Bericht der Baukostensenkungskommission
Was bedeutet er für Architekten und Planer?
Knapper Wohnraum und steigende Mieten sind in Deutschlands Ballungsräumen an der Tagesordnung. Die Neubautätigkeit in Deutschland lag 2015 unter dem erforderlichen Niveau. In der im Mai 2015 veröffentlichten Wohnungsmarktprognose 2030 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wird der Bedarf bis 2020 mit rund 270.000 neuen Wohnungen pro Jahr beziffert. Durch den zusätzlichen Bedarf aufgrund der erhöhten Zuwanderung ist allerdings von einem Bedarf von 350.000 bis 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr auszugehen. Entscheidend ist nicht eine Neubautätigkeit schlechthin, sondern die Bereitstellung von kostengünstigem Wohnraum und die Ausweitung des Angebots im sozialen Wohnungsbau. Die Höhe der Baukosten nimmt dabei maßgeblich Einfluss auf die Höhe der Nettokaltmiete und die Frage der Bezahlbarkeit des Wohnens.
Ausgangssituation
Als zentrales Instrument für die Intensivierung des Wohnungsbaus wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ mit den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, der Wohnungs- und Bauwirtschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren geschlossen. Ein wesentlicher Bestandteil des Bündnisses ist die Baukostensenkungskommission (BKSK). Die Kommission beschäftigte sich im Schwerpunkt mit dem Wohnungsbau. Als Bezugsrahmen diente ihr die Kostengliederung der DIN 276-1. Als Baukosten im Sinne der BKSK sind Kosten zu verstehen, die von einem Bauherren aufgewendet werden, um ein Gebäude zu errichten. Deshalb wurde der Fokus auf Kosten für die Hülle, den Ausbau und die Technik im Gebäude in den relevanten Kostengruppen 300 und 400 gelegt und zusätzlich die Kostengruppe 700 (Baunebenkosten) analysiert. Weitere Kostengruppen der DIN 276 wurden kursorisch betrachtet, sobald sich Berührungspunkte ergeben haben.[1] Die Kommission trat im Sommer 2014 erstmals zusammen und lieferte im November 2015 ihren Bericht ab.
Baukostenentwicklung in Deutschland
Baukosten werden durch die Entwicklung der Preise für Bauprodukte und Bauleistungen, Veränderungen im Planungs- und Bauprozess, Änderungen der Ausstattungsqualität, aber auch durch die Größe von Wohnungen sowie durch gesetzliche Vorschriften und
sonstige Regelwerke beeinflusst. Die dafür zur Verfügung stehenden Datengrundlagen haben eine Aussagekraft, die sich jeweils auf die Zwecke beschränkt, für die sie erhoben werden. Häufig wird daher auf den Baupreisindex für Wohngebäude des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) zurückgegriffen, der eine umfangreiche empirische Basis hat, aber keine qualitativen Änderungen, bspw. von Regelwerken, berücksichtigt.
Die Baupreise haben sich zwischen 1999 und 2014 um 27,7 % nur im Rahmen des Anstiegs der Verbraucherpreise bewegt (26,2 %). Besonders stark sind die Preise im Ausbau (32,7 %) und insbesondere für technische Anlagen (Kostengruppe 400, 45,9 %) gestiegen. Dies lässt sich u. a. mit dem Anstieg der Metallpreise auf den Weltmärkten erklären. Zu berücksichtigen sind auch die Entwicklungen zu höherwertigen Anlagen und deren Ausstattung. Da sich der Anteil der Baukosten seit 2000 deutlich von den Rohbau- zu den Ausbaugewerken verschoben hat, wirkt sich ein Anstieg der Preise für diese Bauleistun-gen überproportional auf die Höhe der Baukosten aus: Der Kostenanteil der Ausbaugewerke lag 2014 schon bei 54,1 % (im Jahr 2000 bei 46,3 %).[2]
Besonders stark sind in den letzten 15 Jahren die Preise für Baunebenleistungen – wie baubezogene Architekten- und Ingenieurleistungen – gestiegen, die zwischen 20 und 24 % der Bauwerkskosten (KG 300/400) ausmachen. In einem Plus von 56,6 % zwischen 1999 und 2014 spiegeln sich die Novellierun-gen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) aus den Jahren 2009 und 2013, aber auch ein deutlich verändertes Leis-tungsbild ebenso wider wie zusätzliche Beratungs- und Planungsleistungen im technischen Bereich, z.B. für Klima-, Schall- und Brandschutz sowie für Baustellensicherheit. Zur Veränderung von Baukosten kann die Datenbank des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern (BKI) herangezogen werden. Darin sind um regionale Faktoren bereinigte Baukosten enthalten, die Anzahl der Wohngebäude ist jedoch nicht repräsentativ. Die Daten können nur zur Orientierung dienen. Zwischen 2003 und 2012 sind die Kostengruppen 300 und 400 um 46 % gestiegen (Wohngebäude mittlerer Standard, 33 Gebäude), während sich der Baupreisindex lediglich um 22 % erhöht hat.
