Entspannter schauen

Macht es, mit Blick auf die schier unüberschaubare Flut von Publikationen zur Cheops-Pyramide, überhaupt noch Sinn, hier nachzulegen? Es macht Sinn, insbesondere dann, wenn man erkennt, dass 99 % der angesprochenen Arbeiten durchaus esotherischen Charakter haben. Also schauen wir dem Architektenautoren über die Schulter, der hier sehr systematisch – wie sollte er anders, wenn er sich nicht gleich verlieren wollte im Überfluss der Informationen – die Pyramide als Bauwerk (und eines der Sieben Weltwunder) zu verstehen versucht.

Die Abkopplung des Bauwerks von den Mächten des Universums zahlt sich aus, wenngleich die vom Pyramidenanfänger kritisch beurteilte Zahlenmystik, um die der Autor dann doch nicht herumkommen möchte, die Nüchternheit insgesamt leicht einschränkt. Doch wer kann sich dem Mythos schon entziehen, wenn er, wie hier geschehen, so tief einsteigt?

Vom Äußeren ins Innere, von der nicht mehr vorhandenen Umgebungsanlage bis in die bekannten Grabkammern, steinschichtenweise, sehr analytisch und immer wieder sich selbst fragend, wohin die Reise eigentlich geht, forscht der Architekt sehr konsequent und beinahe immer nachvollziehbar dem 4 500 Jahre alten Mythos Cheops-Pyramide nach.

Anschauliche Graphiken, Grundrisse, Schnitte, Details, Isometrien und Diagramme, wenige aktuelle Fotografien (davon haben wir schon genug gesehen) und immer wieder Zwischenstände und knapp formulierte Resumées halten uns Leser auf der Fährte. Und auch dem Zweifel, den Spekulationen und Theorien wird Raum eingeräumt, es gibt Kritiken an vorliegenden Forschungen und immer wieder überraschende Zahlen, deren ganze Wucht einen manchmal dann doch wieder ins Universum blicken lässt.

Ob die neue Theorie vom möglichen Steinetransport, von der ausgetüftelten Bautechnologie am Ende überzeugt, mag jeder selbst entscheiden, vielleicht ist sie nur eine der plausiblen mehr. Was die sehr dichte und hervorragend übersichtliche Publikation aber ganz sicher leistet, ist, dass wir einen ent-spannteren Blick auf eine Bauleistung gewinnen, die so schön wie – die Geometrie vor Augen – überraschend wenig einfach ist. Be. K.

In der Mitte der Pyramide. Detaillierte Gebäudeanalyse und Theorie zum Bau der Cheops-Pyramide. Bernhard Kerres, Cheops, edition esefeld & traub, Stuttgart 2018, 296 S., 415 sw- u. Farbabb.,
68 €, ISBN 978-3-9818128-1-7
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