AuszeichnungZOB Pforzheim
Die Dachlandschaft des neuen ZOB formt die ungestaltete Fläche zwischen Bahnhof und Überführung als neue Drehscheibe für moderne Mobilität in einen qualitätvollen urbanen Raum um. Anstatt einer monotonen Reihung überdachter Steige entsteht ein Stadtraum als echter „Ort“ mit hohem Wiederkennungswert. In angemessenem Abstand zum Hauptbahnhof gelegen, zeigt sich der neue ZOB als Ergänzung des historischen Gebäudes – ein prägnantes urbanes Merkzeichen, das dem unwirtlichen Raum östlich des Bahnhofgebäudes Gestalt gibt.
Die Formensprache des historischen Bahnhofgebäudes aus den 1950er-Jahren wird durch ein zeitgenössisches Design ergänzt: Die geschwungenen Ränder der Dachsegmente sind aus den typischen Radien und Schleifen von Fahrzeugbewegungen abgeleitet – der ZOB zeigt sich sichtbar als dynamischer Bestandteil des Verkehrs. Öffnungen über den Fahrspuren bringen Licht und Sonne auf die Bussteige, strukturieren die Untersichten und schaffen durch wechselndes Schattenspiel ein interessantes Raumerlebnis.
Linear gereihte Elemente bilden eine kompakte Zusammenfassung der notwendigen ZOB-Funktionen (Hinweisschilder, Zeitangabe, Fahrgastinformationssystem und Sitzgelegenheiten). Es sind kleine, leicht auffindbare Funktionsinseln, „Orte“, statt verstreuter Einzelelemente. Damit ist optische Klarheit, Orientierung, Überblick und ein schnelles und sicheres Auffinden der Haltestellen gewährleistet. Ein durchgehendes Blindenleitsystem verbindet sämtliche Steige.
Beleuchtung
Drei Lichtsysteme ergänzen sich: Effektbeleuchtung, indirektes und direktes Licht. Der gezielte Einsatz unterschiedlicher Lichtfarben schafft Kontraste und erhöht die Aufenthaltsqualität. Eine der Dachkontur folgende Lichtlinie ist integraler Bestandteil der Architektur, unterstreicht die Dynamik der Form in der Dämmerung und wirkt durch seine Signifikanz einer nächtlichen Verödung des Areals entgegen. Durch „Leuchtenblätter“ an den Stützen wird die Dachuntersicht mit neutralweißem Licht hell erleuchtet. In die Deckenfläche eingebaute Einheiten sorgen für eine gerichtete Ausleuchtung der Bussteige.
Tragwerk
Das Tragwerk in Stahlbauweise besteht aus den Hauptelementen Stütze und Trägerrost. Die Trägerroste falten sich im Übergang zum Bahngleisbereich nach unten. Die Positionierung der Stützen ist abgestimmt auf Verkehrsplanung und Nutzung der Flächen unter der Überdachung.
Die Stützen bestehen aus Verbundquerschnitten in Stahl und Beton mit kreuzförmiger Innenaussteifung. Dies erhöht die Tragfähigkeit, Robustheit und Dauerhaftigkeit. Die Fußpunkte sind in beiden Richtungen gelenkig ausgebildet. Nach oben sind die Stützen trichterförmig aufgeweitet und über innere Kreuzsteifen stabilisiert, von dort sind sie durch angeschweißte Laschen biegesteif an den Schnittpunkten der Trägerscharen aus geschweißten Hohlprofilen an den Trägerrost des Dachs angeschlossen. Träger und Stützen bilden dadurch Mehrfeldrahmen in beide Richtungen.
Die Aussteifung des Tragwerks erfolgt über die Rahmen. Temperaturbewegungen werden über die Nachgiebigkeit der „biegeweichen“ Stützen und über Fußpunktverdrehung aufgenommen.
Die innere, raumbildende Beplankung des Tragwerks wird durch beweglich abgehängte Aquapanel-Elemente gebildet. Die Grafik der notwendigen Dehnfugen unterstreicht die dynamische Anmutung der Dachschale.
Beurteilung der Jury
Die leichten Dachtragwerke des Zentralen Omnibusbahnhofs bilden eine neue Landmarke im angemessenen Abstand zum denkmalgeschützten Gebäude des Hauptbahnhofs Pforzheim. Das dreigeteilte Dach über-
deckt eine Gesamtfläche von ca. 180 x 45 m mit 25 Bussteigen. Die geschwungenen Formen der Dachsegmente sind aus den Radien und Schleifen von Fahrzeugbewegungen abgeleitet. Öffnungen über den Fahrspuren bringen Licht und Sonne auf die Bussteige, strukturieren die Untersichten und verstärken den schwebenden Charakter des Daches, das zu den Bahngleisen bis zum Boden geführt zur Wand transformiert.
Die Ausbildung der Träger und Stützen als Mehrfeldrahmen in beide Richtungen gewährleisten auf einfache Art und Weise eine leistungsfähige Aussteifung gegenüber horizontalen Einwirkungen. Die innere, raumbildende Beplankung des Tragwerks mit beweglich abgehängten, zementgebundenen Putz-
trägerplatten gliedert durch die erforderlichen, eingeschnittenen Dehnfugen die Untersicht des Daches und stärkt die dynamische Form des Bauwerks. Die entsprechend der Lastabtragung markant gestalteten Anschlüsse der Stützen an die Dach-
träger werden vor der ruhigen Untersicht der Putzflächen gelungen inszeniert. Eine angemessene Formensprache, eine kluge Auswahl in der Materialität, ein intelligentes und angemessenes Tragwerk, Einfachheit und Präzision im Detail sowie ein schlüssiges Lichtkonzept ergeben ein sehr gelungenes Beispiel für ein identitätsstiftendes Bauwerk städtischer Infrastruktur. Das Bauwerk veranschaulicht aber auch das hohe Potential der Möglichkeit einer kontinuierlichen Zusammenarbeit von Architekten, Tragwerks- und Lichtplanern von der Wettbewerbsphase bis hin zur Realisierung.