Heizen mit der CloudWohnhaus in Dresden-Plauen
Wenn ein Informatiker über die Temperierung seines Passivhauses nachdenkt, kann man ungewöhnliche Lösungen erwarten. Der von Reiter Architekten geplante Neubau in Dresden wird mit der Abwärme von Servern beheizt.
Das Wohnhaus liegt inmitten einer kleinen Neubausiedlung in unmittelbarer Nähe zu den Gebäuden der Technischen Universität Dresden. Das Baugebiet ist durch
seine Hanglage geprägt, die einen freien Blick auf noch unbebaute Grünflächen und das Max-Planck-Institut gewährt. Nach Osten ist das Gebiet durch eine 2-spurige Straße mit Stadtbahntrasse begrenzt, Richtung Westen schließt die Siedlung an ein Wohngebiet mit mehrgeschossigen Wohnhäusern und Villen aus der Gründer-
zeit an.
Das zu bebauende Grundstück liegt mittendrin und fällt nach Osten hin stark ab. Diese topographische Besonderheit nahmen die Architekten auf und schufen ein 3-geschossiges Gebäude mit 259 m² Wohnfläche, das von zwei Ebenen aus erschlossen wird. Das aus kubischen Elementen zusammengesetzte Haus erinnert mit seinen klaren weißen Formen und der Dachreling an den Stil der Meisterhäuser der Bauhaus-Architekten. Die Öffnungen folgen den Anforderungen und Funktionen der Innenräume und sind als unterschiedlich lange und breite Fensterbänder teilweise um die Gebäudeecke herum konstruiert.
Das Erdgeschoss öffnet sich nach Süden und Westen mit einer raumhohen Fensterfront zum Garten und zur Terrasse auf dem Garagendach. Wohn- und Essbereich gehen fließend ineinander über. Die offene Küchenzone wird zusätzlich durch ein schmales Fensterband direkt über der Küchenzeile natürlich belichtet. Eine Treppe an der Nordseite erschließt Ober- und Untergeschoss. Das Staffelgeschoss beherbergt auf der obersten Ebene Bibliothek und Elternschlafzimmer mit einer offenen Badelandschaft. Ein umlaufender Dachbalkon und breite Großflächenfenster zollen der Aussicht Tribut und sorgen für viel Tageslicht.
Der Ostteil des Erdgeschosses beherbergt ein Kinderzimmer mit Bad, zwei weitere befinden sich direkt darunter im Untergeschoss mit Blick in den großen Vorgarten. Die hinteren Räume (Gästezimmer und Hobbyraum) im Untergeschoss liegen aufgrund der Hanglage im Souterrain und werden über schmale Fensterschlitze in Kopfhöhe belichtet. Der Treppenturm im Norden des Hauses wird von einer eindrucksvollen Treppenskulptur aus Holz und Stahl dominiert. Er ist über die gesamte Raumhöhe geöffnet und wird von einem schmalen senkrechten Fensterschlitz belichtet.
Das Haus wurde im Passivhausstandard errichtet und mit einem Blower-Door-Test auf Luftdichtigkeit getestet. Die Wände aus einer 24 cm starken KS-Mauerwerkswand wurden mit einer 30 cm dicken EPS Dämmung eingepackt, der mineralische Außenputz mit einem weißen Anstrich versehen. Die passivhaustauglichen Holz-Alu-Fens-ter wurden hinter der Dämmebene ohne Wärmebrücken verbaut. Durch die großen Südfenster kann in den meisten Wochen des Jahres mit angenehmen Wärmeeinträgen gerechnet werden. Für den Sommer wurden außenliegende Raffstores eingebaut, die für eine ausreichende Verschattung sorgen.
Für die Wärmegewinnung des geringen Heizwärmebedarfs, der gemäß der Passivhausbau-Regularien 15 kWh/m² a nicht übersteigt, wurde eine außergewöhnliche Lösung gefunden. Der Bauherr lehrt Informatik an der TU Dresden und hat dort zusammen mit seinem Kollegen Dr. Jens Struckmeier ein Konzept entwickelt, das Passivhäuser mit dezentral aufgestellten Servern beheizt. Dafür wurde extra eine spezielle Gehäuseeinheit entwickelt, die die Sicherheitsanforderungen für die Aufstellung der Server hinsichtlich Brandschutz und Zugriffskontrolle erfüllt. Dieses Gehäuse wird anstelle einer
konventionellen Heizungsanlage in die Heizungstechnik des Passivhauses integriert. Über einen Schichtenspeicher wird die Abwärme an einen Pufferspeicher abgegeben und von dort bedarfsgerecht
im Gebäude verteilt. Die Einbindung erfolgt dabei energetisch optimiert ohne Leitungsverluste und ohne jede zusätzliche Verwendung von Wärmepumpen oder anderer technischer Hilfsenergiesysteme.
Inga Schaefer, Bielefeld
2011 verbrauchten Rechenzentren weltweit mit 7,8 TWh fast soviel wie die Leistung von vier Kohlekraftwerken. Die benötigte Energie wird von den Servern in Wärme umgewandelt, führt zu erheblichen Kühllasten und schlägt in der CO2-Bilanz negativ zu Buche. Die Idee, Server dezentral zu platzieren und ihre Abwärme zur Heizung von Passivhäusern zu nutzen, ist so einfach wie einleuchtend.
Durch das „Heizen mit der Cloud“ kann der Energieaufwand für den Betrieb moderner Cloud-Rechenzentren reduziert und gleichzeitig das Abfallprodukt Serverabwärme für die Gewinnung von Heizungs- und Warmwasserenergie direkt vor Ort genutzt werden.
Die Server werden anstelle eines Heizkessels in einer speziell konfektionierten Gehäuseeinheit aufgestellt, die die Sicherheitsfunktionalitäten der Rechenzentren hinsichtlich Brandschutz und Zugriffsschutz übernimmt. Die dezentral auf viele Einzelhaushalte verteilten Serverrechner werden via Internet zu einem virtuellen Rechenzentrum zusammengefasst.
Die Wärmegewinnung erfolgt über einen Wasser- und einen Luftkreislauf. Die Prozessoren werden mit einer Hochtemperaturwasserkühlung gekühlt, die Wärmeenergie an einen Schichtenspeicher abgegeben. Über das Puffersystem kann die Wärme nach Bedarf im Gebäude verteilt werden.
Neben dem Wasserkreislauf sorgt das Luftkreislauf für die Kühlung von Rechnerkomponenten. Die Luft wird über die Lüftungsanlage angesaugt und erwärmt sich in der Serveranlage auf 30 bis 35 °C. Über Wärmerückgewinnung wird im Winter die Zuluft der Lüftungsanlage mit der herausgefilterten Wärmeenergie temperiert. Wegen ihres geringen Heizwärmebedarfs eignen sich Passivhäuser für das System am besten.
Informationen unter: www.aoterra.de
Bodenplatte: 25 cm Bodenplatte Stb., 16 cm EPS 40 Deo, WLG 040
Flachdach: 20 cm Filigrandeckenplatte Stb., 30 cm EPS 035, WLG 035, im Gefälle verlegt und verklebt
U-Wert Bodenplatte = 0,111 W/m²K U-Wert Dach = 0,134 W/m²K Uw-Wert Fenster = 0,780 W/m²K
Ug-Wert Verglasung = 0,600 W/m²K
Luftwechselrate n50 = 0,570/h