Ein Farbstrichgebirge
Erweiterung der KfW, Frankfurt/M

Im Frankfurter Bankenviertel, dort wo zahlreiche Hochhäuser um die größte Nähe zu den Wolken buhlen, sorgt die KfW-Bank mit einem nur 14 Stockwerke zählenden Bau für Furore. Das Gebäude ist nicht nur betörend farbig, es ist darüber hinaus eines der nachhaltigsten Hochhäuser der Welt.

Nordwestlich des Frankfurter Innenstadtkerns, dort wo die Bockenheimer Landstraße die Zeppelinallee kreuzt, liegt die Hauptverwaltung der KfW Bankengruppe – der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wie der Name andeutet, ist die KfW keine Privatbank, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts, gehört dem Bund und unterliegt der Aufsicht des Bundesministeriums für Finanzen. Die KfW versteht sich als Förderbank und will weltweit Impulse für Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie setzen. Sie unterstützt in konkreten Projekten die nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen und ist somit ein Instrument der Entwicklungshilfe – sowohl national, wie auch international.

2004 stand eine Erweiterung der Hauptverwaltung in Frankfurt an. Selbstverständlich wollte man mit dem Bau einen Impuls für nachhaltige Architektur setzen. Den entsprechenden zweistufigen Wettbewerb konnten die britisch-deutschen Architekten Louisa Hutton und Mathias Sauerbruch mit dem nun realisierten Entwurf für sich entscheiden. Kennzeichnend dafür ist, dass die intendierte Nachhaltigkeit des Gebäudes eben nicht nur ein Etikett ist, das man mittels einer hoch entwickelten Haustechnik in einem beliebigen Volumen nachträglich einbauen kann. Vielmehr liegt der formalen Umsetzung ein Ideal der Architekturlehre zugrunde: „form follows function“. So begründen sich sowohl die Kubatur, wie auch die Ausgestaltung der Fassade aus Erwägungen zur thermischen Kontrolle des Volumens mit einem möglichst geringen Energieaufwand.


Gebäudeform und Lage

Der neue, „Westarkaden“ genannte Gebäudeteil schließt das blockartige Areal der KfW nach Westen mit einem viergeschossigen Riegel, welcher den Blockrand und die Fluchtlinien markiert. Aus diesem erwächst ein 14-stöckiges Hochhaus, das sich zur nahen Kreuzung mit der Bockenheimer Landstraße orientiert. Die Volumina sind so gestaltet, dass sie die Sichtbeziehungen zwischen dem anschließenden KfW-Hauptgebäude und dem nahen Palmengarten – einer prominenten städtischen Parkanlage – nicht beeinträchtigen. Zudem wurde das Grün des Parks durch die Schaffung mehrerer Innenhöfe mit dem KfW-Block subtil verzahnt. Arkaden allerdings hat das Projekt keine einzige. Die Bezeichnung rührt daher, dass es sich um einen Anbau an die bestehende Hauptverwaltung handelt, die „Nordarkaden“ heißt. Und diese weist eine entsprechende Detaillierung auf.


Fassade

Der Gebäudekomplex erregt Aufsehen durch seine schuppenartige Fassade. Die Farben wurden nicht willkürlich gewählt, sie orientieren sich an der Umgebung: Die Grüntöne weisen in Richtung Palmengarten. Die roten Flächen mit Orientierung zur Zeppelinallee beziehen sich auf den ortstypischen Mainsandstein und die grau-blauen Elemente in Richtung KfW-Bestand greifen die Farben der Kreditanstalt auf.

Die Schwünge der Außenfront bilden sich aus ebenen Glasflächen, die jeweils um etwa 40 cm verspringen. Der Versatz besteht aus einer orthogonal zur Glasfläche angeordneten farbigen Klappe, welche entsprechend der Wetterlage zentral gesteuert, d.h. geöffnet oder geschlossen wird. Dahinter befindet sich ein etwa 50 cm breiter Druckring. Bei der Konstruktion handelt es sich so um eine Doppelfassade.

