Sozial- und Verwaltungsgebäude FlughafenBER, Berlin
In der Service-City des Berliner Großflughafens BER haben Gewers Pudewill vier Gebäude für die Sicherheits- und Bodenverkehrsdienste errichtet. Bei anderen Flughäfen fristen diese Funktionen oft abseits der Terminals ihr Dasein. Hier folgen sie dem anspruchsvollen Gestaltungskonzept des Gesamtareals. Dazu zählen hochwertige Sichtbetonfertigteile in den Fassaden.
Während alle Welt immer noch auf die Eröffnung des großen Terminalgebäudes vom neuen Berliner Hauptstadtflughafen wartet, stehen vier Gebäude seiner Service-City Süd seit fünf Jahren betriebsbereit auf einem Gelände nordöstlich der Start- und Landebahn Süd.
„Henry Pudewill und ich hatten kürzlich erst unser Büro gegründet, als wir von dem Bauherrn, der Berliner Flughafengesellschaft, im Jahr 2009 zu einem Pitch eingeladen wurden“, beschreibt Architekt Georg Gewers von Gewers Pudewill die Entstehung des Projekts. „Wir waren sozusagen die ‚Jungen Neuen‘ und wurden zusammen mit erfahrenen Generalplanern eingeladen, ein Konzept für die wichtigen dienenden Funktionen des neuen Großflughafens zu entwickeln.“ Es galt, Bereiche für die Bundespolizei, die Flughafensicherheit, den Zoll, die Bodenverkehrsdienste und den Deutschen Wetterdienst zu schaffen. Dazu zählten u. a. Werkstätten und Fahrzeughallen für den speziellen Fuhrpark der Bodenabfertigung sowie Räume teilweise als Hochsicherheitsbereiche für die Zoll-, Grenz- und Luftsicherheitsbehörden. Gewers fährt fort: „Um dieser Vielfalt an Aufgaben und ihrer Bedeutung städtebaulich, gestalterisch und funktional gerecht zu werden, entschieden wir uns für ein ganz klares Konzept: für die Reihung von vier gleich großen Gebäuden, die wie Felsen in der Brandung auf dem Areal gelandet sind. Dafür erhielten wir den Zuschlag.“ Gestalterisch sind die vier nahezu identisch wirkenden Gebäude Teile des Gesamtflughafens. Denn sie orientieren sich an den Gebäude- und Fassadenrastern und der Farb- und Materialwahl, die im Gestaltungskonzept von den Architekten des Terminalgebäudes (von Gerkan Marg & Partner - gmp) vorgegeben sind. „Jedoch wollten wir unseren Gebäuden eine eigene Identität mitgeben, ihnen einen Ausdruck von „Schnelligkeit und Dynamik“ verleihen“, betont Architekt Gewers. Das gelingt mit einer Fassade aus Sichtbetonfertigteilen, die sich wie eine schützende Hülle um die Gebäude faltet und dabei die Stirnseiten nach Norden und Süden großzügig öffnet.
Schmale, liegende Fensterbänder kombiniert mit einem ausgeklügelten Fugenbild und Relief verleihen den geschlossenen Bereichen der Sichtbetonfertigteilfassaden eine außergewöhnliche Dynamik.
Büro- und Sozialgebäude der Bodenverkehrsdienste
In diesem Gebäude befinden sich Büros und Sozialräume für ca. 3 000 Mitarbeiter des Großflughafens. Größtenteils mieten sich hier externe Dienstleister Räume für ihr Personal, das im Schichtdienst rund um die Uhr auf dem Flughafen arbeitet. Außerdem gibt es in den Obergeschossen Büroräume des Deutschen Wetterdienstes. Ein wesentlicher Gebäudeteil ist die Kantine im Erdgeschoss, die ca. 1 000 Essen am Tag ausliefert. Sie liegt direkt neben dem Eingang im Norden und öffnet sich mit einer großzügigen Glasfront zum ersten Innenhof. An den Gastbereich grenzt, nach außen orientiert, die Großküche mit ihren dazugehörigen Nebenräumen sowie der An- und Ablieferung. Am zweiten Innenhof liegen die Bereiche für die Personalumkleiden sowie Büroräume.
Die großflächigen Glasfassaden an den Stirnseiten des Gebäudes sind radardämpfend. Dazu sind Gitter in die VSG-Verglasungen eingelegt, die die Radarstrahlen brechen. Alle Dachflächen der vier Gebäude der Service-City Süd sind begrünt. Ankommende Passagiere können das Gebäudeensemble bereits aus der Luft gut erkennen.
