Arche Noah für drei FamilienMehrfamilienhaus in Göfis/A
Lang lebte die Großtante allein in einem Bauernhof. Ihre Zukunft ist gemeinsam: Die Architekten Berktold Bertsch planten ein neues Holzhaus, das auf zwei Treppenrüsseln über der Straße schwebt. Es hat Platz für sie und zwei Familien.
Göfis ist eine Gemeinde in Vorarlberg. An der Ortseinfahrt stand ein alter Bauernhof in dem eine Dame allein lebte. Es ist die Großtante zweier Brüder. Die kinderlose Frau geht auf ihren 80. Geburtstag zu und die Brüder stehen vor der Familiengründung. Da die ältere Dame immer hilfsbedürftiger wurde, wollten die beiden Brüder das alte Haus zur gemeinsamen Bleibe machen, doch: „Es war zu nieder und zu klein für drei Wohnungen“, so die Architekten Berktold Bertsch. Somit war klar, es musste ein Neues her.
Das neue Haus steht dort, wo das alte war, hält sich mit 22,6 m Länge und 8,6 m Breite an dessen Größe und ist ganz aus Holz. Die Straße ist im Süden, steil steigt im Norden der Garten an. Dort wünschten sich die Bauherren einen Zugang ins Freie, außerdem wollten sie nicht an der Straße wohnen. Dazu kommt, dass in Vorarlberg pro Wohnung zwei Stellplätze vorzusehen sind. Also sechs in diesem Fall. Die Architekten ständerten das Haus auf: Es schwebt auf zwei keck vorstehenden Treppenaufgängen aus Holz und Stützwänden aus Sichtbeton fast drei Meter über der Straße. Die hölzernen Gangways fassen wie Zangen den Einlieger der Großtante ein und erschließen die angrenzenden Wohnungen. An der Straße bildet der Raum zwischen den Treppen unter dem Haus einen großen überdachten Bereich aus. Öffnungen in den Betonscheiben sorgen für einen freien Blick in die Landschaft, im Norden setzt eine große Terrasse am Garten auf.
Regional verwurzelt
„Göfis hat eine intakte Dorfstruktur“, so Philipp Berktold. „Am Ortsbeginn stehen alle Häuser dicht an der Straße. Wir wollten diese Torsituation erhalten und eine Art Spielhof schaffen.“ Trotzdem leben die Bauherren nicht am Verkehr: Aus drei Meter Höhe ist der Blickwinkel so steil, dass man zwar vom Fenster auf die Straße sieht, aber drinnen seine Privatsphäre hat. Bis auf den Betonsockel, den Estrich am Boden, die Alurahmen der Fenster und die Folie am Dach ist das Haus nur aus Holz. Zimmerleute fertigten die hochwärmegedämmte (Mineralwolle) Sandwichkonstruktion der Wände, die Brettstapeldecken aus Fichte überspannen bis zu 7,3 m. Sie liegen auf den Außenwänden des Hauses und Innenseiten der Treppen auf. In zwei Tagen war es montiert.
Die akustisch wirksamen Vorsatzschalen im Inneren und die sägeraue Weißtanne an der Fassade schraubten die Bauherren selbst an. Die Bretter sind unterschiedlich breit und ergrauen mit der Zeit. Das ist sehr natürlich. Das Wohngeschoss ist stolze 2,70 m hoch. Die alte Dame wohnt auf einer Ebene in einem lichten Raum mit kompakter Küchenzeile, der sich im Süden per Glasschiebetür auf die Loggia ausbreitet. Sie ist glücklich im neuen Haus. Ein Bauherr lebt an der Treppe im Osten, die auch ihre Garconniere erschließt. Sein Wohnzimmerfenster hat eine niedrige Brüstung, auf der man quasi über der Straße sitzen kann. Das Fenster im Westen beginnt erst auf Tischhöhe. Die Fenster der anderen Räume sind klein, schmal und sitzen bündig in diversen Höhen scheinbar frei hingestreut in den Fassaden. „Man sollte nicht sehen, wo die Decken liegen,“ so Berktold. Die Kinder lieben die Fenster der Schlafzimmer, wo Erwachsene die Berge vom Bett aus im Blick haben. Isabella Marboe, Wien