Infopavillon, Dübendorf/CH
Ein Bauwerk für wenige Jahre, das dennoch Landmarke sein und den Aufbruch in eine neue Zeit symbolisieren soll: FAT Architects aus Luxemburg übernahmen die Planung für den temporären Pavillon, in dem am Militärflugplatz Dübendorf bei Zürich gearbeitet und auch über die Arealentwicklung informiert wird. Das Gebäude ist ein Hybrid aus Free-Form- und Modulholzbau und zeigt präzises Handwerk.
Bereits seit 2014 wird der ehemalige Militärflugplatz in Dübendorf zivil und militärisch genutzt. Zukünftig soll sich hier mehr Technologie ansiedeln, man träumt von einem Silicon Valley der Schweiz – ohne dabei jedoch die größte strategische Landreserve des Bundes völlig umzuwidmen. Auf den freigegebenen Bauflächen am Rande des Areals entsteht in Etappen ein ganzes Quartier namens Innovationspark, das führende Technologieunternehmen, Forschende aus Hochschulen und Technologie-Start-Ups anziehen soll.
Die am Wettbewerb teilnehmenden Teams, bestehend aus Holzbauern und Architekturbüros, waren seitens der Zürcher Baubehörde dazu angehalten, einen farblich an die umgebenden Bestandsbauten angepassten Modulbau zu entwerfen, der an seinem höchsten Punkt nur bis auf 11 m reichen durfte. Es galt, ein Leuchtturmprojekt in Holzbauweise zu entwerfen, das wirtschaftlich zu erstellen, flexibel genutzt und nach einigen Jahren vollständig demontiert und neu genutzt oder recycelt werden kann. Im Wettbewerb setzten sich das gerade erst 2017 gegründete Architekturbüro FAT mit dem international renommierten Holzbauunternehmen Blumer Lehmann als Totalunternehmer durch. „Wir hatten die Idee, den Pavillon als offenes Stadtmöbel zu gestalten“, beschreibt Frank Stolz, einer der beiden Gründer von FAT ARCHITECTS und heute bei Blumer Lehmann. „Dazu entwarfen wir eine Aussichtsplattform, die die Sicht auf das Areal und das Alpenpanorama in Szene setzt.“ In den eingestellten Raummodulen befinden sich Empfang, Cafeteria, Büro- und Besprechungsraum, eine Ausstellung sowie das Archiv und Sanitärräume. Die Intention des Teams: Modulbau und Free-Form zu kombinieren und den hohen Stand der präzisen Fertigung zu zeigen.
Unter den unterschiedlichen Anforderungen an den Pavillon standen insbesondere die Stichpunkte „Leuchtturm“, „Innovative Bauart“, „Einfachheit“, „Flexibilität“ und „Mut“ im Vordergrund. Städtebaulich gesehen ist das komplette Umfeld des Innovationsparks von flachen Bauten bestimmt. Der realisierte Turm des Pavillons dient als Blickfang innerhalb der flachen Bebauung und läutet eine Änderung, einen Neubeginn im alten Militärgelände ein. Gleichzeitig ist er ein auffälliges Tor, durch das der neue Innovationspark begehbar ist. Die umgebende Bebauung bremst jedoch den Blick des Betrachters. Der Weitblick auf das gesamte Gelände ist verstellt durch die alten Hallen und Gebäude an der Grenze zum Flugfeld. Um diese Grenze optisch zu durchbrechen, war es nötig, für die Betrachter eine von außen zu begehende Plattform zu kreieren, mit deren Hilfe es gelingt, sich einen umfassenden Überblick über das Gelände zu verschaffen. Die langgestreckte Treppe, die nach oben führt, lässt sich metaphorisch wie ein Wanderpfad sehen, an dessen Zenit der Panoramablick auf das Säntisgebirge steht. Dies waren die formgebenden Gedanken für die Gestalt des Pavillons. Die Idee lässt sich durch die Free-Form in fließenden Übergängen umsetzen – fließende Übergänge, fließender Gang nach oben, fließender Gang nach Innen von der Torsituation aus. Die Idee der Flexibilität spiegelt sich in den eingesetzten Modulen wider.
Anspruchsvolle Einfachheit
Das architektonische Konzept führte zur Wahl der Produktionsform. Eine frei und leicht wirkende, hallenartige Kubatur mit einfach gekrümmten Trägern, die sich zu doppelt gekrümmten Flächen fügen, ist mit der Free-Form-Technologie möglich. Zur Umsetzung solcher Projekte in dieser nicht orthogonalen Holz-Bauweise benötigen die Zimmereibetriebe spezielle Soft- und Hardware sowie Spezialisten für Tragwerksplanung und Statik. „Ein großer Vorteil für FAT ARCHITECTS, da Blumer Lehmann vom Modulbau bis zur Free-Form das Know-how und die Produktionsanlagen inhouse hat“, erklärt Stolz.
Beim Dübendorfer Pavillon ist die gesamte Hüllstruktur, die über den Pavillon gestülpt wurde, eine Art der Free-Form. Trotz der vermeintlichen Einfachheit des Gebäudes waren die einfach gekrümmten Fachwerkträger, aus denen die doppelgekrümmten Dach- und Fassadenflächen entstehen, eine komplexe Planungs- und Produktionsaufgabe. Höhe und Spannweiten brachten besondere Anforderungen an das Tragwerk, zudem mussten die Details der Fügungen unterschiedlich hoher Trägerhöhen und Balkenlaufrichtungen anspruchsvoll geplant werden. „Alle orthogonalen und gekrümmten Holz-Träger sowie Holz-Ständer bis hin zu den Fassadenlatten und Stahlverbindungsmittel wurden dabei 1 : 1 geplant und konzipiert“, so Frank Stolz.
