Ein Haus für 1001 und mehr Maschinen
Labor- und Bürogebäude, Berlin

„Weiß“ ist der erste und dominante Eindruck des neuen Bosch Siemens Hausgeräte Centers in Berlin. Weit entfernt von Richard Meyers weißen Bauten handelt es sich jedoch hier um ein überraschend klug wie effizient durchdachtes funktionales Gebäude, das die Berliner Architekten Georg Gewers und Henry Pudewill schufen.

Vor allem große Spannweiten sollten früher Industriegebäude bieten. Ihr Energieverbrauch stand nicht zur Diskussion. Kostengünstig, funktional und flexibel sollten sie sein, was repräsentative Aspekte jedoch nie ausschloss, sondern gerade in Berlin markante Bauten der Industrie entstehen ließ. Unternehmen wie Borsig, Schwartzkopff, AEG oder Siemens prägten damals mit ihren Bauten nicht weniger die werdende Großstadt als Regierung oder Kultur. Berlin als „Elektropolis“ bezeichnet, faszinierte Anfang des 20.Jahrhunderts, ohne dass sich jemand über Nachhaltigkeit den Kopf zerbrach. Heute ist dies anders. Unternehmen und Architekten müssen heute weit komplexer berücksichtigen, dass Ressourcen endlich sind.

Weit im Westen Berlins, am Rande der Siemensstadt mit ihren oftmals monumentalen Industriegebäuden stand das Architekturbüro Gewers und Pudewill vor der Herausforderung eine architektonische Lösung für ein 32 000 m² großes Forschungszentrum zu finden, das nicht nur Büros, sondern auch Raum für etwa 1 000 Waschmaschinen und 300 Trockner umfassen sollte. Bislang über mehrere Stand­orte verteilt, wollte man diese Funktionsbereiche nun in einem Haus vereinen. Das neue Bosch Siemens Hausgeräte Center sollte neue Maßstäbe setzen: hier sollte die Abwärme der vielen Maschinen nicht mehr, wie früher, ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden.


Integratives Arbeiten

In einem integrierten Designteam entwickelten die Architekten mit dem Prozessingenieur Thomas Liebert ein überaus effizientes Gebäudekonzept in Form einer kompakten Kammstruktur, die sich entlang eines 105 m langen Laborgebäudes als „warmen“ Kern entwickelt. Zur möglichst natürlichen Belichtung ihres Kerns wurden die Kämme jeweils um die Breite eines „Zackens“ verschoben und das Gebäude klar west-ost-orientiert. Besondere Aufmerksamkeit legten sie auf das Wohlbefinden und die bessere Kommunikation der Mitarbeiter, deren teilweise klinisch weiße Arbeitsplätze nun um attraktive Aus­blicke auf den grünen Nahbereich der Spree bereichert werden. Anregende Perspektivwechsel bietet das Haus, wo auf jeder Etage um dem Laborkern ein transparent umlaufender Erschließungsring die Wege zwischen den Abteilungen verkürzt und weit sichtbar macht.

Bei der Gestaltung des siebengeschossigen Laborkerns und der um ein Geschoss niedrigeren Büroriegel dominiert kontrastreich zum Grün der Umgebung die Farbe Weiß. Schließlich spricht man stets in Verbindung mit Waschmaschinen und anderen Haushaltsgeräten von „weißer Ware“, wobei Georg Gewers und Henry Pudewill ihre Architektur noch stärker als Imageträger für das Unternehmen einzusetzen verstanden. So sind hier viele Gebäudekanten elegant abgerundet und trägt das Haus eine Haut weiß pulverbeschichteter Aluminiumplatten. Mit großen Fensterbändern und einer bewusst überdimensionalen Schaufenster-Öffnung zur nahen Autobahn bietet es sich als ein markantes technisches Bauwerk dar, dessen dominantes Weiß von Weitem schon aus seinem Umfeld hervorsticht. Details wie Lichtschwerter entlang der Fensterbänder und deren wiederkehrende quasi topographische Verjüngung entlang des Labor-„Kerns“ sorgen für einige Bewegung an der Fassade .