Konzipiert wurde diese Druckringfassade, um die bei Hochhäusern auftretenden turbulenten Winddruckverhältnisse an den Fensteröffnungen auszugleichen und damit einen gleichmäßigen und entsprechend zugfreien Luftdruck im Gebäude zu schaffen. Der Luftstrom ist so reguliert, dass eine Geschwindigkeit von 6 m/s nie überschritten wird. Da die Form des Gebäudes der Aerodynamik der Hauptwindrichtung (Südwesten) folgt, wird der Druckring in Windrichtung durchspült. Die Fassade ist jedoch auch für andere Windrichtungen ausgelegt. Die Fassade nach innen weist Fenster mit Dreh-Kipp-Beschlägen auf, die sich individuell öffnen lassen. Korrelierend mit den starren Glasflächen der Außenhaut ist dadurch ein direkter Blick nach draußen möglich, wohingegen die Belüftung nur indirekt erfolgt. Dies ist akustisch von Vorteil, da der Straßenlärm deutlich gedämpft wird.


Belichtung

Um das Tageslicht optimal ausnutzen zu können, wurde großer Wert auf einen hohen Fensteranteil in der Fassade gelegt. Horizontale Lamellenraffstores im Fassadenzwischenraum dienen zur Verschattung. Sie weisen in ihrem oberen Drittel eine integrierte Lichtlenkung für ein blendfreies Arbeiten auf, welche aber ein unnötiges Abdunkeln des Raumes verhindert. Zudem wird das zuschaltbare künstliche Licht kontinuierlich an das vorhandene Tageslichtangebot angepasst, sprich gedimmt. Die Beleuchtung wird zwar manuell zugeschaltet, ein Rechner schaltet die Leuchten bei ausreichender Helligkeit jedoch aus.


Thermisches Konzept

Die Westarkade weist einen errechneten Primärenergiebedarf von 82 kWh/m² Nettogeschlossfläche auf und liegt damit deutlich unter dem maximal zulässigen Wert des KfW-eigenen Förderprogramms SolarBau. Dessen Grenzwert beträgt 100 kWh/m²/a. Seine Einhaltung war eine Kernforderung des Bauherrn.

Die Druckringfassade dient vornehmlich im Sommer dazu, Überhitzungseffekte zu minimieren. Im Winter ist der Zwischenbereich ein passiver thermischer Puffer. Gekühlt wie erwärmt wird das Gebäude über eine Bauteilaktivierung der Betondecken, wodurch diese eine konstante Temperatur von 21°C besitzen.

Als Energiequelle wird die Abwärme des integrierten Rechenzentrums genutzt, erst bei einem Mehrbedarf wird auf Wärme aus einem KfW internen Verbundnetz zurückgegriffen. Sinkt die Außentemperatur unter 10°C oder steigt sie über 25°C, werden die Räume mechanisch belüftet. Die dafür nötige Zuluft wird über einen rund 30 m langen, unterirdischen Erdkanal vom Rande des Palmengartens angesaugt. Die Außenluft ist hier von Straßenemissionen weniger belastet, zudem erlaubt der unterirdische Kanal, das Erdreich auch geothermisch zu nutzen. Die Frischluft wird so entweder vorgewärmt oder -gekühlt. Über Schächte wird sie in die Doppelböden der Büros eingeblasen, von wo sie durch den Fenstern vorgelagerten Quellluftauslässen in die Räume gelangt. Diese alternieren vor den Fensterflächen mit Unterflurkonvektoren, die zum Abfangen thermischer Spitzen benötigt werden. Die frische Luft wird überdies an den thermisch aktiven Geschossdecken vorbeigeführt und dadurch ebenfalls temperiert. Dies macht deren thermische Wirkung noch effektiver.

Die Abluft verlässt sommers wie winters die Räume in gleicher Weise: Über schallgedämmte Überströmelemente gelangt sie zunächst in die Flure und strömt von dort in den Gebäudekern, wo sie mittels ihres natürlichen Auftriebes über das Dach ins Freie austritt – natürlich nicht ohne vorher einen Wärmetauscher passiert zu haben.

Sauerbruch-Hutton spielen bei der Erweiterung der Zentrale der KfW-Bank nicht nur souverän mit einer breiten Farbpalette. Sie haben zudem ein Green Building am Main errichtet, das zu Recht als eines der nachhaltigsten Hochhäuser der Welt gilt. Dies darf als ein Beitrag zu der Frage gelten, was denn eine angemessene Formensprache für nachhaltige Architektur ist. Robert Mehl, Aachen

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