HOAI, Teil 3
Im dritten und abschließenden Teil unserer SERIE zum Thema HOAI richten wir den Blick ins europäischen Nachbarausland. Wir fragten Herzig Spiegl von AllesWirdGut, Wien, und André Kempe mit Olvier Thill von ATELIER KEMPE THILL, Rotterdam, was ihnen aus HOAI-befreiter Architektensicht zur HOAI alles einfällt. In der kommenden Serie gehen wir der Frage nach, was man rechtzeitig machen sollte, wenn die Büronachfolge geregelt sein will?
Streng nach der Definition eines „freien Marktes“ ja. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Planen und Bauen verantwortungsvolle Aufgaben sind, deren Ergebnisse für uns als Gesellschaft von hoher Relevanz sind. Eine Honorarordnung zu kritisieren, welche über die Regelung von Mindesthonoraren allen Bewerbern das notwendige niveauvolle Arbeiten ermöglicht und somit nachhaltig gebaute Qualität sichert, halte ich daher nicht nur für falsch sondern auch für verantwortungslos.
Richtiger wäre es, den Wettbewerb am „freien Marktplatz der Ideen“ zu fördern und sich nicht den Gefahren eines Billigstbieter-systems auszusetzen.
In Österreich gibt es die sogenannten „Leistungs- und Vergütungsmodelle 2014“ (LM.VM 2014), deren Inhalte mit der HOAI vergleichbar sind. Allerdings stellen weder diese Modelle noch deren Vorgänger (HOA 2002 – Honorarordnung für Architekten) eine verbindliche Regelung des Preisrechts dar. Die Argumente hierfür leiten sich wohl, ähnlich wie aktuell die seitens der EU-Kommission, aus der Überzeugung einer immer richtigen freien Marktwirtschaft ab.
Sowohl Auftraggeber als auch Planer nutzen die oben genannten Vergütungsmodelle als Basis einer Honorarverhandlung. Verhandelt wird wie überall auf der Welt – mit Geschick, List und Argumenten. Während die Bauherrn meist professionelle Verhandler ins Rennen schicken übernehmen viele Architekten diese Aufgaben oft selbst – nicht immer zu ihrem Vorteil.
Ein angemessenes Honorar zu erzielen, ist im Zuge einer freien Verhandlung vor allem deswegen schwierig, weil unter anderem über Qualitäten einer Sache verhandelt wird, die es noch nicht gibt.
Es gibt immer öfter sogenannte „Verhandlungsverfahren“, deren Zuschlagskriterien sehr stark vom Faktor Planungshonorar dominiert werden. Hier kommt es immer wieder zu Honorarangeboten, die schier unmöglich scheinen und nur auf Kosten von Ergebnis, Auftragnehmer und Auftraggeberzufriedenheit eingehalten werden können.
Der Architekturwettbewerb ist weiterhin für alle Beteiligten ein wichtiges Instrument. Während Honorarentscheidungen vielfach nur zu wiederholten Effizienzsteigerungen führen, ermöglicht der Wettbewerb die für uns alle so notwendige Innovation. Und das unabhängig von Bürogrößen.
Wir stützen uns sehr stark auf unser internes Projekt-Controlling. Die Analysen von abgeschlossenen und laufenden Projekten liefern uns unter anderem nachweisbare Argumente für Verhandlungen mit dem Bauherrn. Zudem schützen uns diese Erkenntnisse vor der viel-
zitierten Selbstausbeutung.
Könnten wir! Tun wir aber nicht. Wir überzeugen lieber mit Qualität. Letzten Endes profitiert auch unsere Arbeit von einem fairen Honorar. Manche deutsche Auftraggeber sahen dies naturgemäß anders und forderten entsprechend unserer östereichischen Herkunft sofort Nachlässe jenseits der HOAI.
Wie gesagt, in unserem österreichischen Alltag arbeiten wir ohnehin sehr nah an die HOAI angelehnt. Für unser Arbeiten ist die HOAI ein faires und daher richtiges Instrument zur Honorarermittlung! Wir sind absolut pro HOAI!
Mir sind derzeit keine solchen Bemühungen bekannt. Da ich beide Modell kenne, kann ich aber sagen, dass ich eine ähnlich bindende Regelung durchaus erstrebenswert fände.
Zunächst einmal ist es richtig, festzustellen, dass die HOAI den „freien Markt“ behindert. Die fundamentale Frage ist jedoch, ob der „freie Markt“ überhaut in der Lage ist, langfristig eine robuste, anpassungsfähige und harmonische Architektur zu schaffen, die eine gut gestaltete Umwelt möglich macht und damit die überall so viel diskutierte Nachhaltigkeit? Wir sind nicht davon überzeugt, dass der Neoliberalismus mit dem Fokus auf schnellen Gewinn und maximaler Rendite überhaupt eine gute Grundlage bietet für verantwortungsvolle Architektur, die per Definitionem ja eher eine langfristige Agenda hat und qualitativen Raum bieten muss für kommende Generationen.
