Elegante Dachschale aus Stahl und GlasErnst & Young, Luxemburg/LUX
schlaich bergermann partner haben gemeinsam mit Sauerbruch Hutton eine flache Dachschale für die neue Hauptverwaltung von Ernst & Young in Luxemburg entworfen. Das große und dennoch filigrane Tragwerk überspannt einen trapezförmigen, öffentlichen Platz, den die Architekten als dreiseitig umschlossenen Vorplatz des Bürogebäudes entworfen haben.
Grundriss mit zwei Höhen
Die Geometrie der Dachschale ergab sich aus der Form des darunterliegenden Platzes, der wiederum das Resultat einer klaren Entwurfsidee von Sauerbruch Hutton ist, Diese wurde aus der Interpretation des Bebauungsplans, der gewünschten Nutzflächen, der Gebäudeorganisation und der Topografie entwickelt. Im Wettbewerb schlugen die Architekten ein Gebäude vor, das zusätzlich zu den Funktionen des Hauptnutzers Ernst & Young auch einen sozialen Ort für die Stadt anbietet. Das Gebäude besetzt, wie im Bebauungsplan vorgesehen, die Eckpunkte des Baufelds. Im Gegensatz zur klassischen Blockrandbebauung der benachbarten Bürogebäude treten seine Fassaden allerdings an drei Seiten hinter die Baugrenzen zurück. Dadurch werden die großen Fassadenflächen gegliedert und qualitativ wertvolle Außenräume geschaffen. An der vierten Seite, zur Avenue John F. Kennedy hin, öffnet sich das Gebäude fast über die gesamte Breite mit einem überdachten, öffentlich zugänglichen Vorplatz mit Restaurants und Cafés.
Der nicht überdachte, zweite Hof liegt dem natürlichen Gefälle folgend um ein Geschoss erhöht und ist als begrünter, privater Garten konzipiert. Der Platz und der Innenhof werden durch ein gebäudehohes und beidseitig vollständiges verglastes Atrium voneinander getrennt. „Das Öffnen der Fassade an der Boulevardseite entsprang unserem Wunsch, die Monotonie und Großflächigkeit der benachbarten Gebäudefassaden zu unterbrechen“, betont David Wegener, Assoziierter und Projektleiter bei Sauerbruch Hutton. Neben der Ausnutzung des Baufelds bis an seine Eckpunkte und dem Bau eines zurückgesetzten Staffelgeschosses forderte der Bebauungsplan zwingend eine durchlaufende Gebäudetraufkante an der Avenue John F. Kennedy. Die Überdachung erfüllt diese Forderung formal. Funktional dient sie dazu, die Aufenthaltsqualität des Platzes weiter zu steigern und ihn unabhängig von den Jahreszeiten nutzbar zu machen.
Entwicklung der Plaza-Überdachung
Das von Sauerbruch Hutton in der Wettbewerbsphase vorgeschlagene Fachwerk respektierte zwar die maximal mögliche Konstruktionshöhe, war aber zu massiv und erzeugte dadurch auch sehr große Vertikallasten. Neben dem Fehlen einer gewissen Eleganz äußerte der Bauherr vor allem Zweifel an dem wirtschaftlichen Verhältnis zwischen dem Effekt und den dafür notwendigen Investitionen zur Realisierung des Dachs. Auf der Suche nach alternativen Tragwerkslösungen wandte sich Sauerbruch Hutton zu diesem Zeitpunkt der Planung an schlaich bergermann partner, auch um zu verhindern, dass das Dach vom Bauherrn völlig fallengelassen werden würde. Zusätzlich zu den von den Architekten entworfenen Varianten erstellten schlaich bergermann partner in enger Zusammenarbeit mit Sauerbruch Hutton in der Folge eine Vielzahl weiterer Varianten und Konzeptstudien, mit dem Ziel ein alternatives Tragwerk zu entwickeln, das im dafür vorgesehenen Budget realisiert werden konnte.
