Augustinerhof, Nürnberg

Im Herzen der alten Stadt Nürnberg lag noch bis vor wenigen Jahren ein rund 5000 m² großes Baugrundstück brach. Es bot Autos eine Parkfläche, ein Unsinn, Widersinn in unserer Zeit, der mit der wechselhaften Eigentümergeschichte zusammenhängt und noch einmal deutlich zeigt, wohin es führen kann, wenn eine Stadt kurzsichtig ihre Besitztümer versilbert.

Nun endlich wurde diese zentrale Stelle von einer Neubebauung geschlossen, die Arbeit des Architekturbüros Staab Architekten zeigt sehr deutlich, welche stadträumlichen Chancen hier so lange liegen gelassen wurden. Vor allem aber wird deutlich, dass die überzeugenste Lösung immer die einfachste ist, die zu entwickeln allerdings Können verlangt und manchmal auch das große Glück, dass man einen wunderbaren Ort – wie diesen hier an der Pegnitz – für ein solches Projekt geschenkt bekommen hat.

Im Herzen der Stadt, dort, wo sie vermutlich ihren Anfang genommen hat, an der idyllischenTrödelmarktinsel, die in der Pegnitz ruht, dort, wo Karlsbrücke und Henkersbrücke historisch bedeutungsvolle Namen tragen, genau dort gab es gefühlt immer schon eine Leerstelle. Genauer: Es gab sie immer wieder. Die wurde mal so und mal so gefüllt, zuletzt mit einem Parkplatz. Da waren vorher die bestehenden 1950er-Jahre-Bauten, Wohnhäuser und Läden von einem Investor beseitigt worden, der hier bauen wollte. Anfang der 1990er-Jahre war das, der Investor trat mit einem Architekten und irgendwie Sohn der Stadt auf, mit keinem geringeren als Helmut Jahn. Gegen dessen Bebauungsvorschlag – beste Postmoderne – organisierte sich die erste und bis heute letzte Bürgerbewegung in Nürnberg, die Bürger­initiative „Rettet die Sebalder Altstadt“. 1996 sprachen sich dann abschließend mehr als zwei Drittel der teilnehmenden BürgerInnen gegen die „aufgeplatze Bratwurst“ Jahns aus, das Projekt verschwand. Und mit ihm andere Verantwortliche.

Der Abriss allerdings war vollzogen, die Leere im Herzen der Stadt mit Abstellflächen für Autos besetzt; ein gängiges Verfahren in vielen deutschen Städten noch bis in unsere Zeit. Dann gab es neue Pläne, es folgte ein Realisierungswettbewerb im Jahr 2008, den hatte das Team um Volker Staab gewonnen (Landschaftsarchitektur: Levin Monsigny, Berlin, Örtliche Bauleitung: ganzWerk GmbH Nürnberg). Der gebürtige Heidelberger hatte Jahrzehnte zuvor in Nürnberg seinen ersten Coup mit dem Neuen Museum für Kunst und Design gelandet, das Ende 1999 seine Toren öffnete und das Berliner Büro in die erste Reihe der deutschen Architekten schob. Und es hatte damals mit dem Museumsneubau etwas gemacht, was andere überhaupt nicht gesehen hatten: Es schenkte der Stadt mit einem klaren Schnitt durch den Stadtraum einen kleinen Platz. In diesem Museum hatte Volker Staab im vergangenen Jahr noch die Möglichkeit wahrgenommen, eine eigenkuratierte Schau zu seiner Arbeit zu machen. Nun folgt mit dem Augustinerhof ein zweiter, in die städtische Struktur tief eingreifender Entwurf aus dem Berliner Büro (ein weiteres Projekt von Staab Architekten in Nürnberg sind die „Sebalder Höfe“, die für die gleiche Bauherrin realisiert wurden, für die auch der Augustinerhof bearbeitet wurde).

Aus der Maßstäblichkeit und Gestalt des historischen Weichbilds entwickelt, füllt der Neubau die Leerstelle wie eine passgenau gefertigte Krone. Den Bestand weitergedacht, schließt das Neubauensemble an die Nachbarschaft nahtlos an und entwickelt mit seiner schlangenlinienförmigen Großfigur eine neue Straße, die eigentlich ein neuer Platz ist: die Neue Tuchgasse. Die ist allerdings nur für Fußgänger und Radfahrer geöffnet, die Anlieferung findet rückwärtig ihren Platz. Die Neue Tuchgasse verbindet nun den östlich liegenden Hauptmarkt – mit historischem Rathaus, Frauenkirche und dem Christkindlesmarkt im Dezember – über die Tuchgasse mit der hinter der Pegnitz liegenden Südstadt. Dabei macht der neue Stadtraum einen deutlichen Knick, weitet sich zum Flussufer hin langsam auf und ist gerahmt von großen Schaufensterfronten: westlich das Zukunftsmuseum des Deutschen Museums als Dependenz des Münchner Hauptsitzes, östlich Läden, Restaurant und Foyer des Hotels, das man gerne für innerstädtischen, geförderten Wohnungsbau gehalten hätte. Zum Ufer hin fällt der initime Straßenraum steiler ab, hier wurde zum Wasser hin eine mehrstufige Treppe platziert, die nicht nur im Sommer zum Hinsetzen einlädt.

