Buchrezension: Architekturführer Münster / Münsterland
Für Stadt-, Land- und Gedanken-Reisen
Zum dritten Mal hat der Bund Deutscher Architekten (Münster – Münsterland) einen Architekturführer herausgebracht. Sein Vorgänger von 2005 überblickte noch einen Zeitraum von 15 Jahren, nun werden Bauwerke vorgestellt, die ab 2006 entstanden sind. Die Herausgabe ist nicht zufällig auf das Skulpturen-Projekte-Jahr 2017 gefallen. In Zukunft möchte der BDA im Takt dieser Freiluft-Ausstellung einen Blick auf die regionale Baukultur der jeweils vergangenen Dekade werfen.
Vorgestellt werden 169 Bauten, 114 davon – und damit eindeutig der Schwerpunkt – liegen im Stadtraum Münster. Im Münsterland gibt es 16 Projekte im Kreis Borken zu entdecken, 15 im Kreis Coesfeld, 7 im Kreis Steinfurt und 17 im Kreis Warendorf. Immerhin.
Angereichert ist die Projekteschau durch ein- und ausführende Texte rund um Münsters Baukultur bzw. die der jeweiligen Kreise. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf der Stadt. Allein vier Einführungen nehmen den Leser mit auf eine Reise durch Münster und durch die Zeit. Vom 17. Jhd. mit Befestigungsanlagen wie dem Buddenturm, über Zerstörung und Wiederaufbau des Prinzipalmarktes, verschiedene Interpretationen von Giebelhäusern, bis hin zum neuen Kreativcampus wird Stadtentwicklung gestern und heute vergleichbar. Dabei kommt Positives natürlich nicht zu kurz. Den maßvollen Umgang mit Großformen und Flächenausnutzungen zeigt das Beispiel der Neubebauung Stubengasse, wo zugunsten städtebaulich sinnvoller Wegeführung und Freiräume auf eine maximale Grundstücksbebauung verzichtet wurde: "Flächenzuwachs ohne Flächenfraß". Ob aber die neuen Arkaden tatsächlich längst notwendige Wege erschließen und in diesem Sinne mehr Passage als Shoppingcenter (in zugegeben hoher Qualität) sind, sei dahingestellt.
Anschließend werden die Münsteraner Projekte in vier Kapiteln vorgestellt: Innenstadt, Aasee, Hafen und Stadtteile. Angeführt wird jedes Kapitel von einem Luftbild, auf dem ein paar, aber lange nicht alle in Folge beschriebenen Projekte markiert sind – manchmal auch Projekte anderer Kapitel. Das verwirrt ein wenig. Kartenmaterial ist rar und wird erst hinten präsentiert. Zwischen die einzelnen Kapitel streuen sich Artikel zu den Stadtmarketing-Lieblingen Skulpturen-Projekte, Hafen-Revitalisierung und Wilsberg, Thiel und Boerne.
Die Gebäude aus Münster und dem Münsterland, die es in den Architekturführer schafften sind gut ausgesucht, mit aktuellen Fotos bebildert und QR-Code (Link zu google-maps) versehen. Die Beschreibungen sind angenehm zu lesen. Aber oft erfahren wir nicht viel Neues, das über ohnehin Sichtbares oder die Nennung von Materialien hinaus geht. Luftbilder statt Karten vermitteln zwar Nähe, machen die Orientierung und Lesbarkeit der kleinen Fähnchen aber nicht immer einfacher. Als hätte das jemand bemerkt, sind hinten nochmal Karten zu allen Kapiteln zusammen gefasst. Gerade die letzte Karte zur Übersicht hätten wir uns lieber vorne gewünscht. Aber wer QR-Code lesefähiges mobile device jederzeit parat hat, kennt ohnehin kein Verlaufen mehr.
Der Architekturführer schließt mit den obligatorischen Registern und einem Essay über Lego-Häuser und Rohrpost (mehr darf nicht verraten werden). Das hat zwar nichts speziell mit Münster und dem Münsterland zu tun (bis auf die Herkunft des Autors), ist auf einer Reise aber angenehm zu schmökern. Insgesamt: gute Projekt-Auswahl, gute Bilder, gute Hintergrundtexte – jetzt warten wir nur noch auf gutes Wetter, im Münsterland eher selten. Aber auch für Gedankenreisen eignet sich dieser Architekturführer. St.J.
Anke Tiggemann, Architekturführer Münster / Münsterland. Bauten und Projekte seit 2006. Mit Beiträgen von Hartwig Schultheiß, Gunnar Pick, Marlies Voss, Jan Rinke, Daniel Friedt, Christian Krajewski, Jürgen Kehrer, Alfred Pohlmann und Burkhard Spinnen. DOM publishers, Berlin 2017, 260 S., 330 Farbabb.,
38€, ISBN 978-3-86922-481-7