Die nächste Evolutionsstufe der BIM-Methode

Der digitale Zwilling

Digitale Zwillinge sind die nächste Evolutionsstufe der Planungsmethode BIM. Mit Digitalen Zwillingen wird ein Abbild der Realität erzeugt, das sich dynamisch weiterentwickelt. In Echtzeit können Architekten und Planer Planungsentscheidungen treffen.

Digitale Zwillinge sind digitale Darstellungen physischer Gebäude, Anlagen und Systeme im Kontext ihrer Umgebung sowie ihrer Engineering-Daten, die ein besseres Verständnis und  Modellierung ihrer Leistung ermöglichen. Wie die realen Ressourcen, die sie repräsentieren, verändern sich auch Digitale Zwillinge ständig. Sie ­werden kontinuierlich aus mehreren Quellen aktualisiert mit Sensoren und Drohnen, um den richtigen Status oder den richtigen Betriebszustand der physischen Infrastrukturressourcen in der Praxis darzustellen. In der Tat entwickeln Digitale Zwillinge BIM (Building Information Modeling) und GIS (Geoinformationssystem) durch 4D weiter.

Digitale Zwillinge und ihre Vorteile

Mit Digitalen Zwillingen können Architekten und Ingenieure das Gebäude bzw. die Anlagen in einem Webbrowser, auf einem Tablet oder mit einem Mixed-Reality-Headset visualisieren, den Status überprüfen, Analysen durchführen und Erkenntnisse gewinnen, die Leistung von technischen Anlagen vorhersagen und optimieren, um eine bessere Entscheidung in der Planung, beim Bau und im Betrieb zu treffen. Architekten und Ingenieure können das Gebäude somit zunächst digital planen, bevor sie es physisch bauen sowie Wartungsaktivitäten planen, bevor sie in der Praxis ausgeführt werden; so minimieren sie Risiken. So können Architekten und Ingenieure mögliche Szenarien planen, dabei maschinelles Lernen nutzen und alternative Entwürfe oder Wartungsstrategien vergleichen. Die Visualisierung und Kontextualisierung von Engineering-Daten führt zu fundierten Entscheidungen und einer besseren Einbindung der Beteiligten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg. Hier liegt auch der Mehrwert für den Architekten und Planer.

Für die Erstellung des Digitalen Zwillings sind Prozesse gefragt, die es möglich machen, Daten aus verschiedenen Datenquellen automatisiert zusammenzuführen, zu aggregieren und bei einer Änderung automatisiert fortzuschreiben. Dabei wird eine möglichst große Informationsvielfalt des Digitalen Zwillings sichergestellt, indem die Verbindung mit anderen Systemen wie beispielsweise Anlagen, Gebäudesystemen und IoT-Devices vorhanden ist.

Wie kann ein Digitaler Zwilling die Planungsarbeit unterstützen?

Der Mehrwert für Architekten bzw. Planer ist abhängig davon, um welche Art von Bauprojekt es sich handelt. Plant der Architekt „auf der grünen Wiese“ und gibt es noch keinen Digitalen Zwilling, steht am Anfang die Planung und die Erstellung eines BIM-Modells zunächst ohne Bezug zur realen Umgebung. Allerdings kann hier die Realitätsmodellierung, also die Verwendung von photogrammetrischen Daten und Punktewolken zur Erstellung eines 3D-Umgebungsmodells genutzt werden: Jedes Gebäude steht in einem Kontext und bevor das eigentliche physische Modell ge­plant oder ausgeführt wird, kann das Realitätsmodell erstellt und aktuell gehalten werden, damit der Architekt im Kontext dieses Modells planen kann. Liegt ein Realitätsmodell während der Planungsphase von Anfang an vor, können aufgrund der vorhandenen Informationen Entscheidungen, zum Beispiel zu Lage, Höhe und Ausrichtung des Gebäudes, besser und früher getroffen werden, da quantitativ mehr und qualitativ bessere Informationen zur Verfügung stehen.