Das Museum

Mit dem Deutschen Museum hat der Augustinerhof – diesen Namen hat das Bauprojekt mit seiner ersten Entwicklungsabsicht seit dem Anfang der 1990er-Jahre – einen prominenten Hauptnutzer. Die Zweigstelle des Deutschen Museums in München widmet sich der „Zukunftsforschung“ und ist besonders auf die Interessen von Schulklassen und StudentInnen ausgerichtet. Die Konzeption der Museumsräume folgt der Dramaturgie der fließenden Räume, Übergänge werden allein über die Auf- und Abstiege der offenen Treppenanlage wahrgenommen, ansonsten gliedern geknickte Grundrisse die Ausstellungsfläche. Die Treppe – ein bei Staab Architekten zentrales Objekt der Gestaltungslust – fällt mit den hier drei versetzt angeordneten Läufen in diesem Haus sehr solide und überraschend ungestaltet aus. Damit allerdings schlägt sie eine Raumatmosphäre an, die im Haus insgesamt vorherrschend ist und ganz offenbar das Thema des Arbeitens, der robusten Versuchsanordnung, des Experimentierens und anderer, durchaus handgreiflich bestimmter Aktionen entsprechen möchte: Hier soll nicht angeschaut und still und leise gestaunt werden, hier sind die BesucherInnen zur Aktion auf- und ­herausgefordert.

Große Fenster öffnen das leicht dämmrige In­nere in den Stadtraum, zahlreiche Displays und Farblichtakzente verlangen nach dieser Hellig­keits­stufe. Das Diffuse macht den deutlich struk­turier­ten Sichtbeton optisch noch haptischer. Über dem Foyer im EG öffnet sich zwei Geschosse hoch das sogenannte Forum, das mit Galerien und einer zentral platzierten Sitzstufenanlage in das Raumgefüge eingewoben ist. Als Raumgegengewichte stehen zwei ebenfalls doppelgeschossige Hallen am Ende der Ausstellungsräume, die eine Brücke zur darüber liegenden Wechselausstellung schlagen. Große Fenster öffnen das Forum zur Neuen Tuchgasse und zur Karlstraße, weitere Großformate gehen zur Augustiner Straße im Norden mit Blick auf die Türme von St. Sebald. Dass diese Ausblicke auf das mittelalterliche Nürnberg teils mit aufgedruckten Werbefolien geschlossen sind, lag wohl nicht mehr in ArchitektInnenhand.Außen spielt die Fassade mit verschiedenen, fein umrissenen Plattenformaten aus hellem Betonwerkstein mit dem Thema Fachwerk, das man auf der Trödel­insel gegenüber findet. Die sehr feinen Plattenrandwülste bilden auf der Fassade ein Raster, das mit unterschiedlichem Sonnenlicht mal stärker, mal schwächer aufleuchtet. Die helle Hülle ist über Museum und Hotel in ähnlicher Weise gezogen und verschleiert so die verschiedenen Nutzungen im Neubauvolumen. Lediglich der zweigeschossige Dachausbau des Hotels mit den geschickt platzierten Gauben und natürlich die Balkone zur Pegnitz verweisen auf die Hotelnutzung. „Geschickt platziert“ deshalb, weil die Gauben Ruhe und Rhythmus zugleich in die sich zur Pegnitz hin steiler werdenden Dachlandschaft bringen.

Hotel / Gewerbe / Bar

Ob man nun an dieser zentralen Stelle ein Hotel (das „Karl August“ mit acht verschiedenen Zimmerkategorien, vom kleinen Cosy Single bis hin zur großen Suite) hat realisieren müssen, muss hinterfragt werden. Wohnungen wären – auch als Ergänzung des Wohnbestands entlang der Pegnitz – die bessere Lösung gewesen und waren ganz zu Beginn der Projektentwicklung und im Wettbewerb noch vorgesehen. Vielleicht deshalb ist der erste, unvoreingenommen Eindruck auch eher der, dass man die Balkone über dem Fluss mit Mietern bevölkert sieht und weniger mit Gäs-ten für eine oder drei Nächte. Richtig ist die Öffnung der Erdgeschosszone über große Schaufens-ter (ebenfalls beim Museum) zur Neuen Tuch-
gasse. Hier wird das vorhandene Innenstadtangebot um Einkauf und Gastronomie entlang einem neuen Fuß- und Radweg attraktiv erweitert. Flaneure und Kaffeedurstige werden die Gasse zum belebten Platz machen.

Der Neubau, obwohl wie frisch aus dem Ei gepellt, wirkt bereits wie schon immer da und man kann sich gut vorstellen, dass bereits die kommenden Monate, ganz sicher aber die Draußensaison diesen Stadtraum so beleben, dass er für sich selbst lebendig ist und zugleich dazu taugt, die umliegenden Stadträume neu zu verknüpfen. Dass der Neubau von einer zweigeschossigen Tiefgarage unterlagert wird, muss ebenfalls kritisch gesehen werden. In dieser innenstädtischen Lage motorisierten Individualverkehr zu produzieren, erscheint aus der Zeit gefallen und passt nicht so recht dazu, dass der realisierte Entwurf auf Radfahrer und Fußgänger zielt und das Potential hat, Modell zu sein für andere Baumaßnahmen in vergleichbaren 1A-Lagen; von Mehrkosten und gesteigertem CO2-Fußabdruck einmal ganz zu schweigen. Ob die ArchitektInnen darauf nicht auch hätten Einfluss nehmen können? Wohl nicht, aber der Stadt hätte es sehr gut zu Gesicht gestanden, der Bauherrin, der Alpha Projektentwicklung, Nürnberg, ambitioniertere Vorgaben gemacht zu haben. Be. K.

www.staab-architekten.com
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