Büroarbeit 2.0

Innovation Center 2.0, Potsdam

Mit dem Innovation Center 2.0 in Potsdam haben SCOPE Architekten ein offenes Haus geplant, das explizit für innovatives Arbeiten steht. Die detailliert strukturierte offene Arbeitslandschaft, die die Architekten bereits in dem vorgefundenen Rohbau nebenan entwickeln konnten, verfeinerten sie im Neubau des Innovation Center 2.0 über die Architektur.

Er ist Milliardär, Unternehmer, Gründer und Mäzen − 

Hasso Plattner. Und Bauherr ist er auch, genauer, die SAP SE. Und die ist nicht nur in Potsdam, der Heimatstadt Platterns, aktiv, dort aber vielfach. So baute die SAP SE des umtriebigen Geschäftsmanns und Philanthropen direkt im sich neu erfindenden Norden von Potsdam ein so genanntes „Innovation Center“, dass 2014 eröffnet wurde und Raum bietet für rund 120 Programmierer und Software-Entwickler. Noch in der Rohbauphase holte die SAP SE SCOPE vor Ort, die sollten dort weitermachen, wo der Rohbau aufhörte. In diesem Kontext kam es zum ersten und einzigen Treffen zwischen Architekten und Hasso Plattner persönlich. Und dieses Treffen war, so Mike Herud, SCOPE-Mitbegründer, während der Projektbesichtigung, ziemlich einschneidend: Hasso Platter lehnte das eher konventionelle erste Layout der Raumplanung ab: So sehe Innovation nun mal nicht aus!

Die Architekten verstanden die Botschaft und gingen das Ganze nun konzeptionell komplett anders an … immer noch beschränkt durch die Vorgaben eines Rohbaus, den sie nicht zu verantworten hatten. Neben der architektonischen Überarbeitung des Vorgefundenen – Deckendurchbrüche, Farben, Oberflächen und die Fassade mit ihren umlaufenden Stegen – konzentrierten sie sich auf das Arbeitskonzept, das später beim hier vorgestellten Innovation Center 2.0 durch die Architektur verfeinert werden konnte.

Entwurf Architektur und Außenraum

SCOPE betont, dass die Entwicklung der Architektur im optimalen Fall aus der Entwicklung des Arbeitskonzeptes kommt. Mike Herud: „Die komplette Planung kommt aus dem Büro: Das Arbeitsplatzkonzept machen wir von Anfang an Hand in Hand mit der Architektur. Das geht auch gar nicht anders!“ Dabei hatten sie bei dem hier vorgestellten Projekt, dem Innovation Center 2.0, den Vorteil, grundlegende Dinge der Raum- und Arbeitskonzepte bereits im ersten Bau entwickeln zu können. Der viergeschossige Neubau für rund 160 MitarbeiterInnen, junge IT-Talente aus der ganzen Welt, erzählt den ers-ten Bau in der Sprache von SCOPE weiter. Geprägt von einer sich kreuzenden Betonstützen-Struktur, die dem gläsernen Quader einen eher industriellen Charakter verleiht, gleicht die 2.0-Variante weniger einem klassischen Bürobau als vielmehr einer offenen Werkhalle.

Die Geschosse der edlen Kreativ-Werkstatt sind durch einen gebäudehohen Luftraum miteinander verbunden. Einläufige Sichtbetontreppen mit Brüstungen aus mattem, lediglich gewachstem dunklen Walzblech und Stufen aus Eichenholz enden auf unterschiedlich tiefen Galerien, die Kommunikations- und Aufenthaltszonen aufnehmen. Der teils begrünte Luftraum schafft vielfältige Verbindungen und steht für den architektonischen Anspruch, „Kommunikation als wesentlichen Bestandteil einer lebendigen Unternehmenskultur erlebbar zu machen“ (SCOPE).

