Dufte Hütte
Bischöfliches Jugendamt Don Bosco, Mainz
Nachhaltigkeit beginnt bei der Wahl des Baustoffs: Beim Jugendhaus Don Bosco in Mainz setzten Angela Fritsch Architekten innen wie außen auf unbehandeltes Lärchen- und Tannenholz. Das riecht und fühlt man.
Wer einen Neubau betritt, dem schlägt oft ein penetranter Geruch von Lösemitteln entgegen, der sich erst nach einigen Wochen verflüchtigt. Im Jugendhaus Don Bosco in Mainz duftet es dagegen dezent nach Holz: Böden, Wänden und Decken verströmen jenen intensiven Geruch, den man von alten Holzscheunen in den Bergen kennt, deren Wände sich in der Sonne aufgeheizt haben.
Der dreigeschossige Flachbau besteht innen wie außen fast vollständig aus unbehandeltem, hellem, dezent gemasertem Holz. Nähert man sich dem Gebäude von der Seite, nimmt man es zunächst wie einen einzigen Holzblock war: Haushohe Holzlisenen verdecken die Sicht auf die Fenster. Erst wer ein Stück zurücktritt und die Fassade als Ganzes betrachtet, entdeckt ihren Rhythmus: Schlanke, raumhohe Fensterflügel wechseln sich ab mit einer geschossweise versetzten, vertikalen Brettverschalung aus Lärche.
Architektin Angela Fritsch verzichtete bewusst auf Anstriche und Holzschutzmittel: „Statt auf Chemie haben wir bewusst auf konstruktiven Holzschutz gesetzt.“ Gitterroste vor der Fassade schützen das Holz vor Spritzwasser. Die unbehandelten Profilbretter aus Lärche sind geschraubt und lassen sich, wenn nötig, einzeln austauschen. „Solche Opferhölzer werden im Alpenraum noch häufig verwendet“, weiß Angela Fritsch. Mit der Zeit wird das Holz eine silbergraue Patina bekommen. Den Bauherrn, das Bistum Mainz, stört das nicht: Leben heißt Wandel, findet die Diözese. Auch für den nachwachsenden, CO2-neutralen Baustoff konnte sie sich schnell begeistern. Ein Material ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und der „Bewahrung der Schöpfung“.
Zum Ensemble vereint
Das neue Jugendhaus ist die zentrale Stelle der Katholischen Jugendarbeit des Bistums Mainz. Hier organisieren Haupt- und Ehrenamtliche die Jugendarbeit, finden Seminare und Schulungen der einzelnen Verbände statt. Der Neubau ersetzt einen zweigeschossigen, beige verputzten Bau aus den 1950er Jahren, in dem das bischöfliche Jugendzentrum bislang untergebracht war. Eine Kapelle und ein Bettenhaus mit 30 Zimmern vervollständigen das Ensemble. Beide Gebäude werden zurzeit saniert.
Mit seiner Holzfassade hebt sich der Neubau prägnant von den Nachbarn ab, ohne sie zu überstrahlen. Die raue Holzverschalung und die klare Kubatur drücken Geradlinigkeit und Bescheidenheit aus. „Uns war es wichtig, dass die Kapelle als geistiges Zentrum im Mittelpunkt bleibt“, betont Angela Fritsch. Ein eingeschossiger Zwischenbau verbindet das Jugendhaus mit der Kapelle. Die Holzfassade weicht an dieser Stelle einer raumhoch verglasten, rahmenlosen Front, die beide Gebäude elegant vereint. Über ein gusseisernes Portal gelangt man in einen Vorraum, um sich für das Gebet zu sammeln.
Der Eingang zum Jugendhaus tritt dagegen dezent in den Hintergrund. Die Gebäudeecke ist eingeschnitten, so dass ein geschützter Vorbereich entsteht. Über einen seitlichen Windfang betritt man den Neubau. Ein Empfangsraum mit Pforte dient als Verteiler: Links geht es in den Speise- und Veranstaltungssaal, dessen Fensterfronten sich nach Westen und zur ruhigeren Gartenseite im Osten vollständig öffnen lassen. Rechts schließen vier Besprechungsräume an, in denen Seminare, Schulungen und Tagungen stattfinden. Ein zentraler Kubus aus schwarzen MDF-Platten nimmt WCs und Garderobe auf. Dahinter verbirgt sich ein skulpturaler Kamin aus Sichtbeton, an dem sich die Jugendlichen in den Pausen treffen, auf roten Sitzwürfeln hocken und das Feuer beobachten.