Konstruktion und Fertigteile
Das Büro- und Sozialgebäude der Bodenverkehrsdienste ist nicht unterkellert. Es ist flach gegründet auf Einzel- und Streifenfundamenten. Seine Tragkonstruktion bildet ein Raster aus Stahlbetonstützen mit Stahlbetonflachdecken aus Halbfertigteilen (STB-Filigran-
decken). Tragende Wände sind aus Ortbeton. Eine besondere Herausforderung, nicht nur gestalterisch, sondern auch konstruktiv, stellte die Fassade aus Sichtbetonfertigteilen dar. Im Bereich der Umkleiden besteht sie aus scharfkantigen Fertigteilen mit langen, schmalen, liegenden Fensteröffnungen. Diese großzügigen Sichtbetonelemente sind ca. 3,50 m hoch und 5,00 m lang. „Wir haben mit einem sehr erfahrenen Betonunternehmen zusammenarbeiten dürfen und haben gemeinsam viele Muster und Oberflächenvarianten erstellt. Vom Fugenbild, von der genauen Platzierung der Fensteröffnungen bis hin zur Farbe musste ja alles aufeinander abgestimmt sein – von innen und auch von außen“, beschreibt Georg Gewers eine besondere Herausforderung bei der Planung. „Außerdem haben wir sozusagen fast parallel geplant und gebaut – „to plan and build“, wie die Engländer es formulieren.“ Durch die modulare Gestaltung der Gebäude sowie der Fassaden konnten viele Bauelemente seriell, kosten- und termineffzient produziert werden. Bei den beiden Hallen umspannt die um ca. 2 m auskragende Hülle in Ost- und Westrichtung großflächige Toranlagen aus bis zu 10 m breiten und 6 m hohen Toren. Im Süden der Hallen kragt die Fassade im gleichen Verhältnis wie bei den Bürogebäuden aus. Im Norden prägen leicht geneigte Fertigteile mit integrierten verdichteten Stahlmatten das Erscheinungsbild. Sie sind außerdem leicht gegeneinander versetzt. So ergibt sich aus einfachen Mitteln ein Relief mit radardämpfender Wirkung. Energetisch sind die Gebäude gemäß den Richtlinien der ENEV 2009 geplant, die zum Zeitpunkt der Planung Richtlinie war. Der Bauherr, die Flughafengesellschaft, will alle Flughafengebäude über eine Energiezentrale versorgen. Deshalb wurde bei der Planung der Service-City Süd auf weitere Features wie z. B. die Nutzung von Erdwärme oder Solarenergie verzichtet.
Fazit
„ Wir waren 2009 ein junges Team, hatten im Jahr zuvor unser Büro gegründet und konnten den Pitch für die Service-City Süd des neuen Berliner Großflughafens gegen erfahrene Generalplaner für uns entscheiden“, blicken die Architekten Georg Gewers und Henry Pudewill nicht ohne Stolz zurück. Die Architekten Gewers Pudewill wurden nach dem Zuschlag Generalplaner für das Projekt, betraut mit den Leistungsphasen 1 − 8. Die Bauzeit lief von Juli 2010 bis Frühjahr 2012. Alle Gebäude dieser Service-City Süd wurden rechtzeitig fertiggestellt und sind im Kostenrahmen geblieben.
Susanne Kreykenbohm, Hannover
Baudaten
Objekt: Sozial- und Verwaltungsgebäude der Bodenverkehrsdienste am BER Berlin-Brandenburg
Standort: Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt – BER,
Service-City Süd
Typologie: Sozial- und Verwaltungsgebäude
Bauherr: Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH, Berlin-Schönefeld,
www.berlin-airport.de
Nutzer: Bodenverkehrsdienste des Flughafens
Architekt: Gewers Pudewill GmbH, Berlin, www.gewers-pudewill.de
Mitarbeiter (Team): Georg Gewers, Henry Pudewill, Thomas Birk (Projektleitung), Bernd Bronnert, Christoph Bukowski, Yvonne Dauz, Elisa Gersdorf, Türkan Ötztürk, Thomas Probst
Bauleitung: BAL Bauplanungs- und Steuerungs GmbH, Berlin,
www.bal-berlin.de
Generalunternehmer:
BAM Deutschland AG, Stuttgart,
www.bam-deutschland.de
Bauzeit: Juli 2010 – Dezember 2011
Fachplaner
Tragwerksplaner: Hartwich/Mertens/Ingenieure Planungsgesellschaft für Bauwesen mbH, Berlin, www.hming.de
HLS-Planer: Ingenieurbüro Liebert Versorgungstechnik GmbH & Co. KG, Hüfingen/Berlin, www.liebert-ing.de
ELT-Planer: Schnell Ingenieure GmbH & Co. KG, Tuttlingen, www.ib-schnell.de
Bauphysik: Müller-BBM GmbH, Planegg/Berlin, www.muellerbbm.de
Freianlagen/Ingenieurbauwerke/Verkehrsanlagen: BDC Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin, www.bdc-dorsch.de
Energieplaner: Müller-BBM GmbH, Planegg/Berlin, www.muellerbbm.de
Brandschutzplaner: sbg Sachverständigenbüro Goldmann, Berlin,
www.sbgoldmann.de
Interne Steuerung: BAL Bauplanungs- und Steuerungs GmbH, Berlin,
www.bal-berlin.de
Projektdaten
Grundstücksgröße: 11 500 m²
Grundflächenzahl: 0,31
Geschossflächenzahl: 0,91
Nutzfläche gesamt: 9 400 m²
Nutzfläche: 6 350 m²
Technikfläche: 1 060 m²
Verkehrsfläche: 1 990 m²
Brutto-Grundfläche: 11 870 m²
Brutto-Rauminhalt: 39 540 m³
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 279 kWh/m²a
nach EnEV 2009
Energiekonzept
Dach: Stb.-Decke 25 cm, Dämmung 16 cm i. M., extensive Begrünung 6 cm
Außenwand: Stb.-Fertigteil 15 cm, Wärmedämmung WLG 0,35 12 cm, Hinterlüftung 4 cm
Fensterrahmen: Aluminium
Boden: Stb.-Platte, tw. WU, 35 cm, Dämmung 10 cm, schwimmender Estrich,
Oberbelag Linoleum
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,268 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,467 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,188 W/(m²K) Gründach
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,8 W/(m²K)
Haustechnik
Energieträger: Nahwärme, Gas
BHKW Wärme: 60 % Anteil
Strom: 60 % Anteil
komplett mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Hersteller
Pfosten-Riegel-Fassade: Gattner Metall-bau GmbH, Leinefelde-Worbis (seit 2014 verschmolzen mit Seufert-Niklaus GmbH), www.seufert-niklaus.de
Betonfertigteile: Hermann Geithner Söhne GmbH & Co.KG, Wilhelmshaven bzw. Geithner Betonmanufaktur Joachimsthal GmbH, Ziethen und Bernau, www.geithnerbau.de