Eine kleine RevolutionCO2-neutrale Fertigungshalle SMA60
Wechselrichter verwandeln den Gleichstrom aus Solaranlagen in netzüblichen Wechselstrom. Die Kasseler Firma SMA ist auf diesem Gebiet Weltmarktführer. Mit ihrer neuen Fabrikhalle gelingt es, Wechselrichter CO2-neutral zu produzieren.
Welchen Bruch diese Fabrikhalle darstellt, erkennt man mit dem Blick zurück: Nicht dass die Planer der Klassischen Moderne die mit der Industrialisierung einhergehenden Gefahren für Mensch und Natur nicht erkannten, sie dachten aber, dass durch die Entzerrung der Funktionen die Belastungen gebannt werden könnten. Der letzte Affekt dieser Mentalität sind die immer höheren Schornsteine der 1960er Jahre. Die CO2-neutrale Produktion kommt ohne Schlote aus. Sie bedeutet, vor dem Hintergrund, dass nach wie vor die Industrie neben Verkehr und Wohnungsbrand eine der größten Erzeuger von klimaschädlichen Gasen ist, eine Revolution in der Produktionsweise. Das Energiekonzept der SMA-Fabrikhalle am nordöstlichen Standrand von Kassel, deren Fläche zweieinhalb Fußballfelder umfasst, basiert auf zwei Säulen: Maximale Energieeffizienz zum einen, Kompensation der bei der Produktion entstehenden CO2-Emissionen – jährlich 500 Tonnen – zum anderen. Wobei die Halle und ihre kalkuliert bescheidene Architektur einen integralen Bestandteil beider Säulen darstellt. Die Gebäudehülle aus hochdämmenden Alu-Compound-Elementen an den Längsseiten - die Stirnseiten sind großflächig verglast - wurde thermisch optimiert und entspricht mit einem K-Wert von 0,42 W/(m²K) dem Niedrig-Energiehaus-Standard. Daneben wurde der Energiebedarf der Arbeitsplätze und Fertigungsanlagen mit Einsatz stromsparender Antriebe reduziert. Die fassadennahen sind natürlich belichtet, in den Übergangszeiten auch natürlich belüftbar. Insgesamt führt dies zu einem Primärenergiebedarf pro Quadratmeter und Jahr von 500 kWh.
Die Energie bezieht die Fabrik aus unterschiedlichen, freilich ineinandergreifenden Quellen. Den Grundbedarf an Wärme produziert ein mit Bioerdgas betriebenes Blockheizkraftwerk. Ein weiterer Teil kommt über die Fernwärme des nahegelegenen Müllheizkraftwerks. Dritte Wärmequelle ist die Abwärme eines strombetriebenen Kompressors, der Druckluft für Werkzeuge bereitstellt. Sämtliche Wärmequellen sind an einen geothermischen Speicher angeschlossen, der Erzeugungs- und Verbrauchspitzen abfedert. Zwei Arten der Kälteerzeugung sind in das Energiekonzept integriert: Eine Absorptionskältemaschine nutzt die Abwärme des BHKW. Sollte zusätzlicher Kühlungsbedarf bestehen, kommt eine strombetriebene Kältemaschine zum Einsatz. Ein Teil der elektrischen Energie liefern die Kasseler Stadtwerke, wobei schwedische Wasserkraftwerke zertifizierten Ökostrom gewinnen. Einen weiteren Teil liefert das erwähnte BHKW. Den größten Anteil jedoch die interne Photovoltaikanlage. Auf dem Dach, in die Oberlichter, in die Vordächer über dem Logistikhof und einer Außenterrasse sind Module mit einer Gesamtleistung in der Spitze von 1,1 Megawatt montiert bzw. integriert – mehr als in die Akademie Mont–Cenis in Herne, die HHS mit Jourda & Perraudin planten. In der Endausbaustufe sollen zwei Solarkraftwerke in der Kasseler Umgebung mit einer Gesamtleistung von 5 Megawatt den Strom der Stadtwerke ersetzen. SAM entwickelt auch ein Programm zur Energieversorgung netzferner Regionen auf Basis erneuerbarer Energien – die eigene Wechselrichterfabrik ist in der Endausbaustufe geeignetes Referenzobjekt. Enrico Santifaller, Frankfurt