Handelt es sich, wie bei einem Großteil der Bauprojekte in Deutschland, um Bestandsprojekte, die umgeplant, anders genutzt oder auch erweitert werden, kann der Digitale Zwilling bereits im Vorfeld im Bestand erstellt werden. In der Regel liegt eine große Anzahl an Informationen zum aktuellen Zustand des Gebäudes vor, anhand der früh Planungsentscheidungen getroffen werden können. Im Digitalen Zwilling sind diese Informationen strukturiert, digital vorhanden und somit auch auswertbar. Der Informationsgrad ist höher. Mit aussagekräftigeren Informationen können bessere Entscheidungen schneller getroffen werden. 

Standards und der Digitale Zwilling

Für Digitale Zwillinge gibt es noch keinen DIN- oder ISO-Standard. Allerdings gibt es einige Standards, die bei der Erstellung eines Digitalen Zwillings unterstützen. Der Digitale Zwilling ist im Prinzip eine Erweiterung der BIM-Methodik. Deswegen ist ein geeigneter Standard, um ein erstes digitales Zwillingsmodell zu erstellen die ISO 19650, der BIM-Standard für den Hochbau. Dieser beschreibt, wie ein Gebäude grundsätzlich digital, modellbasiert zu planen ist. Er legt fest, welche Daten erstellt und zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer übergeben werden müssen. Der BIM-Standard hilft, das Rohmodell des Digitalen Zwillings zu entwickeln, das an den Bauherrn nach der Bauausführung übergeben wird, sodass dieses Basismodell fortgeschrieben und der Digitale Zwilling über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes weitergeführt werden kann. Bei jedem Digitalen Zwilling muss entschieden werden, welche Daten gesammelt und aufgenommen und welches Ergebnis erzielt werden soll. Das Resultat ist abhängig davon, welcher Zweck anvisiert ist und welche Entscheidungen getroffen werden sollen. Dadurch variieren Digitale Zwillinge und Daten je nach Anforderung.

Die Datenhoheit innerhalb des Digitalen Zwillings

Der Digitale Zwilling wird von allen Planungsbeteiligten und bauausführenden Unternehmen im Laufe des Projekts erstellt. Ähnlich wie beim BIM-Modell hat jedes Gewerk und jeder Planungsbeteiligte die eigene Hoheit über seine Daten und ist dafür verantwortlich. Des Weiteren ist im BIM-Standard festgelegt, in welcher Form die erstellten Daten zur Verfügung gestellt werden müssen. Somit wird zum einen die Datenhoheit vertraglich geregelt, zum anderen wird geregelt, wer welche Daten zur Verfügung stellt. Über technische Systeme wie beispielsweise Common Data Environment (CDE) wird sichergestellt, dass die Daten nur von denjenigen bearbeitet werden können, die die Erlaubnis dafür haben. Das Leistungsschutzrecht der bestehenden Praxis gilt auch für Digitale Zwillinge.

BIM versus Digitaler Zwilling

Während BIM ein im Wesentlichen statisches Modell ist, ist der Digitale Zwilling ein dynamisches. BIM legt den Fokus auf die Erstellung eines Gebäudemodells, das nach Freigabe Grundlage für Bau, nächste Planungsschritte und Koordination ist. Im Gegensatz dazu lebt der Digitale Zwilling davon, dass permanent Informationen zum Planungsmodell mit dem Anspruch hinzugefügt werden, dass das Modell nicht nur zu jedem Zeitpunkt den aktuellen Planungszustand des Gebäudes bestmöglich beschreibt, sondern auch Daten erfasst werden, die über die für die Gebäudeerstellung notwendigen Daten hinausgehen, beispielsweise für weiterführende Analysen oder den späteren Gebäudebetrieb. Mit der BIM-Methode planen alle Beteiligten in ihrem Gewerk und sie stellen freigegebene Stände ihrer Planung für die Abstimmung und nach wie vor auch Plangenerierung zum Zwecke der Bauausführung zur Verfügung. Es fehlt die Komponente Zeit: Es werden nicht fortlaufend Daten aufgenommen, auf die alle zugreifen können, und die Entstehungshistorie des Gebäudes kann nicht nahtlos nachverfolgt werden.

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