Die Quadratur des PreisesSchülerhaus Friedrich-Eugens-Gymnasium, Stuttgart
Kostensparendes Bauen kann aus Zwängen resultieren. So geschehen beim Bau des Schülerhauses für das Friedrich-Eugens-Gymnasium in Stuttgart. Von einer spontanen ersten Kostenschätzung am Küchentisch errechnet, ließ sich das Schulamt nicht mehr abbringen. Das Resultat: Ein auf das Wesentliche reduzierter Würfel.
Die Geschichte von der Planung und dem Bau des Schülerhauses umgarnt eine mehr oder weniger große Odyssee, die keiner besser erzählen könnte als der betroffene Architekt und Mitinhaber des Architekturbüros „Drei Architekten“, Sebastian Haffner. Heute, ein Jahr nach der Einweihung des Mehrzweckhauses für die Schüler des Stadtgymnasiums in Stuttgart, können der Architekt und die verantwortliche Projektleiterin Sabine Mössner über die Anekdoten während der Bau- und Planungsphase schmunzeln, zum Lachen war ihnen während der Projektphase nicht immer.
Angefangen hatte alles zum Jahreswechsel 2003/2004. Sebastian Haffner, damals im Elternbeirat des Friedrich-Eugens-Gymnasiums, erfuhr von der Schulleitung, dass das Kultusministerium Baden-Württemberg im Zuge der Einführung für Ganztagesschulen Gelder erhalten hatte. Schnell musste eine Planung her, die wurde auch fix aus dem Ärmel geschüttelt, ebenso wie eine erste Baukostenschätzung. „Das war wirklich eine Spontanaktion, die abends am Küchentisch geplant wurde“, sagt Haffner. Keiner konnte ahnen, dass sich die zuständige Schulbehörde auch nach der Feinplanung auf die damals kalkulierten Kosten versteifen würde.
Nachdem auch die Schule kurz darauf ein pädagogisches Konzept für den neuen Aufenthaltsraum mit Schülerbetreuung und Mensa vorgelegt hatte, stand eigentlich dem Bau nichts mehr im Wege. Wäre da nicht das Denkmalamt gewesen.
Das Friedrich-Eugens-Gymnasium wurde 1954 von Prof. Hans Brüllmann gebaut und steht mit den kompletten Außenanlagen un-ter Denkmalschutz. Ein typischer 50er Jahre-Bau mit Fliesenfassade stand nun einem quadratisch geplanten Kubus mit Holzfassade gegenüber. Das war die Konfrontation, und an eine Integration in das alte Gebäude war nicht zu denken. „Mir war klar, dass wir, wenn überhaupt, nur einen Solitär abgerückt von den Bestandsbauten realisieren können“, sagt Haffner. „Wir wollten, dass das neue Gebäude ein Wohngebäude ist, das nichts mit dem Schulgebäude zu tun hat und nicht dem Schulgebäude gleicht.“ Schließlich sollte es als Ersatz für die Zeit dienen, die Schüler normalerweise mittags zu Hause verbringen.
Die Odyssee ging weiter und es passierte erst einmal nichts – ein ganzes Jahr lang. Nach Drängen der Schulleitung setzten sich letztendlich mehrere Gemeinderäte und Stuttgarts OB höchstpersönlich für den Neubau ein. Und plötzlich ging dann alles ganz schnell und die Baugenehmigung wurde erteilt.
Entstanden ist ein Gebäude, das auf die geometrisch einfache Form eines Würfels reduziert wurde. Pate für das 12 x 12 x 12 m große Gebäude stand der Zauberwürfel von Rubik mit seinen drei Ebenen, die mit den drei Geschossebenen realisiert wurden: Essen im Hanggeschoss, Chillen auf der mittleren Ebene und Arbeiten in der obersten Ebene. Der Kubus befindet sich an der Nahtstelle zwischen dem oberen und dem unteren Pausenhof. Er folgt, leicht gedreht zur Fassade des Hauptgebäudes, der vorhandenen Freitreppe und unterstützt die fließende Verbindung zwischen beiden Höfen. Große, geschossübergreifende Glaselemente an der Ost- und West-Fassade durchfluten den Würfel und geben Transparenz, am Tag und in der Nacht. Auf der Süd- und Nordseite ist die Holzfassade nicht unterbrochen, die vorhandenen Fenster verbergen sich hinter der Fassade, lassen aber immer noch genügend Licht durch. Eine offen geführte Treppe verbindet die Ebenen. Der Speiseraum mit rund 50 Plätzen kann auf die zweite Geschossebene erweitert werden, die hauptsächlich als Café genutzt wird, das sich mit einer Terrasse zum oberen Pausenhof hin öffnet. Abgeschirmt von Lärm wird das oberste Stockwerk für stilles Arbeiten genutzt.
