Erste Schritte hin

Am Anfang war die Architektur noch mit der Natur im Austausch: Baumaterialien, Konstruktionen aber auch Baustrategien flossen aus
direkter Naturanschauung und der überlieferten Alltagserfahrung in die ersten Bauten ein. Irgendwann wollte der Mensch mehr, er brauchte Wahrzeichen oder Abzeichen seines Herrscherwahns; und baute entgegen der natürlichen Evolution. Und weil der Mensch zudem erfindungsreich ist, begann er, die Naturgesetze immer neu und auf immer raffinierte Weise zu umgehen. Was machbar ist, wird gemacht, was ökonomisch wäre, darüber wurde gelacht.

Aktuell jedoch ist wieder Ökonomie angesagt, auch mit Blick auf krachende Finanzverfassungen, besonders aber auch mit Blick auf Ressourcen. Denn die gehen zuende, jetzt wirklich. Also zurück zur Natur, von der wir so gerne immer wieder lernen; jetzt aber wirklich. Denn die hatte ja Zeit, auf Anpassungsdruck jahrtausendelang zu reagieren, sich zu entwickeln, wie sich eine lernfähige Software entwickelt: emotionslos effektiv.

Zeit also, Vergleiche zu ziehen. Welche Architekten heute mit welchen Mitteln aus der Natur ihre Konzepte, ihre Strategien abschauen. Die vorliegende Publikation macht das, in dem sie von der Darstellung natürlicher Strategien (Wachstum, Schutz, Versorgung etc.) auf aktuelle Projekte verweist. Wie Architektur auf Vorgebenes reagiert; in die Höhe wächst, sich dichtet, sich ins Wasser begibt, in den Boden, hier dem Licht folgt, dort dem Terrain. Das beschreibt die eine Seite. Die andere dezidiert die Homologien (im Gegensatz zu den gerade besprochenen Analogien), also Ähnlichkeiten im Formelhaften, Sturkturellen, also eher die dekorative Variante der analogen Naturinterpretation. Dass die Publikation diesem Bereich den kleineren Teil einräumt, ist erfreulich.

Ob das Gezeigte wirklich ernst meint mit dem Lernen von natürlichen Entwicklungs- und Konsolidierungsstrategien? Sicherlich nicht, die Architektur sähe anders aus. Man kann aber die Projekte dafür nehmen, was sie sein könnten: Schritte hin zu einem ökonomischeren Verhältnis zu unseren Ressourcen.


x

Thematisch passende Artikel:

Stadt:Mensch:Heimat

Kongress über die Zukunft unserer Städte am 25. Januar 2010, Bonn

Die Zukunft unserer Städte und die Herausforderungen, vor denen sie im neuen Jahrzehnt stehen – diesen Themen widmet sich der Kongress Stadt:Mensch:Heimat, den das Bauministerium im Rahmen der...

mehr
Ausgabe 05/2022

Lernen von China?

Exakt vor fünf Jahren hatte ich das Glück, Zhang Ke, Gründer von ZAO/standardarchitecture, im Rahmen einer Ausstellungseröffnung seiner Arbeiten im Bielefeld Kunstverein zu sprechen (DBZ...

mehr
Ausgabe 01/2012

Farben aus der Natur

Die „Coordinated Colours“ von Kaldewei antworten auf das Bedürfnis nach natürlicher Sinnlichkeit mit fünf neuen Farben aus der Natur. Duschwannen in belebenden Brauntönen wie Prairie Beige oder...

mehr
Ausgabe 05/2011

Weitreichender Blick

Begleitend zur großangelegten Retrospektive des Fotokünstlers Thomas Struth (geb. 1954) in Düsseldorf (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen) mit weiteren Stationen in London und Porto ist jetzt die...

mehr
Ausgabe 07-08/2023

Natur verbiegen fürs ganz Eigene

„Ein wachsendes, lebendes Haus, ein Gebäude aus einer Pflanze scheint ein Widerspruch in sich zu sein.“ So der Verlag in der Ankündigung des Buches und man möchte das „scheint“ durch ein...

mehr