Eine sichere Alternative?
Innendämmsysteme im Langzeittest

Systeme zur innenseitigen Dämmung von Außenwänden bieten sich vor allem dort an, wo die Fassade unangetastet bleiben soll – Stichwort Denkmalschutz – oder derart enge Bebauungsgrenzen herrschen, dass eine Dämmung von außen nicht infrage kommt. So groß die Vielfalt der angebotenen Innen­dämmsysteme inzwischen ist, so groß sind auch bei vielen Verarbeitern, Planern und Bauherrn immer noch die bauphysikalischen Bedenken oder Vorbehalte. Diese können nun durch nachweisbare Messungen ent­-kräftet werden, wie die kürzlich abgeschlossene unabhängige Auswertung einer vier Jahre andauernden Messreihe am Energie- und Umweltzentrum in Springe (e.u.[z.]) mit marktüblichen Systemen zeigt. Innendämmungen sind keine Risikokonstruktion, wenn einige neue Erkenntnisse beachtet werden.

Insbesondere im Rahmen der energieeffizienten Ertüchtigung von Bestandsgebäuden sind in den vergangenen Jahren Systeme zur Innendämmung von Außenwänden stärker in den Fokus geraten. Neben ihren Vorteilen, wie zum Beispiel ihrer weitestgehend witterungsunabhängigen Verarbeitbarkeit, der Senkung des Wärmestroms um mehr als 65 % oder dem Erhalt historisch wertvoller Fassaden, müssen allerdings auch die Hindernisse, wie ausreichender Schlagregenschutz, Beurteilung der alten Innenputzschicht und die ver­bleibenden Wärmebrücken, diskutiert werden. Bestehende Feuchteschäden können mit der Innendämmung nicht beseitigt werden und eine unsachgemäße Montage der Dämmsysteme fördert eher das Entstehen von Tauwasser und Schimmelpilzbildung.

Unabhängige Messungen am Objekt

Um bauphysikalische Erkenntnisse und belegbare Argumente zu gewinnen, entschied sich das e.u.[z.] Ende 2006, fünf Innenwanddämmsysteme zu untersuchen. Mit Unterstützung der Messtechnik des Instituts für Bauklimatik der Universität Dresden und Partnern aus der Industrie sollten Planung, Montage, Eigenschaften und Feuchteverhalten betrachtet werden. Als Versuchsobjekt diente ein ehemaliges Schullandheim aus dem Jahr 1928 in Springe-Eldagsen, das Haupthaus des e.u.[z.] Hier werden die Untersuchun­gen seit November 2007 quasi „am lebenden Objekt“ durchgeführt.

Wandaufbau

Die Außenwand dieses Gebäudes besteht aus 360 mm dickem Verbundmauerwerk mit Vollziegeln und Kalksteinverblendung (120 mm) ohne Luftschicht. Die untersuchte Wand ist nach Osten ausgerichtet und durch große Dachüberstände gut vor Schlagregen geschützt, weshalb diesbezüglich keine zusätzliche Feuchtebelastung von außen zu erwarten war. Zudem sind die Außenwandoberflächen aufgrund eines dichten Baumbestandes unweit des Gebäudes weitgehend verschattet. Außerhalb der Vegetationsperiode weist die Fassade jedoch eine gewisse Strahlungsabsorption auf, weshalb über das Jahr gesehen ein geringes Trocknungspotential besteht. Generell lassen sich die Erkenntnisse aus den nachfolgend beschriebenen Messergebnissen auch auf andere Wandkonstruktionen, wie zum Beispiel zweischaliges Mauerwerk, Außenwände mit Vorhangfassade, Sichtmauerwerk mit wasserabweisender Oberfläche oder Wände mit stark abschirmender Nachbarbebauung übertragen.

Feuchtebelastung der Außenwand

Grundsätzlich gilt: Durch das Aufbringen einer Innendämmung wird der Querschnitt einer massiven Wand im Winter kälter und im Som­mer wärmer als bei einer ungedämmten Außenwand. Die daraus entstehende höhere Temperaturdifferenz kann die Wand im Allgemeinen gut verkraften. Anders sieht es mit der Feuchte aus: Zum einen wirkt von außen möglicher Schlagregen als zusätzlich belastende Feuchtequelle, weshalb vor allem ein funktionierender Schlagregenschutz gegeben sein sollte, damit die Wand auch mit geringer Wärmezufuhr von innen selbstständig trocknen kann. Zum anderen erhöht ein Diffusionsstrom von innen nach außen den Feuchtegehalt der Konstruktion. Beide Faktoren müssen stets mit berücksichtigt werden.

