Eng gefasster Solitär? Aktuelles aus der „Europacity“ in Berlin
Nachdem die Bodenpreise im Planungsgebiet Heidestraße Berlin leicht nachgegeben hatten, müssen sich Investoren nun mit ihren Entwürfen für Firmenzentralen oder Hotels beim Berliner Bausenat einer Art Sichtungskommission stellen. Ziel: Die architektonische Qualität soll im Planungsgebiet hoch gehalten werden.
Um aber ein Level halten zu können, muss eine Bezugsgröße her und die war schnell gefunden: der Tour Total in der Europacity, ein 2012 fertiggestelltes, 70 m hohes Hochhaus nach einem Entwurf von Barkow Leibinger, Berlin. Der betonweiße Turm mit seinen reliefartig gefalteten Fassadenbetonfertigteilen und dem vertikalen Knick stand lange Zeit als eine Art Vorposten im wüsten Bauland. Was aber möglich machte, dass wer am Hauptbahnhof ankam, den Turm je nach Sonnenstand mal als bieder solides Hochhaus anschaute, dann wieder als fast schon ephemer wirkendes Klischee einer Architekturtypologie, die sich an diesem Ort selbst feiert. Und das zu recht.
In einem Gespräch mit den Architekten (s. DBZ 11 | 2012) kündigten die schon den Podiumsbau an, der dem Solitär ein Gegenüber geben sollte und dem Viertel einen Platz. Auch war die Rede von Planungen anderer Kollegen, die dem damals noch Solitär seienden Turm den Auftritt am Hauptbahnhof/Eingang Europacity verderben könnten.
Grund genug, nun einmal nachzuschauen, wie denn die Baustelle Europacity in den letzten drei Jahren vorangekommen ist. Denn dass der Tour Total länger schon nicht mehr als strahlender Erster auf dem Baufeld wirkte, das hatten die letzten Ankünfte/Abfahrten vom Hauptbahnhof bereits gezeigt.
Beinahe fertiggestellt ist das „MONNET 4“ genannte Bürogebäude an der Jean-Monnet-Straße 4, direkt neben dem Tour Total. Anstelle dessen Betonfassadenteilen arbeiten hier Aluminium-Profile als Oberflächenbrecher. Formal aus der Fassadenstruktur des Gegenüber abgeleitet, wirken die senkrecht laufenden Stege ähnlich modulierend.
Nackt steht noch die Brandmauer gen Westen, an welcher Bauteile der Kollegen anschließen werden. Im Osten von MONNET 4 und dem Tour Total steht der Rohbau für die Firma „50Hertz“, ein Entwurf von Love architecture, Graz, für rund 600 MitarbeiterInnen. Vor dem Tour Total und seinem viergeschossigen Gegenüber aus gleicher Architektenhand steht schon ein 3-Sterne Hotel (Architekten: nps tchoban voss, Berlin. Innenarchitekten: Nadia Kayat Architects, Berlin). Das verdeckt nun endgültig die freie Sicht auf den Tour vom Bahnhof aus. Aber es hat eine große Dachterrasse hinter der Scheinfassade des Pseudodachgeschosses. Von dort aus sind wiederum Blicke möglich; schöne auch. Be. K.