Amorpher Körper
hinter schimmernder Glashaut
Nordwesthaus
in Fußach/A

Seit Ende der Neunziger Jahre arbeitet das Architekturbüro Baumschlager-Eberle am Fußacher Hafen, an den Ufern des Bodensees, den sie in mehreren Etappen zu einem zeitgenössischen Wassersport- und Freizeitort verwandeln. Klare Ordnung und Orientierung soll das neue Ensemble besitzen, wo zuvor eher Wildwuchs herrschte.

Nach dem im Jahre 2000 fertig gestellten Hafen-Verwaltungsgebäude der Hafeneignerin Marina Rohner steht nun mit dem Clubhaus das zweite Gebäude des Ensembles direkt an der Wasserkante. Als ein gläserner Hochkant mit einem kaum fassbaren Innenleben und amorphen Gebäudestrukturen stellt es sich als ein betont artifizielles Objekt in den Raum des Hafens ein, welches sich unter dem Einfluss des Lichts ständig zu verwandeln scheint. Der 7 x 14 x 14 m große Hochkant bietet Platz für einen Bootsanleger, ein Zwischengeschoss sowie einen 8,80 m hohen Clubraum. Eine transformative Synthese von Konstruktion und Natur ins Artifizielle strebten die Architekten an, die filigrane organische Tragstrukturen hinter einer harten Glashaut setzten und wechselnde Momente der Transparenz und Transluzenz erreichten. Wozu Projektarchitekt Christoph von Oefele mit Ernst Mader vom Bregenzer Statikbüro Mader+Flatz eine mehrschichtige Konstruktion der besonderen Art entwickelte.
 

Die Konstruktion

Ihr auf Pfählen gegründetes Gebäude folgt dem Prinzip einer massiven Schachtel, wobei deren Außenwände aus Ortbeton mit vertikalen, amorphen Schnitten bis zum Äußersten aufgelöst wurden, so wie es gerade noch die Anforderungen der Statik zuließen. Dabei verwandeln sich kaum sichtbar auf mittlerer Höhe des 14 m hohen Gebäudes im statischen Sinne die Wände in Stützen. Diese Stützen werden im unteren Drittel durch die verbindende und aussteifende Wirkung der Zwischendecke stabilisiert. Im oberen Drittel verdichten sie sich durch „Verästelungen“ wieder zu einer Wandfläche. Die Tragwirkung kehrt so wieder fließend  zum Prinzip einer Schachtel mit massiven Wänden zurück, die jedoch für die Nutzer und Passanten des Fußacher Hafens unsichtbar bleiben. Sie sehen nur einen lichten stützenfreien Raum, dessen filigrane Wandstrukturen sich aufzulösen scheinen.

Die nächste Herausforderung bestand in der Entwicklung eines ökonomischen Schalungskonzepts für die Betonarbeiten des recht kleinen Gebäudes, für das keine aufwändigen Matrizen möglich waren. In enger Zusammenarbeit mit den Betonbauern Oberhauser & Schedler wurde hier für die geschwungenen Laibungsflächen ein Modulsystem aus 60 Zentimeter langen, mehrfach verwendbaren, hölzernen Schalungselementen entwickelt. Zu drei verschiedenen Radien mussten jeweils ein konvexes und ein konkaves Element gefunden werden.

Letztendlich konnte damit die Anzahl der unterschiedlichen Schalungselemente auf nur sechs reduziert werden. Jeder der vermeintlich unverwechselbaren Schlangenlinienformen konnte so durch die unterschiedliche Kombination von nur drei Radien geschalt werden. Repetitive Schalungen ermöglichten,so erstaunlich,nicht repetitive Ausformungen der Wandteile.
 

Die Fassade

Doch nicht nur bei der tragenden Konstruktion wurde Besonderes gewagt, sondern auch bei der schimmernden gläsernen Haut des Hauses, die nun die Konstruktion verhüllt wie verrätselt. Dazu wurde mit der Firma Glas Marte eigens eine alte Verfahrenstechnik wieder belebt, die während der Glasherstellung aus der Oberfläche Glassplitter auslöst, um eine möglichst aufgebrochene Oberflächenstruktur vielfältiger Lichtbrechungen zu erzielen. Dabei entstehen beim Herstellungsprozess je nach Steuerung der Parameter ganz unterschiedliche Arten von Mustern, die am ehesten den endlos erscheinenden Variationen der Strukturbildung von Eiskristallen ähneln. Ausschließlich für die Oberflächenbehandlung angewandt, kann nun das Verfahren unter dem neuen Produktnamen ICE-H für Floatglas in allen Glasdicken angewandt und mit VSG-, ESG- oder Isolierglas kombiniert werden.

Am Fußacher Kristallgebäude kam Isolierglas zum Einsatz, dessen Scheiben im Format 3 x 1,6 m ohne Klemmleisten,nur mit Hilfe einer statischen Verklebung, aneinandergefügt wurden. Ihre Aufhängung reduziert sich auf punktuelle Stahllaschen, welche horizontal laufende Aluminiumschienen tragen, auf die dann die Glasscheiben gesetzt wurden. Ohne störende Kanten und Scheibenrahmungen konnte so eine abstrakte Glashaut entstehen, die ohne Verwendung von Farben das Tages- wie Kunstlicht ganz unterschiedlich spektral bricht und dem Haus eine ganz unverwechselbare Wandlungsfähigkeit verschafft. In Verbindung mit eigens entwickelten und in den Laibungsflächen versenkten, mehrfarbigen LED-Leuchten ist mit dem Clubhaus ein Gebäude von großer Präganz und Faszination entstanden. Claus Käpplinger, Berlin

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