Einfach machen – einfach bauen!

Biometzgerei & Wirtshaus Landlmühle, Stephanskirchen

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Selten passt ein Artikel aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland so gut auf ein Projekt wie die Landlmühle in Stephanskirchen im bayerischen Voralpenland. Was hier passiert, ist weit mehr als die Umsetzung einzelner architektonischer Bausteine. Getragen von einer starken Vision wächst hier ein Ort der Kreativität, des Unternehmertums, aber auch der Lebensmittelerzeugung und des Genusses.

Wer das Projekt Landlmühle verstehen will, muss 20 Jahre zurück in die Vergangenheit blicken. Rudolf und Maria Finsterwalder ­leben und arbeiten als Architekten in Berlin, als sich für sie die Chance ergibt, das Areal um die seit 150 Jahren im Familienbesitz befindliche Mühle zu übernehmen und weiterzuentwickeln. Aus der Großstadt mit damals 3,5 Mio. EinwohnerInnen in die Provinz in einen Ort mit knapp 11 000 EinwohnerInnen zu ziehen, ist das Eine. Das Andere, ein Modell eines anderen Lebensentwurfs umzusetzen, der auf gesundes und langsames Wachstum ebenso setzt wie auf Nachhaltigkeit und ein faires Miteinander. Die Wohnung in Berlin ist geblieben und dient als Impulsgeber zwischen Kunst, Kultur und gutem Essen. In Stephanskirchen wächst eine zeitgemäße Dorfstruktur, die verschiedenen Aktivitäten Platz bietet und unter heutigen Bedingungen als Lebens- und Wirtschaftsort funktioniert.

„Mein Wunsch ist es, ein Lebensmodell zu leben, das Vorbildcharakter hat und Lösungen durch Vereinfachung und nicht durch Technisierung bietet“, fasst Rudolf Finsterwalder seine Haltung in einem Satz zusammen. Als Ideengeber bringen er und seine Frau die Dinge zum Laufen. Es gibt eine klare Vorstellung davon, wie ein idealtypischer Ort aussehen kann, mit einer ganzheitlichen Herangehensweise und geschlossenen Kreisläufen, in denen gemeinschaftliche, öffentliche und private Funktionen voneinander profitieren, ohne sich zu stören. In denen Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk ebenso integriert sind wie kleine und größere Betriebe neben dem Wohnraum. Das reduziert die Wege und schafft ein Gemeinschaftsgefühl an einem authentischen Ort.

Solche Programme zu entwickeln, kostet Zeit und Energie. Ideen entstehen, werden verworfen und leben an anderer Stelle wieder auf. Doch nachhaltig sein, bedeutet auch, etwas über einen langen Zeitraum funktionieren zu lassen. Das spüren die BewohnerInnen und BesucherInnen, inzwischen gibt es sogar eine Warteliste für die frei werdenden Flächen vor Ort, was den Handlungsspielraum für die Zukunft erweitert.

Hier kommt der Begriff des „Raumunternehmers“, geprägt von Klaus Overmeyer, ins Spiel. Bei dieser innovativen Form der Stadtgestaltung wird die Immobilie über den Raum entwickelt und nicht rein über ökonomische Faktoren. Raumunternehmer sind Akteure des zivilen Engagements, die zukunftsfähige Ideen für brachliegende Ressourcen entwickeln, die aus den klassischen Verwertungszyklen herausfallen. Auch für die Landlmühle heißt das, die vorhandenen Raumressourcen als solche wahrzunehmen und sie nicht nur formal, sondern im Zusammenhang mit neuen Nutzungen, mit Arbeits- und Freizeitangeboten zu betrachten, für die es eine Notwendigkeit geben könnte. Das schafft gestalterische und gesellschaftliche Freiräume und eröffnet neue Wege der Co-Produktion. Dazu gehört auch ein Umdenken in der Landwirtschaft.

Ein Wettbewerb, besser gesagt eine Art Gutachten, auf jeden Fall ein Auftrag für die Stiftung Insel Hombroich war die Initial­zündung für ein alternatives System der Lebensmittelerzeugung. Über das fiktive städtebauliche Projekt kam es zu einer Zusammenarbeit mit Karl Ludwig Schweisfurth, dem Pionier der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, und zur Gründung einer Genossenschaft, die als Organisationsstruktur die Prinzipien der symbiotischen Landwirtschaft umsetzt. Ein Konzept einer dezentralen Biometzgerei mit eigener Schlachtung, Produk­tion und Verkauf wurde entwickelt, inklusive dem dazugehörigen Wirtshaus. Biobauern der Umgebung liefern Schweine, Rinder und Lämmer, auch die hauseigenen Schweine werden im kleinen Maßstab handwerklich verarbeitet.