Kostentreiber und Ansätze für eine Kostenreduktion
Grundrisseffizienz und Funktionalität der Architektur
In einem Symposium des BMUB und der Bundesarchitektenkammer im April 2015 wurde der Einfluss durch architektonische Planungen analysiert. Eine Umfrage unter den Teilnehmern zeigt, dass die größten Kostenreduktionen bei den Grundrissen und der Konstruktion gesehen werden. Der aktuelle Durchschnittswert von 45 m2 Wohnfläche pro Person ist weltweit eine Spitzenposition, auch wenn im sozialen Wohnungsbau ein niedrigerer Standard gilt, und ist unter Suffizienz-Gesichtspunkten zu diskutieren. Beispiele aus vergleichbaren Ländern – z. B. Niederlande oder Japan – verweisen darauf, dass in der Gesellschaft auch andere Standards akzeptiert werden.
Die Diskussionen zeigen weiterhin, dass es nicht mehr um größere Wohnungen geht, sondern eher um eine Dehierarchisierung über vergleichbare Raumgrößen. Räume sollen möglichst keiner vorbestimmten Funktion zugeordnet werden. Eine entscheidende Stellgröße ist die Optimierung des Verhältnisses von Wohn- zu Verkehrsfläche, u. a. durch intelligente Erschließung, kompakte Bauweise, Bündelung von Installationssträngen, Reduzierung von Stellplätzen etc. So schwankt z. B. das Verhältnis von Erschließungsfläche zur Wohnfläche von 1:7 bis 1:25.
Die Wohnungsbaugesellschaft degewo in Berlin hat eigene Planungsparameter vorgegeben. Als Flächenparameter „Nutzfläche zu Bruttogeschossfläche“ ist ein Zielbereich von 66 bis 76 % einzuhalten. Darüber hinaus gibt es auch Parameter für das Volumen (Kompaktheit des Gebäudes) und die Fassade (Anteil der verglasten Fläche). Dem Unternehmen gelingt es so, Baukosten von unter 1 200 €/m² Wohnfläche zu erzielen und damit Mieten von 6,50 €/m² sicherzustellen.
Kostengünstiger Wohnungsbau ist nur mit klaren Planungsparametern möglich. Es bedarf in dieser Angelegenheit einer stärkeren Debatte zwischen Wohnungswirtschaft, Architekten und Ingenieuren.
Integrale Planung
Ein Großteil der Baukosten wird durch die Planung festgelegt. Daher ist eine frühzeitige Einbeziehung aller am Planungsprozess Beteiligten erforderlich, während eine zeitversetzte Beauftragung von Fachplanern und Gutachtern Reibungsverluste erzeugt. Kos-tensenkungspotentiale können bereits in der Planungsphase ausgeschöpft werden, wenn bspw. interdisziplinär arbeitende Planungsteams zum Einsatz kommen: als Planerverbund, Bauteam oder Generalplaner. Planungs- und Entscheidungswege lassen sich auch dadurch verkürzen, dass frühzeitig Kommunikationsschnittstellen zwischen allen Planungsbeteiligten eingerichtet werden und eine Rückkopplung zwischen dem Architekten und den bauausführenden Firmen erfolgt.
Die Integration von computergestützten Planungsmethoden über alle Phasen der
Planung bis zur Ausführung ist eine sinnvolle Unterstützung. Dann entstehen konsisten-
tere, durchgängigere Informationen, unabhängig von der Anzahl der Veränderungen im Planungsprozess.
