Georg Gewers und Henry Pudewill, Gewers & Pudewill GmbH, Berlin
Nichts ist schöner und härter,
nichts ist formbarer und fester zugleich,
nichts ist unverwüstlicher und empfindlicher,
nichts kann so viel tragen und zugleich leicht aussehen,
nichts verträgt sich mit anderen so gut und keine Oberfläche ist
haptischer und streichelt man lieber …
Und das ließe sich weiterführen, weshalb wir Beton so sehr lieben! Es gibt wohl keinen sinnlicheren Baustoff und kein Material, das es mit ihm aufnehmen kann und in dieser Dialektik so sehr fasziniert.
Also ist es umso mehr wichtig, dass wir uns die Frage stellen: Was hindert viele Architekten und auch uns eigentlich daran, diesen Traum von Material in unseren Arbeiten oft und gerne anzuwenden? Hatten wir über die vielen Segnungen der Postmoderne, die unsere Lehrer propagiert und gepredigt hatten, den Beton als ganzheitlichen Baustoff vergessen, verloren oder bewusst verbannt? Die Abkehr vom zugegeben strengen und einseitigen Materialkanon des internationalen Stils der 1960er-Jahre hin zu einer neuen Materialvielfalt einerseits und die gesellschaftlichen Auswirkungen eines überzogenen Städtebaus der 1970er-Jahre andererseits, für die leider auch der Beton stand und verantwortlich gemacht wurde, trugen zunächst zu Abkehr und Imageverlust bei. Dagegen erlebten vorgehängte Naturstein- und Klinkerwände eine ungeahnte Renaissance.
Aber nicht allein die mangelnde Akzeptanz, sondern auch die Errungenschaften des neuen Energiesparbauens, dem unfassbar viel geopfert wurde und immer noch geopfert wird, machen den Einsatz von Beton nicht eben leichter. Restriktionen und Wärmedurchgangsberechnungen entscheiden heute meistens über den Materialkanon und die Architektur – verkehrte Welt?!
Es scheint fast nur noch möglich, Beton als sichtbares Außen zu verwenden, wenn man das Material als Wetterschale vorhängt, was weit unter den vielen Möglichkeiten von Beton liegt. Dagegen wird Alles und Jedes vor den Rohbau gehängt, für den er grade noch gut genug scheint. Vieles Verzärtelte und Verschönte tritt an seine Stelle – häufig ein armseliges WDVS, für das es offensichtlich immer einen guten Grund zu geben scheint. Aber so, wie es auf den ersten Blick scheint, ist es dann doch nicht mehr. Viele Architekten und auch Künstler arbeiten seit einigen Jahren wieder verstärkt mit Beton, bekennen sich zu ihm, nehmen alte Verfahren wie Stampfbeton wieder auf und knüpfen mit konsequenten Sichtbetonhäusern und mutigen Entwürfen an die grandiose Tradition der Antike und des 20. Jahrhunderts an. Die aktuellen Ergebnisse dieser Art des Entwerfens und Bauens sind begeisternd und ermutigend, woran die gebauten Beispiele in diesem Heft auch keinen Zweifel lassen.
Die freie Formbarkeit und Immanenz des Materials Beton lässt sich gerade heute bei immer besserer Schaltechnologie weitertreiben. Genauso wie die vielen Möglichkeiten der Farbgebung, der Strukturgebung, der Bewehrung mittels immer leistungsfähigerer Materialien und der Herstellung von komplexen Fertigteilen.
Das Raue, Harte, zuvor Gegossene und dann Erstarrte bleibt die große Stärke des Betons und erzeugt seine immense sinnliche Kraft, die immer noch und immer wieder visionäre Kollegen und ihre mutigen Bauherrn fasziniert.
Wir sind zuversichtlich, dass das Bauen mit Beton wieder vielfältiger und sinnlicher wird.
Die Heftpaten
Georg Gewers, 1962 geboren in Westfalen, 1990 Diplom TU Stuttgart. 1975-1983 Bildhauer bei Bernhard Gewers, 1983-1990 Architekturstudium in Aachen und Stuttgart. Arbeit in Paris und London, 1991-2000 Becker Gewers Kühn & Kühn, Berlin, 2000-2007 Gewers Kühn und Kühn Architekten, 2008 Gründung Gewers Pudewill. Zahlreiche Auszeichnungen
Henry Pudewill, 1967 geboren in Berlin, 1992 Diplom Bauhaus-Universität Weimar. 1992-1994 Hebel AG, München, Assistent des Vorstandes. 1994-2008 Henn Architekten, München/Berlin, Partner, 2008 Gründung Gewers Pudewill