Die Pioniere imHaus der Statistik, Berlin
Etwa 45 000 m² Leerstand mitten in Berlin. Am Alexanderplatz steht das Haus der Statistik seit 2008 leer. Die ruinöse Bausubstanz des ehemaligen Sitzes der Staatlichen Zentralverwaltung der Statistik (SZS) der DDR wurde als unvermarktbar eingestuft und somit Pläne für den Abriss zugunsten einer städtebaulichen Neuplanung formuliert. Unter Mitwirken der interessierten Stadtgesellschaft wird versucht das Haus der Statistik (HdS) zu einem Ort zu gestalten, der zu großen Teilen der Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen soll. Der Gebäudekomplex liegt innerstädtisch, was dem Modellprojekt und Vorzeigequartier der Berliner Stadtentwicklung viel Aufmerksamkeit verschafft. Fährt man die Karl-Marx-Allee entlang, liest man die Beleuchtungsschrift „Allesandersplatz“.
Als Mitwirkende im Prozess um das Hause der Statistik, konnten wir Markus und Benjamin von raumlabor über die aktuelle Situation befragen.
Wie seid ihr zum Projekt Haus der Statistik gekommen? Wie wurde es initiiert?
Markus: Nach einer Kunstaktion 2015 der Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser (AbBA), die Räume für Kultur, Bildung und Soziales forderte, formierte sich die Initiative Haus der Statistik. Auch zur Zeit als viele Neuankömmlinge in Berlin angekommen sind und die Frage aufkam, welche Räume stehen zur Verfügung? Durch den Einsatz der Initiative Haus der Statistik, zu der auch raumlabor berlin gehört, kam es zu einer Einigung mit der Berliner Politik die Bestandsgebäude zu erhalten. Aus der Initiative ging die ZUsammenKUNFT Berlin eG – Genossenschaft für Stadtentwicklung (ZKB) hervor. Inzwischen ist das Projekt von der Berliner Stadtpolitik, als ein wichtiges Vorzeigeprojekt der Berliner Stadtentwicklung, angenommen. Das ist auch nach wie vor eine besondere Qualität und Herausforderung, weil es als Modellprojekt ein laufender Entwicklungs- und Verhandlungsprozess ist, wo es wöchentliche Arbeitstreffen gibt – auf verschiedenen Ebenen – wo sowohl die Projektentwicklung als auch die Handlungsebene Schritt für Schritt vor Ort angegangen werden.
Benjamin: Inzwischen ist es sogar Teil des Koalitionsvertrags der rot-rot-grünen Regierung, dass dieses Projekt umgesetzt werden soll. Seit Januar 2018 gibt es eine Kooperationsvereinbarung zwischen fünf Partnern (KOOP 5): der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW), dem Bezirk Mitte, der beiden landeseigenen Gesellschaften Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) sowie der ZUsammenKUNFT Berlin eG (ZKB).
Wie wird dieses Haus jetzt gefüllt?
Markus: Was jetzt dort gerade vor sich geht, ist ein Prozess, der Pionierprozess genannt wird. Zurzeit gibt es den Aufruf an die Zivilgesellschaft: Wenn ihr Projekte habt, Ideen habt, was mit diesen Räumen in Zukunft passieren könnte, kommt vorbei und verbindet euch heute schon mit dem Gebäude. Im Erdgeschoss sind derzeit verschiedene NutzerInnen aus der kulturellen Szene tätig: Es gibt einen Bildungsschwerpunkt und den Schwerpunkt um die Frage von Nahrungsmittel-/Lebensmittelversorgung in der Stadt. Es wird gemeinsam gekocht und Lebensmittelmärkte mit regionalen Produkten werden angeboten. Und es gibt das Haus der Materialisierung. In diesem Teil des Gebäudes widmet man sich Fragen der Materialkreisläufe in der Stadt und wie man diese anders denken oder anders umsetzen könnte.
Der Pionierprozess folgt natürlich einer Idee. Der Begriff Zwischennutzung wurde bewusst gegen den Begriff des „Pionier seins“ ausgetauscht, weil damit die Idee verbunden ist, dass die NutzerInnen, die sich dort engagieren, Dinge entwickeln, die langfristig mit dem Haus sinnvoll sind oder die ins Haus weiter reinwachsen können. Und wir verstehen dieses Handeln vor Ort als einen Teil der Entwicklungstätigkeit. Es geht nicht darum mit einem Kapitaleinsatz den Ort materiell zu verändern. Sondern Entwickler und Entwicklerinnen sind auch diejenigen, die Orte über ihre Ideen, über Handlungen, über ihr dort sein, über das Tun, in eine Veränderung und Dynamik versetzen.
Und diese Pioniernutzungen sind tagtäglich aktiv? Das heißt, wenn ich jetzt am Haus der Statistik vorbeikäme, wäre da schon etwas zu sehen oder kommt man besser zu bestimmten Veranstaltungen?
Benjamin: Es lohnt sich auf jeden Fall, mal auf den Veranstaltungskalender auf der Webseite zu gucken, wenn man möchte, dass da richtig was los ist. Also es gibt Tage, an denen mehr passiert und bestimmte Tage, an denen nichts los ist. Während der Making Future School zum Bespiel waren dort jeden Tag Vorträge, Workshops und so weiter. Und dann gibt es auch Zeiten, wo niemand da ist. Das liegt auch an der Struktur. In der Regel ist das eine ehrenamtliche Tätigkeit und die Leute, die hier tätig sind, machen das wirklich aus Überzeugung, aus eigenem Engagement oder weil sie etwas machen wollen, das sie selber weiterbringt.
Das Interview führten Mariella Schlüter und Nadine Schimmelpfennig, DBZ Redaktion
Das Haus der Statistik
Initiative Haus der Statistik
c/o Zentrum für Kunst und Urbanistik
Siemensstraße 27, 10551 Berlin
Kontakt: kontakt@hausderstatistik.org
Werkstatt Haus der Statistik
werkstatt@hausderstatistik.org
hausderstatistik.org/newsletter