Staatliche Regelungen
Auch Bund, Länder und Kommunen nehmen durch unterschiedliche Regelungen Einfluss auf die Höhe der Baukosten. So wurde in der BKSK bspw. über das höhere Anforderungsniveau an Neubauten diskutiert, das zum 1. Januar 2016 wirksam wurde. Verschiedene Studien weisen auf Kostensteigerungen (KG 300/400) zwischen 3 bis ca. 11 % hin. Abweichend vom Referenzgebäudeverfahren können jedoch Rationalisierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, um Kostensteigerungen zu begrenzen oder höhere Anforderungen kostenneutral umzusetzen (was leider zu wenig genutzt wird). Zur Weiterentwicklung der EnEV wünschen Mitglieder der Kommission – unabhängig von der derzeitigen Rechtslage – einen stärkeren Endenergiebezug, die Ausrichtung am CO2-Senkungsziel und eine Einbeziehung von Quartieren.
Unterschiedlich hohe Anforderungen, wie sie für Landesbauordnungen diskutiert werden, können zu höheren Kosten führen. Bspw. erhöht die Anforderung, mindestens ein Geschoss barrierefrei und rollstuhlgerecht nach DIN 18040-2 „R“ zu gestalten, die Baukosten um bis zu 11,5 %. Höhere Anforderungen an den Schallschutz sorgen für einen Kostenanstieg um bis zu 6 %, eine intensive Dachbegrünung mit einer Aufbauhöhe ab 15 cm um bis zu 4 %. Unter Kosten-Nutzen-Erwägungen ist zu beurteilen, ob solche Anforderungen sinnvoll sind.
Auf kommunaler Ebene kann es dazu kommen, dass Brandschutzanforderungen der örtlichen Feuerwehren die öffentlich-rechtlichen Regelungen weiter verschärfen. Oft ist auf Weisung der Feuerwehr ein zweiter kostentreibender baulicher Rettungsweg notwendig, obwohl dies nach LBO nicht gefordert ist. Hier könnte der Markt Feuerwehrfahrzeuge anbieten, die das Retten von Personen über die Feuerwehrleitern auch in engeren Straßen ermöglichen.
Stellplätze
In einem Gutachten für die Baukostensenkungskommission wurden drei Fallregelungen festgestellt:
– Stellplatzanforderungen sind auf kommunale Satzungen übertragen (z. B. Brandenburg, Bremen, Hessen)
– es gibt Regelungen in den Landesbau-
ordnungen (z. B. Bayern, Hamburg, NRW)
– es gibt keine Regelung (Berlin).
Die Regelungen betreffen sowohl Wohn- als auch Nichtwohngebäude. Zu beachten sind aber auch die Ausnahme- und Ablöseregelungen. Hamburg nimmt den gesamten Wohnungsbau aus, das Saarland nur Wohnungen bis zwei WE. Verschiedene Länder und Kommunen lassen sich den „Nichtbau“ von Stellplätzen vergüten.
Bezogen auf die Wohnfläche belaufen sich die spezifischen Baukosten pro Stellplatz für ein typisches Mietwohngebäude auf rund 250 €/m² Wohnfläche, was einem Anteil von fast 10 % an den Gesamtbaukosten entspricht. Für die Errichtung einer gebäudebezogenen Tiefgarage fallen im Durchschnitt 292 €/m² Wohnfläche an, die Obergrenze reicht bis 348 €/m² Wohnfläche.
Zukünftig müssen Stellplatzanforderungen durch neue Mobilitätskonzepte ergänzt oder ersetzt werden. Langfristig wird eine Stag-nation des PKW-Verkehrs oder sogar eine Schrumpfung prognostiziert. In Ballungsgebieten muss man sich zunehmend mit einem geänderten Mobilitätsverhalten auseinandersetzen (Fahrradverkehr, Carsharing, ÖPNV). Vor allem dort, wo eine verminderte Stellplatzzahl den Verzicht auf die Errichtung einer Tiefgarage ermöglicht, sind Potentiale zur deutlichen Einsparung von Baukosten vorhanden.
Fehlende Rationalisierung der Bauprozesse und Industrialisierung
Die Optimierung der Bauprozesse birgt erhebliche Potentiale zur Baukostensenkung. Mit den unterschiedlichen Planungs-, Prüfungs-, Bewertungs- und Ausführungsschritten ist mittlerweile eine große Anzahl von Akteuren in wechselnder, teils sich wiederholender Reihenfolge beschäftigt. Ein stringentes Projekt- und Qualitätsmanagement in der Bauausführung erhöht die Kontrollierbarkeit des Bauablaufs und verbessert die Kostenkontrolle.
