Ungewissheit um Mindestsätze hält an – BGH legt HOAI-Streit EuGH vor
Der BGH hatte sich am 14.5.2020 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das zwingende Preisrecht der HOAI nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 4.7.2019 im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (Az.:C-377/17) weiterhin zwischen Privaten angewendet werden kann.
Nach diesem Urteil des EuGH verletzt das zwingende Preisrecht der HOAI Unionsrecht, genauer die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Die Bundesregierung muss daher nun das nationale Recht entsprechend der EU-Richtlinie anpassen. Was gilt aber in der Zwischenzeit? Die Frage die sich derzeit alle deutschen Gerichte stellen ist, wie sich die Entscheidung des EuGH auf laufende und zukünftige Gerichtsverfahren auswirkt, in denen die HOAI Mindest- und Höchstsätze eine entscheidungserhebliche Rolle spielen. Kann das zwingende Preisrecht der HOAI weiterhin angewandt werden oder darf es nicht mehr zur Anwendung kommen? Hierzu ist es in der Oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zu vollkommen konträren Entscheidungen gekommen. Das OLG Celle und das OLG Düsseldorf halten eine weitere Anwendbarkeit des zwingenden HOAI-Preisrechts für ausgeschlossen, während das OLG Hamm und das Berliner Kammergericht für eine Anwendbarkeit zwischen Privaten entschieden haben, solange kein EU-Auslandsbezug bei den Vertragsparteien besteht. (Ein Zwischenfazit konnten Sie bereits hier lesen: https://www.dbz.de/artikel/dbz_Aktueller_Stand_zur_HOAI_3467640.html)
So war in dem Verfahren vor dem OLG Hamm eine Pauschalhonorarvereinbarung Gegenstand, die die Mindestsätze der HOAI unterschritt. Der Architekt berief sich auf die Unwirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung wegen der Unterschreitung der Mindestsätze und klagte das Honorar auf Basis der Mindestsätze ein. Der Auftraggeber ist der Auffassung, dass sich der Architekt nach dem obengenannten EuGH Urteil nicht mehr auf die Mindestsatzunterschreitung berufen könne. Der Architekt müsse sich an dem Pauschalhonorar festhalten lassen. Die erste Instanz sowie auch das OLG Hamm in der Berufungsinstanz gaben dem Architekten Recht. Der Auftraggeber ging in Revision vor den BGH.
Der BGH neigt dazu, der Ansicht des OLG Hamm zu folgen und erklärt dies auch ausdrücklich. Demnach wäre auch insoweit die HOAI weiterhin zwischen Privaten anwendbar, vgl. Pressemitteilung des BGH, Nr. 059/2020 v. 14.5.2020. Der Architekt hätte dann mit seiner Honorarklage Erfolg. Da aber nicht zweifelsfrei feststeht, ob die EU-Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen von laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privaten unmittelbar angewandt werden kann, hat der BGH die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt. Eine Antwort auf die Frage zur Anwendbarkeit ist also immer noch nicht gefunden.
Im Ergebnis ist die Anwendbarkeit des zwingenden Preisrechts der HOAI zwischen Privaten damit weiterhin ungewiss. Vertragsparteien sei daher empfohlen, sich nicht mehr auf die zwingenden HOAI-Mindest- und Höchstsätze sowie das Schriftformgebot für Pauschalhonorarvereinbarungen zu verlassen, solange die Entscheidung des EuGH hierzu nicht vorliegt. Vielmehr sollten konkrete vertragliche Regelungen zum Honorar getroffen werden, die keine Zweifel entstehen lassen.