Wird es wirklich besser? – Abrisskultur in Stuttgart

Die EnBW-Zentrale wurde 1997 vom Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei gebaut. Das Bürogebäude soll nun nach nicht mal
20 Jahren abgerissen werden, um einem Wohn- und Bürogebäude des Projektentwicklers Reiß & Co. Platz zu machen.

Bauherr war die EVS Energie-Versorgung Schwaben AG (EnBW), Stuttgart. An den Wettbewerb erinnert sich Arno Lederer, Gründer und Inhaber des Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei, noch sehr gut:
„Es war damals ein toller Wettbewerb.“ 1992 lobte die EVS den Wettbewerb zur Erweiterung ihrer Büroräume in der Kriegsbergstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs aus. Das bereits bestehende Gebäude hatten die Architekten Kammerer und Belz 1974 – 1978 gebaut. „Kammerer & Belz haben an dem Wettbewerb auch teilgenommen. Wir haben dann gewonnen und Kammerer & Belz gewannen den zweiten Preis“, erinnert sich Architekt Lederer, Schüler des Architekten Kammerers, bei dem er sein Diplom machte. „Es war einfach verblüffend. Roland Ostertag hat angerufen. Er hatte den Juryvorsitz. Das war einfach fantastisch – das war einfach unglaub-
lich. Tja – dann haben wir erst mal einen Sekt aufgemacht“, erzählt Lederer weiter.

Heute ist die Stimmung eine andere. Statt Sektkorken soll die Abrissbirne gegen die Fassade knallen. Der Projektentwickler Reiß & Co. hat das Gebäude gekauft. Es stand mehrere Jahre leer, nachdem der Energieversorger EnBW seinen Standort in der Innenstadt aufgab. Was dem Abriss folgen soll, kann man auf dem Gelände von Stuttgart 21 sehen. Der Projektentwickler hat dort die
Pariser Höfe entwickelt – Architektur von der Stange.

Preisgekrönt (Hugo Häring Preis, Auszeichnung Guter Bauten BDA), gelobt in der Presse, geliebt von Architekten wie Laien, , gibt es großen Zuspruch für den Erhalt des Gebäudes, freut sich Architekt Lederer. Auch der Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold will den Abriss verhindern, laut einem Artikel vom 7. Juni 2016 in der Stuttgarter Zeitung. Weiterhin ist dort zu lesen: „Bürgermeister Pätzold hat Gesprächsbereitschaft [mit dem Investoren, Anm. d. Red.] signalisiert. Zuerst müsse der Investor aber Belege vorweisen, dass die Gebäude in einem nicht mehr zu sanierenden Zustand seien. Für den Altbau möge das gelten, für den Neubau nicht.“ Alle Möglichkeiten scheinen offen. Alle?

Wenn man sich in Stuttgart umschaut, entdeckt man eine Vielzahl von Gebäuden, die in der jüngsten Vergangenheit durch Neubauten ersetzt werden. Es herrscht eine regelrechte Abriss-Wut. Die Teppichgalerie in der Eberhardstraße, das Kommunale Kino in der Friedrichstraße, das Quartier hinter dem Geschäftshaus Breuninger. Die Liste zählt noch weitere.

Was wäre eine Alternative für das Büro­gebäude von LRO? Zum Beispiel einen langfristigen Mieter zu finden, der interessiert ist, das Gebäude zu erhalten und umzunutzen. Am meisten schmerzt wohl der Gedanke, dass die Architektur, die dort an Stelle der jetzigen EnBW-Zentrale entstehen soll, dem schnellen Geld und hohen Renditen folgt.
Ein Finanzierungsmodell eben und keine Architektur, die die Stadt bereichert. Das wird vor allen Dingen die Stadt selbst schmerzen.
Luigi Snozzi sagte mal sinngemäß: Wenn es hinterher besser ist, darf man es auch abreißen. Eben. Wird es wirklich besser? S.C.

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