Da die Architekten an die erste Kostenschätzung gebunden waren, fing das große Sparen an. „Wir haben das als ‚die Liste der Grausamkeiten‘ bezeichnet“, erzählt die verantwortliche Architektin Sabine Mössner. In endlosen „Geizrunden“ mit Vertretern der Stadt, dem Schulverwaltungsamt und allen Planern hat man die Einsparungen diskutiert. So wurde auf abgehängte Decken verzichtet, um die Geschosshöhe zu reduzieren (das Gebäude ist nun nur noch 11 m hoch). Die Deckenuntersichten wurden ohne Sichtbetonqualität ausgeführt und nur in Teilen mit einfachsten Akustikplatten verkleidet. Anstatt großer Fensterflügel wurden Öffnungsluken mit Holzverschalung eingebaut. Der Abstand der horizontalen Lattung aus Fichtenholz wurde vergrößert, um auch hier zu sparen. Auf den Sonnenschutz wurde verzichtet, allerdings bedurfte dies einer Sondergenehmigung, da die Verschattung durch noch so große Bäume beim sommerlichen Wärmeschutz offiziell nicht angesetzt werden darf .
Richtig ins Geld gingen aber die Auflagen der Schulbehörde, teils begründet in den Schulbaurichtlinien, teils in zusätzlichen Standardfestlegungen der Stadtverwaltung. Die definierte Breite der Flure und Treppen, die Einrichtung eines behindertengerechten WCs und eines Aufzuges fraßen das Budget mächtig an.
Obwohl das vorhandene Schulgebäude keinen Aufzug besitzt und derzeit kein behindertes Kind die Schule besucht, musste zum Beispiel ein Aufzug eingebaut werden. Der Vorschlag, nur den Schacht zu bauen, aber den eigentlichen Aufzug erst bei Bedarf nachzurüsten, schlug fehl. „Hier hätten wir viel Geld sparen können“, sagt Haffner. „Da die Haustechnik wegen vieler Vorschriften und Vorgaben kaum zu reduzieren war, mussten fast alle Einsparungen in der Architektur gefunden werden mit dem Ergebnis, dass nun die Haustechnik fast 30 % der Baukosten ausmacht, ein für diesen Gebäudetyp sehr hoher Wert.
Das Schülerhaus wurde in Niedrigenergiestandard gebaut und erreicht einen Wert von 20 % unter EnEV. Geheizt wird das Haus über Fernwärme, die Außendämmung unter der Holzverschalung reduziert den Energieverbrauch auf ein Minimum. Dazu trägt aber natürlich in erster Linie die Gebäudeform bei. Nur ein kugelförmiges Gebäude könnte den Würfel in Sachen Energieeffizienz noch schlagen. „Wir haben ein tolles Gebäude geschaffen“, freut sich Sebastian Haffner heute. Die Kosteneinsparungen hätten nicht nur Negatives bewirkt, sondern auch eine Reduzierung auf das Wesentliche, „was uns Architekten ja auch freut!“ Trotzdem ist er traurig, dass der Außenbereich unter den Sparmaßnahmen gelitten hat. Die Holzterrasse konnte noch über Spendengelder aus der Elternschaft finanziert werden, auf gute Sitzgelegenheiten im Bereich der Terrasse musste aber bis auf Weiteres verzichtet werden. Auch bei der Inneneinrichtung wurde gespart: Angefangen von Aufbau-Deckenleuchten über billige Tische und Stühle im Café bis hin zum Wegfall der Verkabelung weiterer Computerplätze.
Und die Schule spart noch heute. Im Schnitt werden im Moment 50 Essen in der Mittagspause ausgegeben und die Essensausgabe wird von ehrenamtlichen Helfern geleistet. Im Moment sind das 20 Elternteile, die abwechselnd täglich ihren Schützlingen eine warme Mahlzeit zwischen dem Vor- und Nachmittagsunterricht bereitstellen. Not macht erfinderisch. Rüdiger Sinn, Stuttgart
Baudaten
Fachplaner
Projektdaten
Baukosten
5 476 €/m² brutto, 4 600 €/m² netto
691 €/m³, 580 €/m³ netto