Der Werkstattcharakter des Hauses wird durch den Sichtbeton, den Estrichboden und die offen unter der Betondecke geführten Installation unterstrichen. Die hier montierten Baffeln haben allerdings nicht nur akustische Funktion, jedes zweite Element wird als Kühllamelle genutzt. Dass sowohl Innovation Center 1.0 wie der Neubau nahe am Ufer des idyllischen Jungfernsees liegen – beide sind unterirdisch über einen Gang verbunden –, gab den Landschaftsplanern von Topotek 1 die Möglichkeit, hier schöne Außenräume zu schaffen, die leider – aus Sicherheitsgründen – nicht bis an die Seeuferkante begehbar sind. Die Architekten nutzen die Lage, um das kompakte Volumen ihres Neubaus im 3. OG aufzubrechen: Durch den Rückversatz der Seefassade gewinnt das Innovation Center 2.0 eine komplett überdachte Terrasse als luxuriöser Außenraum; WLAN-Abdeckung ist hier gegeben, draußen sein heißt hier auch: arbeitssam sein (können).

Arbeits- und Raumkonzepte

Der Einstieg ins Projekt war ein denkbar günstiger: Als Vollender einer Aufgabe, die schon begonnen worden war, konnte sich SCOPE auf die Entwicklung fortschrittlicher Arbeitsplatzkonzepte konzentrieren. Mit Unterstützung von StudentInnen des Hasso Platter Instituts HPI und der Stanford University versuchten die Architekten, aus den vorgefundenen Grundrissen herauszukitzeln, wie man kreative Impulse auch räumlich entwickeln könnte. Es ging darum, mit Blick auf das CI des Bauherrn, der für innovative technische Lösungen steht, optimale Bedingungen für teambasiertes und spielerisches, freies Denken zu bieten und Räume zu schaffen, die zu innovativen Arbeitsmethoden wie Design-Thinking anregen.

Auf dem Hintergrund ihrer Erfahrung in vielen anderen Projekten entwickelte SCOPE anhand der zentralen Bauherrnanforderung, hier rund 160 MitarbeiterInnen einen Arbeitsraum zu geben, eine offene Raumlandschaft, die allerdings trotz aller horizontalen wie vertikalen Durchlässigkeit Zonen für unterschiedliches Arbeiten bereithält. „Wir wollen es schaffen“, so Mike Herud, „dass sich alle, die auf einer Ebene untergebracht sind, austauschen können, ohne extra lange Wege gehen zu müssen. Dabei sollen sie hochkonzentriert beieinander bleiben können und sich nicht irgendwo einen Besprechungsraum suchen müssen, den sie vielleicht auch nur auf Zeit haben. Und alles, was sie als Team brauchen, ist in unmittelbarer Nähe vorhanden.“

Um den in der Gebäudemitte stehenden, geschlossenen Sichtbetonkern mit Flächen für dienende und technische Funktionen, platzierten sie auf den Ebenen 1 bis 3 jeweils drei identische Arbeitsgruppen, die an den Ecken des Gebäudes durch unterschiedlich große Besprechungsräume und Think-Tanks zoniert werden. Diese Sonderräume können durch verfahrbare Whiteboards in ihrer Größe variiert werden. Die Arbeitsgruppen verfügen über ein hohes Maß an Offenheit und werden als Open Space bezeichnet. Die hier untergebrachten Möbel sind auf Rollen gelagert und können je nach Bedarf verschoben werden. MicroMeeting-Zellen – kleine, schallgeschützte Bereiche für Telefonate, Zwei-Mann-Konferenzen oder Personalgespräche – ergänzen das Raumangebot.

Im Erdgeschoss, die funktionale Basis für die Folgegeschosse, befinden sich die Kaffeebar, die Workshop-Räume, die große Design-Thinking-Fläche und die Besprechungsräume. Der Design-Thinking-Raum ist durch Whiteboards unterteilbar, er liegt mehreren Projekträumen gegenüber. Hier, im größten Arbeitsraum im Haus für bis zu 200 Personen, starten die meisten Projekte in der großen Gruppe, bevor diese sich aufteilt und in kleineren Einheiten die Arbeit in den anliegenden Projekt-räumen vertieft. Dass sich in den oberen Geschossen keine der sonst üblichen Teeküchen befinden, hat seinen Grund: Wer eine Pause machen möchte, soll das mit anderen tun. Möglicherweise entwickelt sich aus dem ungeplan-
ten Miteinander dann ja ein neues Projekt?