Das nackte Material
Zwei Materialien prägen den Raum: Sichtbeton und Weißtanne. Die Wände kleiden bis zu fünf Meter lange und zehn Zentimeter hohe, unbehandelte Profilbretter, die Ruhe und Natürlichkeit ausstrahlen. Um den Verschnitt auf ein Minimum zu reduzieren, wurden in den Büros nur ganze Bretter verwendet. Die Decke besteht aus verdeckt befestigten Weißtanne-Leisten, in denen flächenbündig Leuchtschienen sitzen. Klebstoffe und Anstriche gibt es nicht, nur nackte, Tast- und Geruchssinn aktivierende Oberflächen.
Über ein Treppenhaus aus Sichtbeton steigt man hinauf in die Obergeschosse. Hier duftet es noch intensiver nach Holz, da auch der Boden mit Industrieparkett belegt ist und über eine Fußbodenheizung erwärmt wird. Einzel- und Doppelbüros gruppieren sich um ein zweigeschossiges Atrium, das von einem transparenten Membrandach überspannt wird.
Das Dach besteht aus luftgefüllten Kunststoffkissen. Über Schläuche entsteht ein Überdruck, der die Luftkissen in Form hält. Als Material dient eine dreilagige, vollständig recyclebare, licht- und UV-durchlässige EFTE-Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen-Capolymere). Sie wiegt nur etwa ein Dreißigstel einer Überkopfverglasung, entsprechend geringer ist der Rohstoffverbrauch. Staut sich die Hitze unterm Membrandach, schließt sich darunter automatisch ein Sonnenschutzsegel. Die seitlich umlaufenden Lüftungslamellen klappen auf und die warme Luft zieht ab.
Die Büros sind raumhoch verglast und profitieren von der Helligkeit des Atriums. Eine transluzente Folie in Augenhöhe schützt vor neugierigen Blicken. An den in kräftigem Rot gehaltenen Stehtischen und Kochzeilen der Teeküchen trifft man sich. Küchenzeilen, Kopierer und Bürobedarf lassen sich bei feierlichen Anlässen ganz oder teilweise hinter Falt- und Schiebetüren aus MDF verstecken. Für die Obergeschosse mit ihren rund 1 000 m2 Geschossfläche, dem offenen Atrium und den unbehandelten Holzoberflächen war ein besonderes Brandschutzkonzept nötig. Vier unsichtbar in den Holzwänden geparkte Brandschutztore teilen das Atrium im Brandfall in drei Abschnitte. Im Luftraum sind eine Teilsprinklerung und ein Brandschutzmelder integriert. Nicht nur die Oberflächen, auch die Konstruktion des Hauses besteht fast komplett aus Holz. Die Außenwände hält eine Holzständerkonstruktion, die Holzbalkendecken sind mit lastverteilenden OSB-Platten beplankt. Selbst die aussteifenden Trennwände wurden in Holzrahmenbauweise errichtet. Nur an wenigen Stellen machten die Architekten eine Ausnahme: Im Obergeschoss tragen schlanke Stahlstützen die Decken, um den großzügigen Gesamteindruck zu wahren. Unter- und Erdgeschoss bestehen aus einer Betonkonstruktion mit einer weit gespannten Hohlkörperdecke.
Handliche Lüfter in der Fassade
Auch die Energieversorgung ist zur Freude des Bistums nachhaltig ausgelegt. Wärme liefert ein Holzpelletkessel, der neben dem Neubau weitere Bestandsgebäude versorgt. Den Luftwechsel übernehmen dezentrale Lüftungseinheiten, die versteckt in der Außenfassade sitzen. Die kompakten Thermolüfter saugen etwa jede halbe Stunde verbrauchte Warmluft aus den Räumen und ersetzen sie durch vorgewärmte Frischluft.
Dank der stetigen, dem Temperaturniveau der Raumluft angepassten Frischluftzufuhr werden hohe Wärmeverluste durch Stoßlüften im Winter vermieden. Trotzdem lassen sich die Fenster weiter manuell öffnen. Die Thermolüfter kosteten im Vergleich zu einer zentralen Lüftung fast ein Drittel weniger, zudem sparte man sich den Installationsraum für Decken und Flure.
Dass bis auf eine paar fingerbreite Lüftungsschlitze an Außen- und Innenfassade nichts auf die handlichen Lüfter hinweist, passt zum dezenten Gesamtauftritt des Jugendhauses. Der Neubau spielt sich nicht in den Vordergrund. Er offenbart seine Qualitäten eher im Stillen – beim Durchwandern, Begreifen, Riechen, Ertasten.