Im Winter wandert der Wasserdampf der Raumluft stets von der warmen zur kalten Seite durch ein Bauteil. Da warme Luft naturgemäß mehr Feuchte beinhaltet als kalte Luft, kommt es auf dem Weg von der warmen zur kalten Seite zu einer Feuchteanreicherung in den Kapillaren und Poren des Mauerwerks. Das gefürchtete Tau- bzw. Kondenswasser (wie man es z. B. von Fensterscheiben kennt) entsteht allerdings nicht. Hier liegt ein Vorteil von wasseraufnahmefähigen“ Baustoffen, die die Luftfeuchte wie von „Geisterhand“ in den Poren verschwinden lassen und zu unkritischen Feuchtewerten in den Baustoffen verteilt. Im Sommer verläuft der Vorgang retour: Ein Teil des gebundenen Wassers wandert wieder in den kühlen Innenraum zurück, der andere Teil verdunstet auf der Außenoberfläche der warmen Außenwand.

Diffusionsoffen und diffusionsbremsend

Prinzipiell lassen sich die Innendämmsysteme in zwei Kategorien einteilen: Die diffusionsoffenen und kapillar aktiven Systeme sowie die diffusionsbremsenden und nicht kapillar aktiven Systeme. Diffusionsoffene Innendämmsysteme können zwar im Sommer Feuchte aus dem Mauerwerk nach innen transportieren, also für eine gewisse Rücktrocknung nach innen sorgen. Jedoch wird im Winter auch entsprechend viel Raumluftfeuchte in die Wand transportiert und so der Wassergehalt der alten Putzschichten (Klebeschicht) erhöht. Aus dieser Überlegung wird deutlich, dass die Feuchtequelle Innenraumluft einer gewissen Begrenzung bedarf, damit der Klebemörtel sowie die alte Putzschicht funktionstüchtig und auch dann auf dem Untergrund haften bleiben, wenn Feuchte und Frost an den Poren und Bindemitteln „nagen“. Innendämmsysteme mit einer dampfbremsenden Wirkung weisen zwar ein geringeres sommerliches Trocknungspotential auf, jedoch wird im Gegenzug der Feuchteeintrag gerade in den Wintermonaten erheblich gebremst, sodass die alte Putzschicht trockener bleibt und es einer Rücktrocknung gar nicht erst bedarf.

Versuchsanordnung und Rahmenbedingungen

Im Versuch wurden drei diffusionsoffene Innen­wanddämmsysteme (Dämmdicke 100 mm) aus Mineralschaum, Holzfaser und Perlite, den dampfdichten Dämmpaneelen (VIP, 30 mm) und den weit verbreiteten diffusionsbremsen­den Polystyrol-Gips-Verbundplatten (Dämmdicke 100 mm) gegenübergestellt. Letztere wurden stellvertretend an der Rigitherm-Verbundplatte von Rigips mit diffusionsbremsender Wirkung und ohne Kapillarität untersucht. Die im Versuchsobjekt verwendete Platte wies eine Wärmeleitfähigkeit von l = 0,033 W/mK auf. Im Zuge einer Weiterentwick­lung des Systems konnte der Hersteller den Wert seit Durchführung der Studie noch einmal auf 0,032 W/mK verbessern. Aufgrund ihres eingestellten Diffusionswiderstandes (µ = 55) benötigt die Platte keine zusätzliche Dampfbremse. Bei der Montage wurden die Platten mit dem zementhaltigen Systemkleber Rifix ThermoPlus im Punkt-Wulst-Verfahren verlegt. Auf diese Weise wird die Innendämmung luftdicht an das Außenmauerwerk angeschlossen, sodass feuchte Raumluft die Dämmplatten nicht hinterströmen kann.

Temperatur- und Feuchtemessung

Die Sensoren zur Ermittlung der Außentemperatur- und Luftfeuchtewerte befinden sich auf der Nordseite des Objektes, im Innenraum sowie in einem kleinen Hohlraum der alten Putzschicht im Übergang zum Klebe­mörtel und Dämmstoff. Zusätzlich sind noch Temperatursensoren auf der Innen- und Außenseite der Gebäudeaußenwand befestigt. Für die Bewertung der Feuchteentwicklung im Wandquerschnitt wird die Porenluftfeuchte als „relative Luftfeuchte“ herangezogen.

Durch den Restwassergehalt des eingebrachten Anmachwassers des Zementmörtels registrierte der Sensor zunächst eine relativ hohe Feuchte. Die Austrocknung und der Feuchtetransport verliefen langsam, aber kontinuierlich. Der Grund hierfür lag im Wasserdampfdiffusionswiderstand des Dämmmaterials (sd-Wert circa 5,5 m). Bereits sechs Monate nach der Montage war hier die Putzschicht trockener als der praktische Feuchtegehalt nach Norm (80 % r. F.). Ein messbarer „Taupunkt“, also messbare Kondenswasserbildung, trat an dieser Stelle nicht auf.

Im zweiten Jahr fand zwar eine Auffeuchtung im Winter statt, die die relative Feuchte jedoch lediglich auf unkritische 80 % führte. Im Sommer wurde diese Feuchte wieder abgegeben und es stellte sich der gleiche Zustand wie zu Beginn der Betrachtung ein.