Es gibt – bezogen auf die Kaffeebar – allerdings eine Ausnahme. Im 3. OG liegt zur Terrasse hin eine kleine Küche, die aber ausschließlich für größere Treffen, Feiern oder andere kommunikative Ereignisse in diesem Innen-/Außenraum in Funktion ist. Die Architekten nennen diese Fläche „Kommunikationszone“. Hier gibt es dann auch von der Decke hängendene Sitzschaukeln, es gibt Sitzbänke und Sofas, die den Arbeitsrahmen bieten sollen, der sich mit der Tagesform der Kreativen auch durchaus verändern sollte. Oder wie Mike Herud während der Hausführung sagte: „Wir gehen heute nicht mehr zu unserem Schreibtisch und arbeiten hier unsere Aufgaben ab, dafür sind wir viel zu flexibel. Die Digitalisierung gibt uns doch die Möglichkeit, unsere Arbeit eigentlich überall zu tun.“

Fazit

Aus Sicht von Mike Herud, mit dem der Autor das Haus durchstreifen konnte, ist noch nicht alles erreicht. So ist ihm das Thema „nonterritoriales Büro“ noch ein Ideal, das umzusetzen heute noch teils von Arbeitspsychologie, vor allem auch von Betriebsräten verhindert wird; Ausnahmen wie bei IBM Deutschland bestätigen eher die Regel. Dennoch sind – neben der Bearbeitung von material-ästhetischen oder architektonischen Detailfragen – die zentralen Dinge umgesetzt: Die strukturierte Offenheit über alle Ebenen ermöglicht eine informelle, ungeplante Kommunikation, was Mike Herud „als einen wesentlichen Treiber der Innovation“ ansieht. Wie der Bau zudem die Frage „Wo will ich denn arbeiten, wenn ich überall arbeiten kann?!“ beantwortet, ist angesichts all der genannten Dinge und eben auch angesichts der architektonischen Gestaltung klar. Das wichtige Thema der Mitarbeitergewinnung scheint mit dem Innovation Center 2.0 umfassend durchdekliniert. Be. K.

Baudaten

Objekt: Innovation Center 2.0

Standort: Konrad-Zuse-Ring 8, 14469 Potsdam

Typologie: Verwaltungsbau

Bauherr: SAP SE, www.sap.com

Nutzer: SAP SE

Ansprechpartner Architekten: Bauabteilung der SAP SE und der Head of Global Real Estate & Facilities/ Region Germany, Karsten Koch

Architekten: SCOPE Architekten GmbH, Stuttgart,
www.scopeoffice.de

Mitarbeiter (Team): Mike Herud, Oliver Kettenhofen, Andreas Witte, Christine Ackermann, Lachezar Hristov, Sophia Zouros

Projektleiter: Andreas Witte

Bauleitung: Wolff und Müller

Generalunternehmer: Wolff und Müller

Bauzeit: Mai 2014 – Mai 2016

Fachplaner

Projektsteuerung: Ingenieurbüro Stehrenberg, Neuwied www.ingenieurbuero-stehrenberg.de

Tragwerksplaner: Gruninger + Schrüfer Beratende Ingenieure GmbH, Wiesloch www.gruninger-schruefer.de

HLSK-Planer:
Pit Plan GmbH, Heidelberg www.pitplan.de

Planungsteam Désor - plan°D, Wiesbaden www.pland.de

ELT-Planer: Ruß Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin www.rusz.de

Innenarchitekt: SCOPE Architekten GmbH, Stuttgart

Bauphysikplaner: GN Bauphysik Finkenberger + Kollegen Ingenieurgesellschaft mbH, Stuttgart www.gn-bauphysik.de

Landschaftsarchitekt: TOPOTEK 1. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin www.topotek1.de

Vermessungsplaner: Öffentlich bestellte Vermessungsbüro Thomas Liebig & Claudia Lemke (PartG), Caputh www.vb-liebig-lemke.de

LEED-Planer: Ingenieurbüro Anke Koch, Hamburg www.ankekoch.biz/de

Brandschutzplaner: Dr. Zauft Ingenieurgesellschaft für Bauwesen mbH, Potsdam www.drzauft.de; Hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH, Hamburg www.hhpberlin.de

SiGeKo-Planer: KSG HNL, Berlin www.sigeko.net

Archäologie: Archäologie Manufaktur GmbH, Wustermark www.archaeologie-manufaktur-gmbh.de