Das Energiekonzept

Die technische Besonderheit des Hauses , dessen Haustechnik, ist unsichtbar im Kern des Hauses bzw. auf dem Dach versteckt, da man das Technikgeschoss mit den Räumen der Unternehmensleitung in einer Kubatur zu verschmelzen wusste.

Der Clou ist ein besonders intelligentes Energiekonzept, dass 90 % der Primärenergie für Heizung einsparen hilft. Bis zu einer Außentemperatur von -10 °C wird keine zusätzliche Energie für Heizung mehr benötigt, da Thomas Liebert entgegen früherer vergeblicher Versuche des Nutzers ein Filtersystem fand, das es erlaubte die Flusen aus den Abwassern der Maschinen zu filtern und die Energie die Abwärme in mehreren Stufen über Plattenwärmetauscher und eine 390 kW Wärmepumpe zurückzugewinnen. Wofür mit flexiblen Anschlussstellen ein Wasserrohr-Ring um den Labor- und Prüftechnik-Bereich jeder Etage gezogen wurde.

In Verbindung mit der Nutzung der warmen Abluft zahlreicher Wäschetrockner (70 % Wärmerückgewinnung der Abluft) kann das Bosch Siemens Hausgeräte Center jährlich 285 t CO2 bei der Heizung einsparen. Nur an ca. 20 Tagen jährlich kommt hier noch ein Gaskessel zum Einsatz. Mittels Betonkernaktivierung der mit Kaltwasser durchströmten Betondecken und „freie Kühlung“ in Kühltürmen bis 13 °C Außentemperatur können jährlich 1 282 t CO2 gespart werden, was das Gebäude zu einem Green Building macht, das die Kriterien für DGNB Bronze erfüllt – zumal hier Strom nur aus regenerativen Quellen benutzt wird. Zudem war eine zusätzliche Prozesswassernutzung über einen Brunnen beabsichtigt, die aber an den Genehmigungsbehörden scheiterte.

Architektonisch bemerkenswert konnte ,dank eines schlanken Haustechnikkonzepts, das weitgehend auf Automatisierung und mechanische Belüftung verzichtete, ein puristisches Raumkonzept verwirklicht werden. Offen, aber nicht störend sind alle Leitungen verlegt. Zur maximalen Nutzung der Masse der Betonkonstruktion blieben Wände, Decken und Böden zumeist unverkleidet. Mit zwei Rastern, 1,10 m für die Labore und 1,25 m für die Büros, sind beide Nutzungsbereiche extrem variabel. Angesichts der beträchtlichen Bewegungen der Maschinen wurde der Laborbereich mit seinen Spannbetonhohldecken von den Bürokämmen schwingungsentkoppelt.

Farbe findet sich im Innern nur in den Schnittpunkten zwischen dem Umläufer des Labortrakts zu den Büros. Kommunikationsbereiche unterschiedlicher Farbigkeit, Materialität und Mobiliars wurden dort implantiert, die einmal mehr die Abteilungen vernetzen und verschiedene Grade von Öffentlichkeit anbieten. Transparenz und Durchlässigkeit war hier Programm, weshalb nun für manche Mitarbeiter noch sehr ungewohnt, die Labore immer wieder über Fenster zum Umläufer hin sich einsehbar präsentieren.

Ein Miteinander und nicht ein Nebeneinander ist unübersehbar die Botschaft des Hauses. Nicht zuletzt die östliche Stirn des Kerngebäudes dient, die sich von Außen als überdimen­sionales Schaufenster darbietet, aber im Innern viele Teamarbeits­räume unterschiedlicher Größenordnungen besitzt. Dort im Osten konzentrieren sich alle Gemeinschaftsbereiche des Bosch Siemens Hausgeräte Center – mit der leicht zurückgesetzten Cafe­teria darunter und der Leitungsebene darüber. Klar organisiert und effektvoll an die Wasserkante gesetzt, überzeugt das Technikcenter für 750 Mitarbeiter mit seinen vielen Qualitäten räumlich wie funktional.

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