Die Hochschulblase
„Schaffe, schaffe, Häusle baue” – das Eigenheim ist ein fester Bestandteil von vielen Lebensträumen. Ein zweistöckiges, kleines Häuschen mit Satteldach und natürlich einem kleinen Garten hinter dem Haus, in dem die Kinder mit dem Hund oder der Katze spielen können – diese Vorstellung ist fest in unserer Gesellschaft verankert und kaum negativ behaftet.
Das Einfamilienhaus – Die Blase ist geplatzt
Wer sich in der Architekt*innenblase befindet, sieht das anders – dort wird schon lange über den enormen Ressourcenverbrauch und die soziale Erschwinglichkeit diskutiert. Es wird schon fast vom „Albtraum Eigenheim“ gesprochen und über alternative Wohn- und Lebensformen nachgedacht. Der Versuch, das Thema über Architekturkreise hinweg zu adressieren, blieb bisher ohne Erfolg.
Im Studium ändert sich das schlagartig. Hier wird ein Blick hinter die Kulissen gewährt und die Student*innen hinterfragen die übernommenen Werte aus dem Elternhaus. In der Architekturausbildungen wird Wohnen als Zukunftsprojekt im größeren gesellschaftlichen Zusammenhang gesehen, das Einfamilienhaus wirkt dabei aus der Zeit gefallen.
Das Thema zeigt eindrucksvoll, wie wir Architekt*innen uns und speziell die Hochschulen sich in einer anderen Blase befinden als die Gesellschaft. Während sich an den Hochschulen schon seit Jahren mit alternativen Wohnformen beschäftigt wird, brauchte die Gesellschaft erst eine Verbots-Diskussion, um die Blase zum Platzen zu bringen.
Mitmachen ist die erfolgreichste Art der Architekturvermittlung
Wie vermittelt man Architektur – gerade wenn es über Ästhetik und Optik hinaus um Ideale und gesellschaftliche Haltungen geht? Muss Architektur überhaupt vermittelt werden? Immerhin ist gebauter Raum präsent im Alltag der Menschen, müssten sie dadurch nicht ebenfalls Expert*innen dafür sein?
Der Blickwinkel macht den Unterschied. Während Laien meist nur die Funktionalität für ihre individuellen Anforderungen sehen, eröffnet sich uns Architekt*innen durch die jahrelange Ausbildung auch alles hinter der Fassade, die Ideale, die Zusammenhänge und auch politische und gesellschaftliche Haltungen.
Doch wie können wir dem Laien den Blick hinter die Fassade der Architektur eröffnen? Eine Möglichkeit der Vermittlung ist sicherlich die aktive Einbeziehung. Die intensivste Art der Zusammenarbeit ist jene zwischen Bauherr*in und Architekt*in – dabei helfen die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen, die Strukturen, Zusammenhänge und Rahmenbedingungen des Bauens gemeinsam mit den Architekt*innen zu entdecken. Doch den wenigsten ist dies möglich. Die meisten Menschen werden vor ein fertiges Ergebnis gestellt und dürfen dann noch den Wandschrank oder den Schreibtischstuhl aussuchen.
Ein weiterer Weg, Laien in Architekturprozesse zu integrieren, bieten Interventionen und Aktionen im öffentlichen Raum. Gemeinsam mit Anwohner*innen haben Architekturstudierende in Müns-ter zum Beispiel bei “Next Verspoel” im öffentlichen Raum experimentiert und dadurch gemeinsam etwas entstehen lassen. Konkret ging es um eine kleine Straße, die für einen Zeitraum für PKWs gesperrt wurde, um dort Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Mit dem “Bottom-Up” Projekt Planbude in Hamburg wurde eine Schnittstelle zwischen Planer*innen und Bürger*innen aufgebaut. In einem Container in der Nachbarschaft konnten die Anwohner*innen Fragebögen ausfüllen und eine Ausstellung mitgestalten. Durch Plakate und ein Instagram-Profil wurden sie nach ihrer Expertise gefragt. Der Schlüsselfaktor ist Interaktion – und die muss schon in der Hochschule starten.
Architekturschulen müssen in die Gesellschaft
Um Architektur zu vermitteln, bedarf es mehr Möglichkeiten für Laien, an ihrem Umfeld mitgestalten zu können. Doch wo kann das passieren? Ein wichtiger Part dabei sind die immer häufiger durchgeführten Bürger*innenbe-teiligungsverfahren. Insbesondere die Architekturhochschulen können eine ganz andere Einbeziehung der Laien leisten. Es wäre eine Win-Win-Situation, denn auch die Student*innen lernen mehr über die Bedürfnisse der Menschen sowie über die Reaktionen auf ihre Entwürfe.
Ausstellungen, Symposien oder Diskussionen in der Stadtöffentlichkeit sind Wege für Architekturhochschulen, stärker nach außen zu treten. Frei von wirtschaftlichem Druck können neue Impulse und theoretische Projekte in die Stadt gesendet werden, während die Student*innen in Auseinandersetzung mit den „Nicht-Architekt*innen“ deren Bedürfnisse kennenlernen. Dafür braucht es aber auch die Fähigkeit der angehenden Architekt*innen, solche Dialoge und Prozesse zu moderieren und zu gestalten, aber vor allem braucht es den Willen der Hochschulen, keinen Plan und kein Modell in der Schublade verschwinden zu lassen.
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