Effizienzrevolution
DBZ Heftpartner Prof. Dr.-Ing. Jürgen Graf und Prof. Stephan Birk, TU KaiserslauternWir brauchen eine Effizienzrevolution. Bezogen auf den bisherigen und zukünftigen Ressourcenverbrauch muss durch effektive Maßnahmen der Einsatz der Ressourcen um den Faktor Fünf gesteigert werden. Diese Effizienzrevolution ist nötig in allen Bereichen des Gebrauchs von Ressourcen. Dies fordern Ernst Ulrich von Weizsäcker und seine Koautoren in ihrem bereits 2009 erschienenen Buch Factor Five, einem Bericht an den Club of Rome. Darin verlangen die Autoren eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität, um die regenerative Kapazität der Erde bei anhaltendem Wohlstand und wachsender Lebensqualität nicht zu überschreiten. Vor allem im Bauwesen muss die Ressourcenproduktivität deutlich erhöht werden, da die Erstellung und Nutzung von Gebäuden in Europa 30 % bis 60 % [1–3] des Energieverbrauchs, des Rohstoffverbrauchs, des Abfallaufkommens, der Treibhausgasemissionen und des Wasserverbrauchs verursachen.
Ressourcenproduktivität im Bauwesen wird durch Effizienzgewinne, d. h. durch reduzierten Ressourcen- und Energieverbrauch, und vor allem durch konsistente und suffiziente Bauweisen erreicht. Konsistent zu bauen bedeutet, mit umweltverträglich hergestellten Bauprodukten aus nachwachsenden Ressourcen und in Kreislaufwirtschaft zu konstruieren. Suffizient zu bauen bedeutet Ressourcenverzicht durch die intelligente Nutzung von Gebäuden. Um dies erreichen zu bzw. beim Bauen einführen zu können, müssen die modernen Technologien wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz genutzt werden. Neubauten sollten, wann immer es möglich ist, nutzungsneutral sein, aus reversiblen Strukturen bestehen und die Wiederverwendung der Bauteile nach Rückbau muss gewährleistet werden. Generell gilt: Dem Neubau ist die nachhaltige Ertüchtigung des Bestands durch ressourceneffiziente Maßnahmen wie bspw. Erweiterung, Aufstockung oder Umnutzung vorzuziehen.
Ressourcenproduktivität muss für Bauherren, planende ArchitektInnen und IngenieurInnen sowie für Ausführende zum Selbstverständnis werden. Dies bedeutet nicht weniger als einen Kulturwandel. Hierfür müssen die Politik – Bund, Länder und Kommunen – in die Pflicht genommen werden, damit sie ihrer Lenkungs- und Vorbildfunktion gerecht werden. Das Ziel ist eine Vergabepraxis, die den Gesamtlebenszyklus von Bauprodukten zur Grundlage hat. Das bedeutet, dass der Nachweis einer CO2-neutralen Gesamtbilanz aus Herstellung, Nutzung, Wiederverwendung und sortenreiner Entsorgung in den biologischen und technischen Stoffkreislauf für private und öffentliche Bauvorhaben eingefordert und belohnt wird.
Wenn die Lebensqualität neben der Ressourcenproduktivität hoch sein soll, haben für Gebäudestrukturen einfache und intelligente Technikkonzepte Priorität. Dies erfordert eine integrale Planung sowie hie und da mehr Mut zum Experimentieren.
Vernetztes Denken, hybride Tragwerke und Materialpartnerschaften spielen eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Effizienzrevolution. Beispielgebend sind unter anderem Holz-Beton-Verbundkonstruktionen. Der Werkstoff Holz ist ästhetisch, ein CO2-Speicher und substituiert energieintensiv hergestellte Baustoffe. Holzbauteile weisen einen hohen Vorfertigungsgrad auf, sind leicht zu transportieren und einfach zu montieren. Der „Partner“ Beton besitzt eine hohe Speichermasse, ist schalldämmend und schwingungsdämpfend und in Bereichen des Feuchteschutzes dem Holz vorzuziehen. Der Verbund aus Holz und Beton reduziert wirkungsvoll den Verbrauch beider Materialien.
Auf der architektonischen Ebene ist mit der Vorgabe reversibler, standardisierter Bauteile in Kreislaufwirtschaft ein hohes Niveau der Lebensqualität dann zu halten, wenn Akzeptanz in der Gesellschaft erreicht wird. Das ist mit „guter“ Architektur möglich, wie die ausgewählten Projekte in diesem Heft belegen.↓
[1] UN Environment and International Energy Agency (2018) Towards a zero-emission, efficient, and resilient buildings and construction sector – Global Status Report 2018. https://www.unenvironment.org/resources/report/global-status-report-2018 [Zugriff am: 02. November 2020]
[2] European Environemt Agency (2012) The European Environment State and Outlook 2010 – Material, resources and waste – 2012 update. https://www.eea.europa.eu/publications/material-resources-and-waste-2014 [Zugriff am: 02. November 2020]
[3] European Commission (2014) On Resource Efficiency Opportunities in the Building Sector. ec.europa.eu/environment/eussd/pdf/SustainableBuildingsCommunication.pdf [Zugriff am: 02. November 2020]