Plusenergie im BestandSanierung in Neu-Ulm
In einem Pilotvorhaben des BMUB sind in Neu-Ulm zwei Wohnzeilen aus den 1930er-Jahren saniert worden. Die fertiggestellten Projekte demonstrieren, dass der Standard Effizienzhaus Plus selbst unter den schwierigsten Randbedingungen durchführbar ist.
Das Ziel war hoch gesteckt: Zwei Wohnzeilen sollten beispielhaft so saniert werden, dass sie in Zukunft ihre Verbrauchsenergie selbst produzieren und sogar mehr noch, einen deutlichen Überschuss erwirtschaften können. Ausgelobt worden war der Wettbewerb 2012 vom Bundesbauministerium. Die NUWOG (Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Neu-Ulm) stellte dafür zwei Wohnzeilen im Stadtteil Offenhausen zur Verfügung. Die Planung und Durchführung übernahmen zwei interdisziplinäre Teams von Architekten und Ingenieuren: in der Pfuhler Straße 12-14 das Team um o5 architekten (lesen Sie dazu unseren Bericht in DBZ 1|2016), für das Nachbargebäude Pfuhler Straße 4–6 zeichnete Werner Sobek verantwortlich.
Die Bestandsaufnahme brachte die ersten Überraschungen zu Tage: Beide Gebäude wiesen eine wesentlich schlechtere Bausubstanz auf als zunächst angenommen. Zudem wurde der Kostenrahmen auf die Baukosten für einen geförderten EnEV-Neubau gedeckelt. Dies und die Forderung der Bauherrin nach Einzelvergabe erschwerte die Umsetzung der anspruchsvollen Zielsetzung erheblich. Marc Gabriel, Projektleiter bei Werner Sobek: „Bei unseren früheren Effizienzhaus-Projekten haben wir uns frühzeitig mit der Industrie zusammengesetzt und die Umsetzung geplant. Durch die Einzelvergabe ging das hier einfach nicht. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Projektpartner durch das Monitoring haben zusätzlich die Komplexität erhöht.“
Letzteres fiel schon allein deshalb ins Gewicht, weil Sobeks Leit-idee eine energetische Sanierung mit additiven Konstruktionen in einem hohen Vorfertigungsgrad vorsah. „Wir benötigen einen höheren Vorfertigungsgrad und höhere Stückzahlen ebenso wie den gezielten Einsatz von spezialisierten Bauunternehmen, um baulich schneller und preislich attraktiver zu werden,“ erläutert Werner Sobek seine Überlegungen, denn das Langzeitziel müsse die Senkung der Sanierungskosten selbst sein. „Letztlich ist das Projekt in Neu-Ulm eine prototypische Anwendung,“ sagt Sobek, aber „eine Sanierung im Effizienzhaus Plus Standard ist sicher dort am vielversprechendsten, wo eine relativ gute Bausubstanz vorhanden ist, die den Einsatz vorgefertigter Systeme ermöglicht.“
Schritt 1: Energieverluste reduzieren
In der Pfuhler Straße 4–8 wurde ein hochwärmedämmendes Fassadensystem in Holzbauweise zusammen mit allen erforderlichen Leitungskomponenten auf die bestehende Außenwand montiert. Das war schon allein deshalb sinnvoll, weil durch die geringen Geschosshöhen keine Möglichkeit bestand, die geplanten Lüftungsleitungen in einer abgehängten Decke unterzubringen. Also entschied man sich, die vertikalen Lüftungsleitungen in der Außenwand hoch- und in den Geschossebenen in das Gebäude einzuführen. Allerdings ergaben sich aus der Integration der Haustechnik in die Fassade neue Probleme hinsichtlich Luftdichtigkeit und Vorfertigung. Denn durch die vielen Durchführungen entstand die Notwendigkeit einer Revisionierbarkeit in der Fassade, um Undichtigkeiten zu korrigieren und Wartungen durchführen zu können. Auch wegen der großen Maßtoleranzen – Wände, Böden und Decken des Altbaus hatten Toleranzen von +- 5 cm – konnte die angedachte Fassadenkonstruktion nicht, wie eigentlich geplant, komplett vorgefertigt und über die abgedichtete Bestandsfassade „gestülpt“ werden. Zu guter Letzt stellte sich auch noch der ursprüngliche Plan, die neue, zweite Fassadenebene auf Konsolen am Fußpunkt der Fassade zu lagern, als undurchführbar heraus, weil das Bestandsmauerwerk im Sockelbereich dafür gar nicht genügend Festigkeit aufwies. In der Konsequenz wurde die vorgesetzte Dämmschale von einem Zimmermann erstellt und auf einem Setzbalken mit mehreren Befestigungspunkten abgestützt. Nachdem alle Öffnungen abgedichtet waren, wurde ein Blower-Door-Test durchgeführt und zuletzt die Fassadenebene geschlossen.
