EuGH–Entscheidung zur HOAI dürfte vorläufig nur geringe praktische Auswirkungen haben!
Der EuGH folgt den Anträgen des Generalsanwalts und weicht die HOAI auf. Mindest- und Höchststätze verletzen EU-Recht. Was verändert sich nun in der Praxis? Nicht viel!
In dem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (Az.: C-377/17) folgte der Gerichtshof der Europäischen Union (kurz EuGH) den Anträgen des Generalanwalts und gab der Klage statt. Die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (kurz HOAI) festgelegten Honorarmindest- und Höchstsätze verletzen also die Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) und die europäische Niederlassungsfreiheit. Für Architekten bzw. Ingenieure stelle die HOAI in der bisherigen Form – so die Sicht des EuGH - ein Hindernis dar, sich in der Bundesrepublik niederzulassen, da im Rahmen des Honorars keine, bzw. kaum Konkurrenz aufgrund der HOAI Mindest- und Höchsthonorarsätze möglich sei.
Gemäß der EU-Richtlinie 2006/123/EG dürfen Honorarmindest- und Höchstsätze nur unter engen Voraussetzungen festgelegt werden. Diese seien hier nicht erfüllt. Die EU-Richter sahen an der HOAI-Regelung vor allem das Problem, dass die Honorarbeschränkungen nur für Architekten und Ingenieure gilt, die Dienstleistung jedoch auch von anderen Dienstleistern erbracht werden könnte, wobei eine entsprechende fachliche Eignung nicht gesondert nachgewiesen werden müsse. Aus diesem Grunde sei eine Gewährleistung für eine hohe Qualität der Leistungen oder den Verbraucherschutz durch die HOAI-Mindest- bzw. Höchstsätze gar nicht erst gegeben. Gleichwohl machte der EuGH aber deutlich, dass eine Honorarordnung als unverbindliche Empfehlung durchaus als ein wirksames Instrument für den Verbraucherschutz angesehen werden könne. Die Bundesrepublik ist jetzt zur Anpassung der HOAI an geltendes EU-Recht aufgefordert.
Was heißt das jetzt aber für laufende und zukünftige Verträge?
Unmittelbar sind nur die Regelungen zu den Honorarmindest- und Höchstsätzen von dem Urteil betroffen. In laufenden Verträgen die auf die HOAI Bezug nehmen, gilt die HOAI weiterhin. Hier haben die Parteien ein funktionierendes Preisfindungssystem vereinbart. Architekten, Ingenieure aber auch Bauherren, können sich lediglich in einem Honorarprozess nicht mehr auf die Unter-/Überschreitung der Mindest-/Höchstsätze berufen.
Bei zukünftigen Verträgen kann auch in Zukunft ein Honorar nach der HOAI auch unter Einbeziehung der Regelung der Mindest-/Höchstsätze vereinbart werden, insoweit gilt die Privatautonomie. Die Vertragsparteien sind jedoch dazu angehalten ihr Augenmerk verstärkt auf die Verhandlung der Honorare zu legen und vor allem nachhaltige und auskömmliche Honorare zu vereinbaren.
Bei laufenden mündlich geschlossenen Verträgen, wo eine Vergütungsvereinbarung rein formal – mangels Schriftform – bereits unwirksam ist, wird sich der Architekt bzw. Ingenieur zwar nicht direkt auf ein Honorar auf Basis der HOAI-Mindestsätze berufen können. Ihm steht aber die Möglichkeit offen, über § 632 Abs.2 BGB, die für die erbrachten Leistungen übliche Vergütung vom Auftraggeber zu verlangen. Die übliche Vergütung wird sich dabei (bis auf weiteres) nach dem bisher üblichen Preisrahmen der HOAI richten.
Bei Ausschreibungen sollten öffentliche Auftraggeber bei ihrer Auswahl den Fokus nicht mehr, bzw. nicht allein auf die Honorarhöhe legen, um Dumpingangeboten und damit auch der Gefahr von entsprechenden „Dumpingleistungen“ begegnen zu können. Gleichwohl dürfte eine Ablehnung eines Angebots allein aufgrund der Unterschreitung der Mindestsätze nicht mehr in Frage kommen.
Also nur ein „Sturm im Wasserglas“? Nicht ganz! Für die Praxis wird sich aber bis auf weiteres eher wenig ändern und auch in Zukunft wird die HOAI die tägliche Arbeit des Architekten/Ingenieurs voraussichtlich bestimmen. Ob allerdings das Preisniveau langfristig auf dem durch die HOAI vorgegebenen Niveau verbleiben wird, bleibt abzuwarten.
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Axel Wunschel und Jochen Mittenzwey sind Rechtsanwälte bei Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin, www.wollmann.de