In den Niederlanden wurde die Honorarordnung bereits vor mehr als 15 Jahren im Zug der Marktliberalisierung abgeschafft. Hauptgrund war, das der eher opportunistisch eingestellte Niederländische BNA Angst vor einer möglichen Klage aus Brüssel hatte. Auch wurde innen-
politisch Druck auf die Architekten ausgeübt, sich den Kräften des Marktes zu stellen.
Viele Architekten glaubten auch, dass sie unter den veränderten Umständen mehr Vergütung verhandeln könnten als die alte Honorar-
ordnung das vorsah. Das war natürlich ein großer Trugschluss und ausgesprochen naiv.
Bei öffentlichen Verhandlungsverfahren konkurrieren die Architekturbüros neben qualitativen Aspekten auch direkt über die Höhe des Honorars. Das hat in der Realität sehr oft zur Folge, dass gestalterische oder prozessrelevante Aspekte in der Punktevergabe eine eher untergeordnete Rolle spielen und der Billigstbieter oft den Zuschlag erhält. Im Zuge der ökonomischen Krise in Holland seit 2009 hatte das dramatische Folgen. Die Honorare sind stellenweise auf 50 % und bis zu 25 % im Vergleich zu den davor üblichen Honoraren gesunken! Für innovative oder experimentierfreudige Büros wie Atelier Kempe Thill – die tendenziell ja einen höheren Planungsaufwand betreiben – ist das extrem frustrierend, da ja bekanntlich die letzten 20 % an Qualität 80 % der Arbeitszeit kosten.
Das heutige deutsche Wettbewerbsmodell ist ja ein Saurier innerhalb der europäischen Architekturlandschaft! Dass sich im Schnitt 25 Büros unbezahlt an einem eingeladenen Wettbewerb beteiligen, ist aus unserer Sicht eine bewusste Ausbeutung der Architekten durch die öffentliche Hand. Dieses System konnte sich in Deutschland bis jetzt nur halten, da die Honorare im Vergleich zum Rest von Europa noch relativ akzeptabel sind. Ich denke, dass ein Wegfallen der HOAI auch eine Implosion des Wettbewerbssystems zur Folge haben könnte.
Wir berechnen das Honorar in der Regel nach der SR97 (alte Niederländische HOAI), oder den belgischen, deutschen, Schweizer oder französischen Honorartabellen, je nachdem, wo wir gerade arbeiten. Zudem haben wir eine Stundenadministration, die es möglich macht, den Arbeitsaufwand nachzukalkulieren. Auch beobachten wir die Honorarangebote der Konkurrenz – die wir bei öffentlichen Vergabeverfahren meist einsehen können – um nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Honorar zu fordern.
Die verschieden möglichen Modelle der Arbeitsformen von Architekten sind auch in Holland relativ klar definiert. Die größten Unterschiede zu Deutschland sind, dass einerseits das Haftungsrisiko der Architekten in den Niederlanden deutlich geringer ist, da mehr Verantwortlichkeit bei den Baufirmen liegt. Anderseits werden Streitigkeiten vorzugsweise eher informell – d. h. ohne Anwalt und Gericht – gelöst, was sehr zu begrüßen ist.
Von einer Wiedereinführung einer Honorarordnung ist uns nichts bekannt. Jedoch bemüht sich der BNA um mehr Einfluss bei den öffentlichen Verhandlungsverfahren. Hier ist der Spielraum allerdings gering, da die Kammer selbst keine Vergaben organisiert, das machen Projektmanagementbüros. Die haben aber kein Interesse an architektonischer Qualität und kennen das ökonomische Funktionieren von
Architekturbüros ungenügend. Zudem profitieren die stellenweise selbst von der Preiskonkurrenz der Architekten.
Die Fragen stellte Benedikt Kraft, Redakteur DBZ.
Herwig Spiegl, 2003 Diplom an der TU Wien, 1999 Gründung der AllesWirdGut GnbR, Wien/Österreich mit Andreas Marth, Friedrich Passler, Christian Waldner und Ingrid Hora. 2002 Gründung der AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, Wien/Österreich mit Andreas Marth, Friedrich Passler und Christian Waldner.
www.awg.at
Atelier Kempe Thill – im Jahr 2000 von den beiden deutschen Architekten André Kempe (Freiberg,*68) und Oliver Thill (Karl-Marx-Stadt, *71) gegründet – arbeitet stetig daran, Strukturen zu entwerfen, die sowohl neutral und ökonomisch als auch zugleich spezifisch und innovativ sind. Ziel dieser Arbeit ist es, eine „spezifische Neutralität” zu schaffen, die der Architektur die Möglichkeit einräumt, die versteckte Vitalität unserer Zeit auszudrücken.
www.atelierkempethill.com