Überblick schaffen
Umgeben von den vielen flachen, denkmalgeschützten Hallen ist der Holzpavillon ein ungewöhnlicher Blickfang und dient als Portal für das Baugebiet. Neben dem 11 m hohen Turm steigt ab Bodenniveau eine Treppe an, wird breiter und mündet schließlich auf der Aussichtsplattform. Plattform und Treppe lagern auf 30 m langen und 1 m hohen Free-Form-Trägern aus Brettschichtholz. Diese spannen sich vom Boden der einen zum Dach der anderen Seite durch die gesamte Gebäudetiefe und werden an nur zwei Stellen zusätzlich mit einer Holzstütze abgefangen. Wie diese BSH-Träger bestehen alle tragenden Bauteile der Hülle aus Fichtenholz. Weitere Hauptträger und zahlreiche geneigte Sekundärträger im Achsmaß von 1,25 m bilden die Hülle des Pavillons. Als Wetterschutz und zur Tageslichtversorgung im Pavillon befindet sich darauf umlaufend eine lichtdurchlässige Membran, unterbrochen von einigen wenigen Lüftungsfenstern. „Zwar hätte eine Verkleidung mit Polycarbonat einen energetischen Vorteil gehabt,“ erläutert Thomas Kruppa von FAT Architects, „die Wahl der ETFE-Folie beschleunigte jedoch den Bauprozess – die einzelnen Teile konnten direkt aus den 3D-Daten millimetergenau zugeschnitten und dann montiert werden.“
Haus im Haus
Unterhalb des Daches stehen im lichtdurchfluteten Kaltraum neun in der Grundform containerartige Holzmodule. Die 3 m breiten und zwischen etwa 8,5 und 12,2 m langen Module fertigte Blumer Lehmann in Gossau vor und setzte sie in Dübendorf oberhalb des rohen Bodens auf Stahlträger und Punktfundamente, bevor die hölzerne Hülle über die montierten Module gestülpt wurde. Über diesen 3,5m hohen Einbauten bleibt die Gesamtform des Daches erlebbar, besonders im Ausstellungsbereich des ersten Obergeschosses, auf den Modulen.
„Mit dem Pavillon haben wir zeigen können, was heute mit Holzbau möglich ist und was Blumer Lehmann im Bereich Vorfertigung in Free-Form und Modulbau leisten kann“, schließt Kruppa. „Dass das Gebäude zudem modular aufgebaut und komplett recycelbar ist, macht es äußerst nachhaltig – es gibt wohl bereits einen Interessenten, der den Pavillon später übernehmen möchte.“
Baudaten
Objekt: Informationspavillon Innovationspark Zürich/CH
Standort: Wangenstr. 68,
8600 Dübendorf
Typologie: temporärer Pavillon, Veranstaltungsbau
Bauherr: Blumer-Lehmann AG, Gossau/CH, www.blumer-lehmann.ch
Nutzer: Switzerland Innovation Park Zurich/CH
Architekt: FAT ARCHITECTS SARL, Moutfort/LU, www.fat.lu
Mitarbeiter (Team): Frank Stolz, Thomas Kruppa
Generalunternehmer: Blumer-Lehmann AG
Bauzeit: Oktober 2017 – Februar 2018
Fachplaner
Tragwerksplaner, Brandschutzplaner: Blumer-Lehmann AG, Gossau/CH
TGA-Planer: Otto Keller AG,
Arbon/CH, www.dieklimamacher.ch
Fassadentechniker, Membranbau: HP Gasser AG, Lungern/CH,
www.hpgasser.ch
Projektdaten
Nutzfläche: 410 m²
Brutto-Geschossfläche: 550 m² gesamt (EG 490 m² / OG: 60 m²)
Brutto-Rauminhalt: 2 300 m³
Nettogeschossfläche: 311,6 m²
Energiekonzept
Dachaufbau: 1,6 cm DWD Faserplatte, 22,0 cm Dämmung, 22 cm Fichte Tanne, 1,9 cm 3-Schichtplatte
Außenwand: 2,7 cm 3-Schichtplatte, 22 cm Dämmung, 22 cm Fichte Tanne, 2,7 cm 3-Schichtpatte
Alle Fenster: 3-fach Wärmeschutzglas
Bodenaufbau: 4,2 cm 3-Schichtplatten, 24 cm Dämmung, 1,2 cm Zementgebundene Spanplatte, 24 cm Fichte Tanne
Bodenbeläge: Dreischichtplatte Fichte, farblos versiegelt
Wandbeläge: Dreischichtplatte Fichte mit UV- Schutz bzw. grau lasiert im Gang- Bereich
Membran als Wetterschutzfolie zwischen Tragwerk und Außenlattung
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,17 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,18 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,18 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,30 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,70 W/(m²K)
Hersteller
Fenster: Stutz Fensterbau-Schreinerei AG, www.fensterstutz.ch
Membran: HP Gasser AG, www.membranbau.ch
Brettschichtholz: Mayr.Melnhof Holz Reuthe GmbH, www.mm-holz.com
Dreischichtplatten Fichte: Novatop System, www.novatop-system.cz
Sonnenschutz: Griesser AG, www.griesser.ch
„Der temporäre Pavillon besteht aus einer neuartigen Kombination aus FreeForm-Tragwerk und vorgefertigten Holzraummodulen. Er ist gleichzeitig Leuchtturm, Startrampe und Stadtmöbel, welches dem Besucher ermöglicht, die Entwicklung und den Baufortschritt auf dem Areal sowie das Alpenpanorama von der Dachterrasse aus zu erblicken. Die lichtdurchlässige Fassade mit transparenter Folie kreiert ein interessantes Spannungsfeld zwischen innen und außen.“
DBZ Heftpate Thomas Kruppa, FAT ARCHITECTS