Europan E16 Wettbewerb zu „Living Cities – Lebendige Städte“ ist entschieden
Das „verschenkt“ klingt provokant, meint aber nichts anderes, als dass mittels der Europan-Arbeiten teilnehmende Kommunen in die Lage versetzt werden, Problemzonen und vor allem stadträumliches Entwicklungspotential denjenigen zur Bearbeitung anzubieten, die noch ganz am Anfang stehen. Am Anfang einer Entwicklung, die in der Folge Professionalisierung bedeutet, also das Abwägenkönnen der Mittel, Sicherheitsdenken und Pragmatismus, der sich auf die Erfahrungen eines erfahrenen Berufsstands bezieht. Ob diese Erfahrungen aber nicht auch so mancher drängender Entwicklung entgegenstehen? Die Jungen schauen anders auf die Mittel beim Bauen und das einmal Gebaute und die gestalteten Siedlungsräume insgesamt begleiten die Jungen tatsächlich länger als die erfahreneren PlanerInnen.
Also können mit Europan Perspektiven aufgemacht werden, kann der Blick aus der Gegenwart in die Zukunft ein anderer, sicher aber zielführender sein. Kann. Überprüfen lässt sich die Qualität der teilnehmenden Arbeiten tatsächlich. Nicht wenige haben es in der Vergangenheit geschafft, in der Folge des Wettbewerbs auch realisiert zu werden. Auch das erstaunlich bei einem studentischen Ideenwettbewerb. Und nicht zuletzt generiert Europan auch eine ganze Menge an Vorschlägen, die Hinweise sein können, Anstöße, Initialzündung. Die schiere Teilnehmerzahl, die Internationalität, die Breite der Aufgaben (an den jeweiligen Standorten) bilden ein Spektrum europäischer Architektur- und Städtebauintelligenz ab, das von utopischen, verspielten auch ironischen Vorschlägen bis hin zum radikalen Pragmatismus reicht.
Insgesamt waren bei der 16. Auflage 2 148 TeilnehmerInnen in 1 102 Teams mit 677 eingereichten Projekten dabei. Die Projekte waren Arbeiten für 40 Orte in neun verschiedenen Ländern: drei Orte in Österreich, drei in Belgien, elf in Frankreich, fünf in Deutschland, in Italien zwei, in Norwegen vier, in Spanien sieben, in Schweden drei und in der Schweiz zwei Orte, die Aufgaben für die Wettbewerbsteams zur Verfügung gestellt haben. Die größtenteils multidisziplinären Gewinnerteams – 127 insgesamt, GewinnerInnen, Anerkennungen und lobende Erwähnungen – kommen aus 17 unterschiedlichen Ländern – 70 davon gewannen in ihrem eigenen Land. 126 TeilnehmerInnen aus 18 Ländern reichten Arbeiten für die fünf deutschen Standorte ein. Hier vergab die internationale Jury sechs erste Preise, drei Anerkennungen und zwei Lobende Erwähnungen. Gewinnerteams kommen aus Spanien, Italien, den Niederlanden und Deutschland. Die fünf deutschen Orte aus drei Bundesländern sind Ettlingen, Landshut, Schwäbisch Gmünd, Selb und Wernigerode. Das breite Aufgabenspektrum reichte von strategischen Entwicklungsplänen für neue Quartiere (Schwäbisch Gmünd und in Ettlingen) bis hin zu konkreten architektonischen Realisierungsoptionen (Selb und Wernigerode). In Landshut wurde als Beitrag zum Diskurs im Umgang mit historisch bedeutsamen und denkmalgeschützten Bauten ein neues Nutzungskonzept für die ehemalige JVA-Landshut gesucht.
Übergeordnet zu den ortsspezifischen Themenstellungen stand die Frage nach dem sozialen Miteinander und der nachhaltigen Stadtentwicklung der Zukunft.
Die 126 TeilnehmerIinnen beantworteten diese Fragen auf vielfältige Art und Weise – beispielsweise mit nachhaltigen Baumaterialien wie Holz oder Recycling-Werkstoffen. Sie präsentierten detaillierte Konzepte zum sorgsamen Erhalt und Weiterbau des Bestands, zum Aufbau von Kreislaufsystemen, insbesondere Wasserkreisläufen, zur Entwicklung großflächiger, strategisch eingesetzter Grünraumstrukturen zur Beeinflussung des Mikro-Klimas und zur Erhöhung der Biodiversität. Weitere Stichworte sind dezentrale Energiekonzepte mit Geothermie bis zu integrierten Photovoltaik-Anlagen, vor-Ort-Lebensmittelproduktionen in Aquafarmen, Gewächshäusern, urbane Landwirtschaft und urban Gardening. Auch nachhaltige Mobilität wurde betrachtet und vorgeschlagen; hier wären zu nennen eine stärkere Flächengerechtigkeit oder auch autofreie/autoarme Quartiere.
Auffällig war bei diesem Wettbewerb, dass in vielen Lösungsvorschlägen nicht allein technische Lösungen herangezogen wurden, sondern die Themen Nachhaltigkeit und Resilienz in Zentrum des Entwurfs standen und als genuine Gestaltungsaufgabe gesehen wurden. Ebenfalls bedeutsam waren die Themen Inklusion und Integration sowie das soziale Miteinander insgesamt.
Fast allen Projekten zu eigen ist ein prozesshafter Entwicklungsansatz, der die zukünftigen NutzerInnen und lokalen EntscheiderInnen frühzeitig in den Planungsprozess einbezieht – durch ganz unterschiedliche Partizipationsformate.
Die nationale Preisverleihung wird im Frühjahr, wie zuletzt schon im DAZ in Berlin, stattfinden. Das europäische Intersessionsforum im November 2022 markiert das Ende des Verfahrens und zugleich den Startschuss für Europan 17, den nicht nur die Jungen rechtzeitig hören sollten, sondern vor allem deutlich mehr als die nur fünf Kommunen von vielen Tausend in diesem Land! Be. K.