Durch diese ersten beiden Jahre wird deutlich, dass die Innendämmung mit Gips-Verbundplatten auch hohe Feuchtewerte verkraften kann und die Feuchte zuverlässig abgeführt wird.

Härtetest durch Raumluftfeuchte

Um sicherzugehen, dass die in den ersten beiden Jahren festgestellten Messwerte und das Austrocknungsverhalten nicht nur auf die niedrige relative Innenraumluftfeuchte im Winter von circa 35 % zurückzuführen war, entschieden sich die Forscher für eine zusätzliche Versuchsanordnung. Um herauszufinden, wie sich die Innendämmsysteme bei feuchterem Innenraumklima verhalten, wurden Anfang Dezember bis Ende Februar in der Messperiode 2009/2010 zusätzlich thermische Luftbefeuchter in den Räumen aufgestellt, um so die relative Raumluftfeuchte zeitweise auch auf etwa 45 % zu erhöhen. Dazu wurden in jedem Raum ungefähr 3 bis 4 l Wasser täglich verdunstet. Es fiel auf, dass der Messfühler in der Wand die erhöhte Luftfeuchte überhaupt erst nach Tagen registrierte. Ungeachtet der erhöhten Luftfeuchte im Raum ergab sich bei der Gips-Verbundplatte nur ein moderater Anstieg im Feuchteverlauf auf knapp 80 %. Der Grund liegt wiederum in dem eingestellten Diffusionswiderstand des Dämmstoffs. Insbesondere im direkten Vergleich zu den diffusionsoffenen Innendämmsystemen, bei denen es im Versuchszeitraum mit erhöhter Luftfeuchte zu Porenluftfeuchtewerten in der Wand von gut 90 % kam, zeigen sich hier Vorteile der dampfbremsenden Wirkung.

Kapillar aktiv = geringere Dämmwirkung?

Kapillar aktive Dämmungen sind mineralische Baustoffe mit einer höheren Rohdichte zuzüglich der Eigenschaft, dass diese Feuchtigkeit in ihren Poren und Kapillaren aufnehmen können. Diese Eigenschaft weist jedoch einen zusätzlichen Nachteil auf: Die Wärmleitfähigkeit ist höher, das heißt, die Dämmwirkung der Platten und damit die mögliche Energieeinsparung geringer. Deutlich wird dies im Temperaturverlauf im Bereich des Klebe­mörtels zwischen alter Wand und Dämmung. Je niedriger die Temperatur, desto besser die Dämmwirkung. Bei einem dort gemessenen Temperaturunterschied von ca. 1° C wird nachgewiesen, dass die Verbundplatte eine bis zu 16 % bessere Dämmwirkung hat als die diffusionsoffenen Dämmsysteme.

Genaue Berechnung gewährleistet

Die in der Versuchsanordnung über mehrere Jahre hinweg ermittelten Werte zeigen eine äußerst große Übereinstimmung mit den Ergebnissen von hygrothermischen Simulationsrechnun­gen. So ergibt eine rechnerische Analyse des Wärme- und Feuchtehaushalts dieser Konstruktionen vorab große Planungssicherheit. Diese Sicherheit kann in der Praxis mit dem leicht zu bedienenden Innendämmungs-Rechner von Rigips genutzt werden, der auf dem weit verbreiteten „WUFI“-Simulationsprogramm („Wärme und Feuchte instationär“) des Fraunhofer Institutes für Bauphysik (IBP) basiert.

Fazit

Sowohl die durchgeführten Messungen im e.u.[z.] als auch die Erfahrungen und Erkenntnisse der modernen Bauphysik bestätigen: Eine Innendämmung ist keine Risikokonstruktion! Die maßgebliche Erkenntnis der Messreihe ist, dass die Feuchtemess­stellen bereits im Frühling beginnen, auf normale Werte auszutrocknen, was für ein ausreichendes Trocknungspotenzial von dampfbremsenden EPS-Systemen spricht. Im Sommer kann demnach durch die Außenwand und Dämmung mit Gipsplatten mehr Wasser verdunsten als im Winter in die Konstruktion einwandert. Gleichzeitig wird auch eine erhöhte Raumluftfeuchte insbesondere durch den diffusionsbremsenden Dämmstoff „abgefangen“ und so ein weiterer Feuchteeintrag in das Mauerwerk weitestgehend verhindert. So wird das Risiko eines Feuchtegehaltanstiegs über die kritische Grenze hinaus zusätzlich reduziert. Nach Herstellerangaben und Verarbeitungsrichtlinien korrekt ausgeführte Innendämmsysteme bleiben dauerhaft schadensfrei und sind eine wertvolle Alternative zu Dämmmaßnahmen für die Gebäudehülle, die von außen nicht vorgenommen werden können.

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