Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz,
Hamburg
Nahe dem Hamburger Dammtorbahnhof steht ein Gedenkort, dessen lichtdurchflutete Botschaft bis auf die in unmittelbarer Nachbarschaft stehenden Denkmäler fällt.
Im Spannungsfeld zwischen dem „Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment 76“, das 1936 vom Bildhauer Richard Kuöhl geschaffen wurde und dem mehrteiligen Denkmal von Alfred Hrdlicka, das 1983-85 entstand, befindet sich heute der Gedenkort für Deserteure, der von dem Bildhauer Volker Lang entworfen wurde.
Nach intensiven Diskussionen unter Beteiligung von Opferverbänden, von Wissenschaft und Fachöffentlichkeit sowie dem Bündnis für ein Hamburger Deserteursdenkmal beschloss die Hamburger Bürgerschaft einstimmig den Bau eines weiteren Denkmals am Stephansplatz. Es wurde ein Wettbewerb ausgelobt, zu dem 14 Künstler eingeladen waren.
Aus dem anonymisierten Verfahren ging schließlich der Entwurf von Volker Lang hervor, der zwischen dem so genannten Kriegsklotz von Richard Kuöhl und dem unvollendeten Gegendenkmal von Alfred Hrdlicka vermitteln sollte.
Dieser Entwurf steht auf der Grundfläche eines gleichschenkligen Dreiecks, das von einer gefalteten Betonwand und zwei aus Texten gebildeten Seiten, die in Bronze ausgeführt sind, hergestellt wird. Diese beiden licht- und luftdurchlässigen Bronzegitter enthalten Zitate aus dem Buch „Deutschland 44“ von Helmut Heißenbüttel, in dem er Textfragmente zum Kriegsgeschehen der Zeit notierte. Eine der Bronze-Seiten ist von außen, die andere von innen lesbar.
Der Gedenkort ist begehbar. Besucher können hier die in die Betonwand eingeprägten allgemeinen historischen Informationen zu den Deserteuren lesen und gleichzeitig auch über den in der Wand eingelassenen Lautsprecher per Knopfdruck Namen, Hinrichtungsorte und -daten akustisch abrufen.
Planung von Licht und Schatten
Nachdem Volker Lang den Wettbewerb gewonnen hatte, wandte er sich an Ulrike Brandi, um dem Gedenkort auch bei Nacht durch Licht eine Präsenz am Stephansplatz zu geben. Hier waren insbesondere die Gitter mit den Texten sehr wichtig. Dazu Ulrike Brandi: „Der Planungsprozess zwischen einem Bildhauer und einer Lichtplanerin ist spannend, gerade in diesem Projekt ist der Schatten vielleicht noch wichtiger als das Licht. Wir hatten das Glück, dass Volker Lang sehr schöne Modelle in verschiedenen Maßstäben fertigte und wir diese benutzen konnten, um Licht- und Schatteneffekte auf dem filigranen Denkmal zu studieren.“
Das Ergebnis des Planungsprozesses ist, dass sich die beleuchteten Texte nicht nur als Schatten auf der gefalteten Betonwand des Gedenkorts ablesen lassen, ein Teil der Textschatten fällt auch auf das benachbarte Denkmal von Kuöhl und wirkt damit wie ein Kommentar.
Um optimale Schattenwürfe zu erzeugen, montierten die Lichtplaner die LED-Leuchten am Boden, wo sie in Metallgehäuse eingebaut sind, um Zerstörungen zu vermeiden. Das Licht, und damit auch der Schatten, kommt aus verschiedenen Richtungen, überlagert sich oder wechselt sich ab. Auch in seiner Intensität ist das Licht durch eine Dimmabfolge moduliert, so dass immer neue Eindrücke entstehen können. Der Besucher, der sich in den Innenraum begibt, wirft damit auch wechselnde, wandernde Schatten auf der Betonwand und macht ihn damit zu einem eigenständigen Element innerhalb der Installation. BBe
Baudaten
Künstler: Volker Lang, Hamburg
Lichtplaner: Ulrike Brandi Licht, Hamburg, www.ulrike-brandi.de
Fertigstellung: November 2015
Leuchtmittel: LED
Farbtemperatur: 3 000 K
Hersteller
Bodenaufbauleuchten: Willi Meyer & Sohn GmbH & Co. KG,
www.meyer-lighting.com
Bodeneinbauleuchten: Erco GmbH, www.erco.com