Grafik: Büro für Linienführung, Stuttgart www.buero-fl.de

Projektdaten

Grundstücksgröße: 10 160 m²

Grundflächenzahl: 0,65

Geschossflächenzahl: 0,70

Nutzfläche gesamt: 4 100 m²

Nutzfläche: 3 200 m²

Technikfläche: 350 m²

Verkehrsfläche: 550 m²

Brutto-Grundfläche: 5 400 m²

Brutto-Rauminhalt: 22 360 m³

Baukosten

KG 200 (brutto/netto): 173  000 / 145 000 €

KG 300 (brutto/netto): 14,3 Mio. / 12 Mio. €

KG 400 (brutto/netto): 241 000 / 200 000 €

KG 500 (brutto/netto): 928 000 / 780 000 €

KG 600 (brutto/netto): 690 000 / 580 000 €

Gesamt brutto (ausschl. KG 700): 16,3 Mio. €

Gesamt netto (ausschl. KG 700): 13,7 Mio. €
Brutto-Rauminhalt €/m³: 613 €/m³

Energiebedarf

Primärenergiebedarf: 121,36 kWh/m²a nach EnEV 2013

Endenergiebedarf Wärme: 60 kWh/m²a nach EnEV 2013

Endenergiebedarf Strom: 42,1 kWh/m²a nach EnEV 2013

Jahreswärmebedarf: 0,82 kWh/m³ EBV

Energiekonzept

Dach: Beton 38 cm + Gründach 45 cm

Außenwände UG:
Beton 30 cm + Perimeterdämmung 18 cm

Außenwände OGs: PR-Holz/Alu-Glas

Boden: Beton 25 – 35 cm

Boden UG: +16 cm Dämmung

Fenster: Rahmenmaterial: Holz/Alu-Konstruktion

Verglasung: 3-fach-Wärmeschutzverglasung

Gebäudehülle

U-Wert Außenwand = <0,24 W/(m²K)

U-Wert Bodenplatte = <0,24 W/(m²K)
U-Wert Dach = <0,17 W/(m²K)

Uw-Wert Fenster = <1,0 W/(m²K)

Ug-Wert Verglasung = <0,32 W/(m²K)

Ug-total (mit Sonnenschutz) = <0,7 W/(m²K)

Luftwechselrate n50 =   1,71 1/h

Haustechnik

Aktivierte Deckenkühllamellen (Akustik + Kühlung + Gestaltung) Lüftungszentrale (Howatherm), Sprinklerzentrale (HDWN-Anlage), Rückkühltechnik Dach

Hersteller

Gründach/Substrat: Optigrün international AG, www.optigruen.de

Filtervliese/Dränelemente: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de

Abdichtung: SOPREMA GmbH, www.soprema.de

Dämmung: Lippstädter EPS-Recycling GmbH, www.lphv.de

Beschichtung Deckenverkleidung: TIGER Coatings GmbH & Co. KG, www.tiger-coatings.com

Pfosten-Riegel-Fassade System: Alco-albert GmbH & Co. KG, www.alco-albert.de

Türen: Schüco International KG, www.schueco.com

Fenster- und Fassadenholz: Seufert-Niklaus GmbH, www.seufert-niklaus.de

Glas: Semcoglas GmbH, www.semcoglas.com

Schalsystem der Innenwände und -decken:
PERI Gruppe, www.peri.com/de

Glastrennwände: Lichte-Systemwand GmbH, www.lichte-systemwand.de

Mobile Trennwände: Multiwal GmbH, de.multiwal.eu

Glaswände: Hörmann KG, www.hoermann.de

Kühl- und Akustiklamellen: Bilfinger R&M Kühllagerbau Bielefeld GmbH, www.rumkuehllagerbau.bilfinger.com

Deckendurchlässe und Winkelfalzrohr für Zuluft: Lindab - Ventilation GmbH, www.lindab.com/de

HDWN-Anlage: Marioff GmbH, www.marioff.com/de

Sichtestrich: Horst Buschmann Bauunternehmen GmbH, www.buschmannbau.de

Doppelboden: Lindner Group,

www.lindner-group.com/de

Hohlraumboden: Knauf Integral KG,

www.knauf-integral.de

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