In Form gebrachter Text
Die neue Synagoge in Mainz ist fertiggestellt

Die Vorgeschichte des Neubaus der Synagoge in Mainz ist die Vorgeschichte der meisten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland: Dort, wo der in seiner Silhouette mit Bedeutung aufgeladene Neubau steht, stand bis zur Pogromnacht 1938 der Vorgängerbau. Von dem allein Erinnerung, ein paar Säulen mit Balken sowie der Wille zum Neuanfang übrig geblieben sind. 61 Jahre nach der Auslöschung des religiösen Ortes gab es für eine Wiederauferstehung des Hauses am Synagogenplatz (Ecke Hindenburgstraße/Josefsstraße) einen Wettbewerb. Den entschied der Kölner Manuel Herz für sich.

Die neuerrichtete Synagoge von Mainz schreibt mit ihrer wild eingerissenen Silhouette das Wort „Kaduscha“ auf den Himmel, was Heiligung oder Erhöhung bedeutet und die Grundformel der feierlichsten jüdischen Gebete ist. In blaue Majolika gekleidet, biegt sich der Bau mit den schief eingesetzen Fenstern, den Vor- und Rücksprüngen in der Fassade zum Kreissegment vor dem Baubestand. Zwar sind für das Gotteshaus für 400 Beter – mit zahlreichen Nebenräumen wie beispielsweise eine größere Küche – die Sicherheitsstandards ähnlich aller Synagogen in Deutschland (so beschämend das auch ist), doch möchte die Gemeinde sich nicht hinter Zäunen oder Gittern vor den Fenstern verbarrikadieren; es reicht Sicherheitsglas.

Der Betraum wird, in Anlehnung an das Laubhüttenmotiv, von oben belichtet. Das schräg einfallende, wandernde Tageslicht modelliert die auf die Wände aufgebrachten hebräischen Schriftteppiche und verleiht dem intimen Raumgefüge Lebendigkeit und das Quentchen Mystik, das ein dem Göttlichen gewidmeter Bau haben darf. Ob die Bauverzögerung (acht Jahre) den Solitär älter aussehen lässt, als seine jüngeren Verwandten in Dresden und München, deren fast schon rationale Formendezenz heutige Synagogentypologie zu definieren scheint, kann verneint werden; zu besonders ist die Synagoge, die sich in fast allem dem geschriebenen Wort zuwendet. Be. K.

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