Hier steh‘ ich nun (und kann nicht anders). Bauhaus Museum, Weimar

In Berlin geht alles langsamer. Gerade erhielt die Redaktion eine Einladung zum Spatenstich anlässlich des Baubeginns zur „Sanierung und Erweiterung des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung“ an der Klingelhöferstraße 14 (Staab Architekten), da meldet Dessau den Eröffnungstermin für das dortige Bauhaus Museum am 8. September 2019 (addenda architects (González Hinz Zabala), Architekturkollektiv aus Barcelona). Bereits im April eröffnete in Weimar sein Bauhaus-Museum. Damit scheint zumindest die Chronologie der Bauhausschule abgebildet: In Weimar gestartet, in Dessau aufgeblüht, in Berlin geendet.

So werden also zwei der drei geplanten Museum im Jubeljahr „100 Jahre Bauhaus“ fertig und können und müssen unter Beweis stellen, dass die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt wurden. Aber welche Erwartungen waren das eigentlich? Natürlich und in erster Linie die Erwartung, man werde die Preise halten: Budgettreue. Die wurde in Weimar verfehlt, statt einmal 22,6 Mio. € wurden es rund 27 Mio. €. Aber auch und vor allem die Erwartung: Bauhaus. Wie das aussieht? Was wer darunter verstehen mag? Die Architektin des Neubaus in Weimar, Heike Hanada, äußert sich zur Bauhaus-Thematik im Entwurf eigentlich nicht. Wichtiger ist ihr das Umfeld, in dem ihr Neubau nun steht, sowie die Museums- und damit die Präsentationsräume im Inneren. Und die ganze Architektur sowieso.

„Wie ein Luftschutzbunker“ schrieb ein Kollege in der WELT, „ein Mausoleum der Moderne“ ist ihm der Neubau. Doch er klärt weder, was ihm ein Mausoleum ist, noch – und das ist wesentlicher – was er unter „Moderne“ versteht. Denn eigentümlicherweise ist diese Assoziationskette eine unzerreißbare – auch nach zahllosen Symposien und Publikationen über das Bauhaus anlässlich seines Jubiläums. Das Bauhaus sei der Gipfel der Moderne! Ja. Und: Nein. Oder: Kommt ganz darauf an.

Bis jetzt gibt es wenige Fotos vom Neubau, die ihn in seinem Kontext zeigen, die Umfeldarbeiten sind noch immer nicht abgeschlossen. Kommt das Wasserbecken vor dem von der Süddeutschen Zeitung geschimpften „Sarkophag“? Wird alles mit Rollrasen grün gemacht oder darf Wildwuchs fürs Einwachsen des Betonquaders sorgen?

Der Beton, der Quader, das Kompakte. Ursprünglich sollte das Volumen durch eine Glasfassade bekleidet (verkleidet?) werden, Fensteröffnungen dahinter. Monolitisch sollte der Bau wirken, monumental auftreten dem Monumentalen (Monotonen) der NS-Architektur des Gauforums gegenüber. Die Glasfassade fiel zwischenzeitlich der Kostenentwicklung zum Opfer, die Architektin entschied sich für Sichtbeton mit horizontalen LED-Bändern: bläuliches Licht. Die Lichtbänder wirken bei Dunkelheit, tagsüber wirkt der Beton und der ihn wie eine Girlande umlaufende Schriftzug: bauhaus museum. Ist das alles zusammen aber schon Bauhaus? Oder einfach nur ein Ort, Bauhaus zur Geltung zu bringen über die Ausstellung ausgewählter Bauhaus-Artefakte?

Wir fuhren hin. Das Wasserbecken war keins, die flachen Wände entpuppten sich als Sitzbänke, die einen Platz fassen sollen. Der Asphalt war noch nicht abschließend aufgebracht, von Rollrasen keine Spur. Absperrbaken fädelten die zahlreichen BesucherInnen zum Spalier. Zwei ältere Frauen mühten sich durch die Drehtür am Eingang, der als Ausgang zum Gauforum weist. Hier hätten sie sich mehr „Funk­tionalismus“ gewünscht, also leichter zu bedienende Elemente. Eben mehr Bauhaus. Und auch das Grau des Betons hätten sie gerne weiß gestrichen gesehen. Immerhin, der Bau hat kein Satteldach. Und kaum Ornament. Dafür fehlt ihm innen Licht. Tageslicht. Es fehlt Klarheit auf den Grundrissen, die vom Industriecharme einer Rippendecke gedeckt werden (Bauhaus?). Ausblicke? Ein paar, keine direkt und konfrontativ zu den Nazibauten gegenüber, die Hauptrichtung der von „innen gedachten“ (Architektin) Fenster ist das Grün des anliegenden Parks und seiner Ränder. Das Café liegt auch nicht am städtischen Platz, es liegt – vom Untergeschoss aus zugänglich – am Parkrand. Geschützte Idylle. Bauhaus?

Mit der Ausstellungsarchitektur hat die Architektin nichts zu tun, ebenso nicht mit der Oberfläche des glänzenden Estrichs. Die Liste der Dinge, die sie gerne gemacht hätte, aber nicht machen konnte ist lang. Es gibt ein paar Details, z. B. Einlässe in der Wand, die dem auf der aufschwingenden Tür sitzenden Drücker dort Raum geben. Es gibt die sämtliche Geschosse verbindende Kaskadentreppe hinter der Nordnordostfassade, die über Podeste auf jeder Etage von oben nach unten in einem Lauf den Rundgang beschließt; in ihrer Mitte ein Fenster auf die Wohnbebauung und Teile des Gauforums. Es gibt weitreichende, auch geschossequerende Durchblicke, die dann irritieren, wenn sie im Tageslicht enden, das von ganz weit her zu kommen scheint (Foyerausblick zum Cafè).

Der Betonbau ist schließlich, was er ist. Und was man ihm ansieht. Seine Geschlossenheit wird innen konsequent erlebt, der Tageslichtmangel ist auch den Exponaten geschuldet. Das Suchen nach dem Weiter in der Ausstellung ergibt die Entdeckung des sonst Übersehenen. Die Konzentration auf das Ausgestellte macht das aus der letzten Tür einbrechende Tageslicht zum Magneten vor dem letzten langen Abstieg. Bauhaus? Die Architektur des Museumsbaus gibt hier kein Echo. Muss sie auch nicht, der Echoraum liegt zwischen dem Neuen und dem mächtigen Bestand gegenüber. Vom Park aus gesehen hebt sich der Betonquader wie ein Ausrufungszeichen: Hier stehe ich und kann nicht anders. Klassikstadt Weimar 2019. Durchaus Klasse! Be. K.

www.klassik-stiftung.de, www.heikehanada.de
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