Die Suche nach dem geeigneten Metzger dauerte länger als die Planung des Gebäudes. Was einfach aussieht, ist komplex. Angefangen beim Tierschutz, den Abläufen, der Technik und den daraus resultierenden Grundparametern an Beanspruchung, Gewichtsbelastung oder Reinigungsfähigkeit. Auf einem ehemaligen Parkplatz entstand eine Metzgerei im Kleinformat in drei Bereichen. Der erste Teil ist die sogenannte Aufstall, wo die Tiere angeliefert werden und mehrere Stunden bis Tage zur Beruhigung verbringen. Der Nutzung und des Kontexts angepasst, sind der überdachte Teil sowie der umgebende Zaun aus Holz, bekleidet mit einer Dachschalung aus ungehobelten Fichtenbrettern. Die ursprüngliche Überlegung, auch den Schlacht- und Zerlegeraum als Holzbau auszuführen, musste aufgrund der zu erwartenden Feuchtigkeitsbelastung und der technischen Anforderungen zugunsten eines Mauerwerksbaus adaptiert werden. Der dritte Gebäudeteil – Küche, Verkaufsraum und Wirtshaus mit vorgelagertem Biergarten – ist wieder in Holzbauweise errichtet. Um den Mittelpunkt des Raums, ein mit handbemalten Kacheln gestalteter Ofen, gruppieren sich Tische und fest eingebaute Bänke aus alten Balken der ehemaligen Mühle. Für die Verkleidung der Theken wurde Altholz gewählt, während der gesamte Innenraum mit Fichtenholz verkleidet ist, das neben der Optik auch eine gute Raumakustik schafft.

Der Wandaufbau ist einfach, aber wirkungsvoll. Als tragende Elemente kommt ein PHE Aufbau, Profil-Holz-Elemente oder Brettstapelelemente, zum Einsatz, dessen Teile als Nebenprodukt im Sägewerk aus lokalem Einschlag der Region hergestellt werden. Von außen ist das Gebäude mit einer Lärchenstülpschalung belegt, die an eine Schindelbekleidung erinnert. Ein günstiger, aber dennoch wirkungsvoller gestalterischer Trick, der vom Zimmerer mittels einer eigens entwickelten Schablone hergestellt wurde. Auch im Inneren stimmen die Proportionen. Die Fenster mit Eichenholzrahmen wurden bewusst groß angelegt, damit es innen hell und freundlich wirkt. Als Kontrast zur Fassade sitzen schmale Rahmen auf dem standardisierten Fensterprofil. Der schlichte, gut gemachte Gastraum lebt von der Qualität der Verarbeitung und ist einladend für alle Besucher – vom Handwerker bis zum Gourmet.

Die Frage nach dem Genuss treibt die Finsterwalders ebenso an wie die Frage nach einer zeitgemäßen Architektursprache. Gute Architektur lebt von den Details, von den Materialien, von der handwerklichen Qualität. Daraus entsteht dann eine regio­nale Identität. Daneben geht es aber auch um Schönheit, eine Sinnlichkeit ebenso wie um pragmatische Aspekte. Der Raum und die Nutzungen müssen funktionieren, idealerweise für mehr als einen Zweck.

Einfach bauen setzt ein Umdenken und Hinterfragen der Parameter voraus. „Teuer bauen kann jeder“, lacht Rudolf Finsterwalder, aber wenn man qualitativ gut bauen will, muss man auf die Kosten und den Nutzen achten. Auch das eigene Verhalten, die gelebten Standards bis zum Umgang mit dem Bestehenden sind in Frage zu stellen. Vor allem die Zusammenarbeit mit den Handwerkern ist ein Quell an Wissen und Inspiration. Dieses Know-how für die Entwicklung neuer Wege zu nutzen, ist unersetzlich – ob es der Holzbauer ist oder der Gemüsegärtner für den neu entstehenden ökologischen Gemüseanbau innerhalb der solidarischen Landwirtschaft.

Eva Herrmann, München

Projektdaten

Objekt: Simsseer Weidefleisch e.G., Stephanskirchen,

www.simsseer-weidefleisch.de

Adresse: Finsterwalderstraße 1, 83071 Stephanskirchen

Architektur: Finsterwalderarchitekten, Stephanskirchen,

www.finsterwalderarchitekten.com

Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Wagner, Gangkofen,

www.ingbuero-wagner.com

Holzbau: Rottmüller, Bad Aibling, www.rottmueller-holzbau.de

Die Wahl der Bauweisen aus Holz und Massivbau, passend zu den Anforderungen in der Nutzung, zeigen ein hohes Verständnis für den ressourceneffizienten Einsatz von Baustoffen sowie die Sorgfalt, mit der dieses Projekt entwickelt und umgesetzt wurde. Ebenso ist die Ausformung der Fassaden und die Proportion des Gebäudes im Kontext sowie für die Nutzung angemessen und wohlgewählt.«

DBZ Heftpartnerin Prof. Elisabeth Endres, München

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