Der alte Dachstuhl dagegen wurde komplett abgetragen. Die neuen, vorgefertigten Dachelemente bestehen wie die Vorwandkonstruktion an den Außenwänden aus Stegträgern mit zwischenliegender Dämmschicht, unterseitiger Luftdichtheitsebene und einer Gipskartonbekleidung mit Installationsebene. Sie wurden auf einen bauseits neu aufgemauerten Drempel gesetzt. In dem Kniestock können einerseits die vertikalen Leitungen aus der Fassade eingeführt werden. Andererseits wird so eine Raumhöhe erreicht, die zusätzlichen Wohnraum ermöglicht. Auf diese Weise entstanden in den Dachgeschossen zwei neue Wohnungen. Das Außenmauerwerk im Kellerbereich wurde gegen das Erdreich abgedichtet und mit einer innenseitigen, diffusionsoffenen Vorsatzschale geschützt. Die Kellerdecke erhielt eine unterseitige Dämmebene. Die neue Gebäudehülle erreicht einen U-Wert von 0,1.
Schritt 2: Energiegewinne optimieren
Nach der erfolgreichen Minimierung der Energieverluste durch die hochwärmegedämmte Außenhülle sah das Energiekonzept im zweiten Schritt die Maximierung der solaren Energiegewinne vor. Die neuen bodentiefen Fenster mit 3-fach-Verglasung ermöglichen mehr passive solare Energiegewinne, für die aktive Energieproduktion sorgen 214 m² monokristalline PV-Module auf dem Dach, für die ein Energieüberschuss von 8 000 kWh/a errechnet wurde. Durch den geringen Heizbedarf war eine geothermische Brunnenanlage in Verbindung mit einer Wärmepumpe ausreichend. Für die Effizienz der Trinkwarmwasserbereitung stehen zwei Pufferspeichersysteme mit unterschiedlichen Temperaturniveaus zur Verfügung.
Schritt 3: Energiegewinne sinnvoll nutzen
Im dritten Schritt sorgt ein selbstlernendes Energiemanagementsystem für eine optimale Nutzung der am Gebäude gewonnenen Energie. Mit dem Energiemanagement werden die Mieter in die Lage versetzt, die haustechnischen Anlagen zu steuern und ihren Bedarf selbstständig zu regeln.
Fazit
Das im Mai gestartete Monitoring wird zu besseren Einschätzungen führen, hofft Gabriel: „Was braucht man wirklich, ist so viel Dämmung nötig, braucht man luftdichte Gebäude und vor allem: über-treiben die technischen Richtlinien, übertreibt die EnEV?“ Das Monitoring wird dann auch die Frage klären, ob der Kostenaufwand im richtigen Verhältnis zu den Einsparungen steht. ISch
Messungen/Auswertungen: RWTH Aachen
60 mm Holzfaserputzträgerplatte Steico Protect, 35–40 cm Mineralwolledämmung WLG 035 zwischen FJI Trägern, Feinspachtel, 20 mm Bestandszementputz, 30 cm Bestandswand Lochziegel, ca. 25–30 mm Gipsputz
Dach: PV-Module hinterlüftet auf Unterkonstruktion, Dachabdichtungsbahn, OSB-Platte 25 mm, Hinterlüftung, DWD 16 mm, 40 cm Mineralwolledämmung WLG 045 zwischen FJI Trägern, OSB-Platte, Konterlattung, Gipskartonplatte
Decke über Keller: 22 cm Mineralwolledämmung WLG 035
Fenster: 3-fach-Verglasung
U-Wert Dach = 0,10 W/(m²K)
U-Wert Kellerdecke = 0,16 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 0,71 W/(m²K
Ug-Wert Verglasung = bis 0,6 W/(m²K)
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,50 W/(m²K)
U-Wert Tür = 0,62 W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = 0,5 1/h
Mineralwolledämmung: Ursa Deutschland GmbH, www.ursa.de
Dachfolie: FDT Flachdachtechnologie GmbH & Co. KG, www.fdt.de
Holzfaserdämmplatten: Glunz AG, www.agepan.de
Fenster: Schüco International KG, www.schueco.com
Dachflächenfenster: Velux Deutschland GmbH, www.velux.com
Abdichtungen: SIGA Cover AG, www.siga.ch
Türen: Hörmann Vertriebsgesellschaft, www.hoermann.de; Variotec GmbH & Co. KG, www.variotec.de; Jeld-Wen Deutschland GmbH & Co. KG, www.jeld-wen.de