbewerb nach dem Wiener Modell Erfahrungen. Im neuen Wiener Stadtteil „Seestadt Aspern“, einem der größten Entwicklungsprojekte Europas, haben die Architekten von AWG in einer Arge mit DELTA ein Wohn- und Geschäftsgebäude mit 172 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau realisiert. Verdichten ist für den Wiener Architekten ein notwendiger Schritt, um die Probleme, die mit dem Wachsen der Städte einhergehen,
zu lösen. Schrumpfen ist eine andere Devise: „Wir brauchen kompakte Wohnungen mit effizienten Grundrissen, die am Bedarf orientiert sind und über gemeinsame Funktions- und Gemeinschaftsbereiche verfügen.“ Schwer fällt es Spiegl zu glauben, dass in Zeiten des sozialen Wandels mit neuen Formen des Miteinanders die zwei Wohnmodelle – Einfamilienhaus im Grünen oder anonymer Geschossbau – die Konstante sein sollen. „Richtig wäre es, Fragen zu stellen, was die Leute wollen, und unsere Projekte zu evaluieren. Wir müssten dann nicht glauben, sondern wir wüssten!“

Raphael Frei von pool Architekten, Zürich, verdeutlichte anhand aktueller gebauter Beispiele, dass Wohnkultur und Baukultur im Wechselspiel zueinander stehen. Mit detailliertem Blick auf die einzelnen Projekte zeigte er, wie seine Häuser bewohnt aussehen.

Für Oliver Thill, Atelier Kempe Thill, Rotterdam, machen die massiven gesellschaftlichen Verschiebungen Wohnungsbau interessant: „Wir wissen nicht mehr, für wen wir bauen. Deshalb müssen Wohnungen flexibel und variabel sein, nicht nur während der Nutzung, sondern bereits in der Planung.“ Sein Credo: Einsparen, um an anderer Stelle wieder außergewöhnliche Lösungen zu verwirklichen.

Mit über 250 Teilnehmern war das wieder vom Chefredakteur der DBZ, Burkhard Fröhlich, moderierte Forum in Wien komplett ausgebucht. Die nächste Veranstaltung ist für April 2018 im Raum Düsseldorf geplant. Weitere Informationen sowie einen Rückblick finden Sie im Netz.

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