Der Tradition verpflichtet
Wochenendhaus im Kiefernwald
Inmitten eines märkischen Kieferwaldes liegt versteckt dieses Haus, das an seinem Ort einer Wochenendkolonie bewusst Neues wagt und dabei erstaunlicherweise mit vielen Traditionen spielt. Schließlich wollten seine Bauherren und Architekten, die Leipziger Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut eigentlich nicht Neu bauen als sie sich ein Holzhaus aus den Zwanzigern erwarben, welches sich aber dann als zu marode erwies, um noch gerettet zu werden.
Aus Holz sollte so auch das Neue gebaut sein, das nahezu die gleiche Kubatur wie sein Vorgänger besitzt. Größer und ganz anders hätte es aussehen können, doch die Architekten wählten mit Bedacht eine Architektur der Anknüpfung und Erinnerung. Nur etwas höher und 1,50 tiefer ist das neue Haus, das nun auf dem ersten Blick wie ein transformierter Altbau anmutet. Doch schon seine übergroßen Öffnungen erlauben so großzügige Einblicke in das Innere, um rasch zu erkennen, dass seine Fügung und Erscheinung so ganz anders als bei alten Sommerhäusern ist.
Traditionell ist seine Kubatur mit Satteldach wie auch seine dunkelbraun lasierte Kiefernholzverschalung, deren Feder- und Nutbretter von einem Tischler mit eingefrästen Rundprofilen erstellt wurden – ganz so wie es früher der Fall war. Doch hier sind sie nicht nur Außen, sondern auch im Innern zu finden – dort jedoch leuchtend weiß lasiert über Wand und Decken ziehend und ergänzt um ebenso weiße Dielenböden. Und als ob das Innere sich nach Außen stülpen würde, versahen die jungen Architekten auch noch alle Öffnungen ihres neuen Hauses mit ungewöhnlich breiten, weiß gestrichenen Holzrahmen, welche nun die Fenster seltsam schwebend erscheinen lassen.Ein Haus der weißen Moderne steckt hier im Kleid eines traditionellen Hauses – gelungen wie konsequent.
Modern, d.h. im freien Raumfluss organisiert ist denn auch sein Raumgefüge, das mit einem überdimensionalen Einschnitt auf der Rückseite zum See eine 1,50 m breite Veranda hervorbringt, die sich über eine hausbreite Schiebefensterfront problemlos mit dem Hauptwohnraum zusammen schalten lässt. Zweigeschossig und mit einer Galerie ausgestattet, wirkt dabei der nur vier Meter breite Raum keineswegs eng. Die gerade einmal 62 m² Nutzfläche erscheinen wesentlich größer, zumal hier über eine große Küchendurchreiche durch das ganze Haus geblickt und gelebt werden kann. Kompakt und wohl organisiert schufen Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut zudem vielerlei Einbaumöbel aus Kiefernsperrholz, die sich ganz der Konstruktion ihres Holzrahmenhauses unterordnen, doch zugleich mit sorgfältig gearbeiteten Oberflächen wie einer in Wuchsrichtung des Holzes gebürsteten Arbeitsplatte dezente Aufmerksamkeit erregen.
Kein Detail blieb hier unbedacht oder wurde nachlässig ausgeführt. So verbirgt sich hinter einer Wandtüre eine überraschend angenehm besteigbare steile Stiege, die zu den Schlafkojen des Dachgeschosses führt, von wo wiederum das Kind über einen Klappladen auf den Wohnraum schauen kann. Türgriffe aus Bronze oder Porzellan wie auch eine problemlos zum Kinderbad umnutzbare Duschzelle mit Mosaikfliesen, die an die Roaring Sixities mit ihrem Space-Design erinnert, runden das Bild eines Hauses, welches uneingeschränkt zeitgenössisch ist und dabei auch mit den unterschiedlichsten Elementen von Freizeitarchitektur der letzten 100 Jahre ein lustvolles Spiel wagt. Claus Käpplinger, Berlin