Modularisierten und standardisierten Bauweisen kommt bislang noch zu wenig Bedeutung zu, weil häufig die Grundvoraussetzungen für deren Einsatz nicht erfüllt sind. Bspw. kommen die Vorteile solcher Bauweisen erst bei einer größeren Stückzahl zum Tragen, die vom Markt abgenommen werden muss. Darüber hinaus stoßen sie auf Akzeptanzhemmnisse, obwohl heute eine deutlich höhere Variantenvielfalt möglich ist. Durch Zusammenschlüsse bspw. mehrerer Wohnungsunternehmen und die gemeinsame Planung und Durchführung von Bauprojekten kann es gelingen, die notwendigen Stückzahlen zu erreichen. Dazu können auch eine empfohlene stärkere Einheit der Landesbauordnungen und bspw. das Instrument der
Typengenehmigung beitragen.
Follow up-Prozess der Baukostensenkungskommission
Am 27. November 2015 hat die Bundesbauministerin die Empfehlungen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen in Berlin vorgestellt. Mit einem Maßnahmenpaket aus Baulandbereitstellung, steuerlichen Anreizen, Überprüfung von Bauvorschriften auf Vereinfachungspotential und steigenden Mitteln für sozialen Wohnungsbau und Wohngeld will der Bund den Rahmen setzen, um den dringend benötigten Wohnraum rasch zu realisieren. Er wird Länder und Kommunen unterstützen, ihre aus der Kompetenzordnung rührenden Aufgaben zu erfüllen, sowie Anreize und Erleichterungen für die Wohnungs- und Bauwirtschaft schaffen.
Der Bund empfiehlt den Ländern, die Landesbauordnungen noch konsequenter als bisher an der Musterbauordnung zu orientieren und sich auf einheitliche Regelungen zu verständigen. Eine Rechtsangleichung sorgt für Transparenz und spart Umplanungskosten für die landesspezifischen Notwendigkeiten, könnte also zur Senkung der Baukosten beitragen und kostengünstigeren Wohnungsbau erleichtern.
Das Bündnis hatte die bautechnische Regelsetzung als einen Kostentreiber für das Bauen identifiziert. Neben dem Sonder-Präsidialausschuss beim Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) hat das BMUB eine Arbeitsgruppe Standards im Bauwesen eingesetzt. Das BMUB setzt sich dafür ein, Kosten- und Praxis-Aspekte stärker als bisher in die Struktur der Normungserarbeitung einzubeziehen sowie die Beteiligung der von den Normen Betroffenen zu reformieren.
Modularisierung, Standardisierung und industrielle, serielle Vorfertigung können Kos-
teneinsparpotentiale insbesondere mit Blick auf die Optimierung von Bauprozessen bergen. Aus Sicht des Bundes liegen im seriellen Bauen Potentiale, um kurz- und mittelfristig günstigen und hochwertigen Wohnraum zu schaffen. Seit Januar 2016 versuchen die Bündnispartner in einer Arbeitsgruppe, das serielle Bauen zu unterstützen. Modernes
serielles Bauen ist in der Lage, hochwertige baukulturelle Qualitäten zu schaffen. Um auch Skeptiker davon zu überzeugen, wird das BMUB im ersten Halbjahr 2016 einen
Architekturwettbewerb starten. Darüber hinaus muss mit der Bau- und Wohnungswirtschaft verhandelt werden, wie das Problem der Losgrößen aufgelöst werden kann.
Um die Energieeinspar- und Klimaschutzziele wirtschaftlicher und konsequenter zu
erreichen und Belastungen für Mieter und Hauseigentümer zu begrenzen, sollen Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) besser aufeinander abgestimmt und strukturell neu konzipiert werden. Diese Auffassung haben auch die Bau- und Umweltministerkonferenzen der Länder im Herbst 2015 vertreten. Eine hohe Klimaschutzwirkung soll mit niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten vereinbar sein. Für Juni 2016 wurde eine Sonderbauministerkonferenz einberufen.
Das BMUB wird für ein besseres Neubauklima und mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für den Wohnungsbau werben. Diese Kampagne wird nur mit der tatkräftigen Unterstützung der Architekten und Ingenieure Erfolg haben. Denn ohne gute Planung und eine Akzeptanz bei den Nutzern ist der gewünschte Zuwachs an qualitätsvollen Wohnungen nicht möglich.
[1] Die Kosten für das Baugrundstück – Kostengruppe
[2] Vgl. Walberg et al.: Kostentreiber für den Woh- nungsbau. Bauforschungsbericht Nr. 67, Kiel, S. 73