Vom Einfachen zum Komplexen
schlaich bergermann partner versuchten in ihrer Herangehensweise den Tragwerksentwurf so simpel wie möglich zu halten und mit einfachen Geometrien zu beginnen, selbst wenn diese im Vorfeld noch nicht alle Randbedingungen erfüllten oder den architektonischen und ästhetischen Vorstellungen der Architekten entsprachen. Variantenstudien sind für die Ingenieure ein Mittel, die Problemstellungen auf eine einfache Form zu reduzieren sowie das Spektrum von möglichen Tragwerken darzustellen. Selbst wenn sie sich darüber bewusst sind, dass eine gewisse Anzahl der vorgestellten Lösungen nicht passen, sehen sie diese Vorschläge als Stimuli für Architekten und Auftraggeber, weiter über das Tragwerk nachzudenken. Auf diese Art und Weise kristallisieren sich die einzelnen Lösungsmöglichkeiten heraus und die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten werden diskutiert unter den Gesichtspunkten der Architektur, der Kosten, der tragwerkstechnischen Lösungen, der Anforderungen und der Erfüllungen der Randbedingungen
Randbedingungen
Die Randbedingungen für die Platzüberdachung waren vielfältige: so forderte die Trauflinie auf 20,40 m Höhe und die maximal zulässige Gebäudehöhe von 24,40 m (inklusive des zurückversetzten Staffelgeschosses) eine Lösung mit einer maximalen Konstruktionshöhe von 4 m, wobei die freie Überspannung von über 40 m an der Straßenseite und das Eigengewicht der dortigen Träger eine besondere konstruktive Herausforderung darstellten.
Besondere Aufmerksamkeit forderte die Frage, wie die Horizontalkräfte, die aus Eigen-, Wind und Schneelasten sowie der geringen Stichhöhe resultieren, aufgefangen und minimiert werden können, sodass sie nur einen geringen Einfluss auf die Tragstruktur des Bürogebäudes ausüben. Nicht zuletzt ging es darum, ein statisches System für die asymmetrische Form zu finden, die nicht nur unschöne Details verhindert, sondern auch keinen zusätzlichen Planungsaufwand hervorruft.
Dachschale aus Stahl und Glas
Um die Berechnungen und das Verhalten des Tragwerks unter Lasteinwirkung so präzise wie möglich durchführen zu können und nicht nur auf Erfahrungswerte von anderen Projekten angewiesen zu sein, wurde das Tragsystem im Windkanal getestet. Entstanden ist ein elegantes Kuppeltragsystem aus Stahl mit einer maximalen Stichhöhe von 3,80 m, das kleine rechteckige Trägerquerschnitte ermöglichte, selbst im Bereich der großen Überspannungen. Die durch die geringe Stichhöhe und die Kuppelform auftretenden Horizontalkräfte wurden durch Unterspannungen mit filigranen und kaum sichtbaren Stäben zur Stützung der Bögen aufgefangen und reduziert. Um auf die Formveränderungen durch Ausdehnen und Zusammenziehen des Tragwerks reagieren zu können, wurden spezifische, sowohl flexible als auch feste Lager entwickelt, die die Bewegungen der Dachschale zulassen. Dadurch, dass die Lasten aus der Kuppel weitestgehend gleichmäßig auf alle Kanten der Schale verteilt wurden, konnten die Lager ebenso wie die Stützenquerschnitte des Gebäudes klein gehalten werden.
So führten eine Vielzahl kleiner statischer und gleichzeitig ästhetischer Lösungen zu einer Konstruktion, die nicht nur ihre Aufgabe erfüllt, sondern gleichzeitig auch schlank und elegant wirkt. Mathias Nier, Projektleiter bei schlaich bergermann partner, beschreibt den Ablauf des Projekts als ungewöhnlich reibungslos, was er auf die professionelle und effiziente Zusammenarbeit mit Sauerbruch Hutton zurückführt und das Gefühl, dass nach jeder Arbeitssitzung das Projekt ein Stück weiterentwickelt werden konnte. Michael Koller, Den Haag
www.sauerbruchhutton.com
Daniel Wedler, Philipp Hesse, Tanja
Reiche, Axel Linde, Michaela Kunze, Marina Stoynova, Marc Broquetas-
Maduell, Christian Seidel, Maria Saffer,
Ilja Leda, Falco Herrmann, Ramiro Forné, Katja Correll, Markus Weber, Konrad Opitz, Bettina Magistretti, Stephanie Heese, Dominik Mohs; Angus Smith, Diana Sousa, Alex Pineda, Doris Tinner, Juan Gonzalez, Madeleine Appelros, Federico Biancullo, Nathalie Kerschen, John Bautista, Richard Seymoure, Rita Marques Almeida, Fabien Oulevay, Kristin Lück, Vivien Cheng, Violaine Prevost, Miao Zhou
Kontaktarchitekten Wettbewerb bis Baueingabe: Steinmetz De Meyer Architectes Urbanistes, Luxemburg/LUX, www.steinmetzdemeyer.com
schlaich bergermann partner, Berlin, www.sbp.de
Lichtplaner: Licht Kunst Licht AG, Berlin, www.lichtkunstlicht.com/de
Landschaftarchitekten:
Fassadentüren: Schüco International KG,
www.sky-frame.com
www.geze.de