Interpane AGC: Glasfassadenworkshop im 86. Geschoss, Lower Manhattan

Wenn man an Skyscraper denkt, denkt man gleich an Manhattan, den zentralen Stadtteil New York Citys, diese ziemlich dicht bebaute Halbinsel zwischen Hudson und East River. Erfunden wurde der Skyscraper dabei ein paar hundert Kilometer weiter westlich: Mit zehn Geschossen war das Haus, das 1885 in Chicago gebaut wurde, aus heutiger Sicht nicht wirklich hoch, doch es war offenbar der Startpunkt einer Entwicklung im Wetteifern um immer mehr Höhe.

Auch die Wohndichte, die die Hochhäuser in Manhattan vorgaukeln, ist eher luftig zu nennen, vergleicht man sie mit asiatischen Städten. Hongkong hat die 2,5-fache Dichte, Dhaka gar die 4,5-fache. Und dennoch ist die Skyline New Yorks mit den ganz neuen und den ganz alten Türmen das Signet für den internationalen Hochhausbau. Der auch auf der Halbinsel noch lange nicht am Ende ist, denn es gibt immer noch Platz auf den Restflächen aufgegebener Kleinindus-trie, stillgelegter Verkehrsflächen, Abrisslücken ...

Allerdings gibt es in New York City – wie wahrscheinlich weltweit – einen signifikanten Wandel: Es werden kaum noch reine Bürotürme gebaut, mittlerweile ist der überwiegende Teil der großen Neubauprojekte zumindest einer Mischnutzung gewidmet, Tendenz zum reinen Wohnturm. Und damit wird dieser Bautypus wieder dort verortet, wo er sich am wohlsten fühlt: auf der Kapitalseite. Waren es in der Vergangenheit Geldhäuser oder Kanzleien von Geldhäusern werden es in Zukunft die Vermögenden sein, die allein sich das abgehobene, luxuriöse Wohnen leisten können. Die Quadratmeterpreise dieser neuen, oft mit minimalstem Fußabdruck versehenen Nadeltürme sind extrem hoch und überschreiten bei einer Wohnungsgröße, die nicht sonderlich spektakulär ist, schon mal die Kosten für die komplette Verglasung des gesamten Turms.

Da überrascht es nicht, wenn sich auf diesem stetig wachsenden und lukrativen Markt auch die Glashersteller um vordere Marktplätze kümmern. So auch der in Deutschland beheimatete Flachglashersteller Interpane (seit 2012 AGC Interpane), der in New York City mehr als 20 Hochhausneubauten mit Sonnenschutzglas ausstattet, allein im neu entstehenden „Hudson Yards“ sind das mehr als 230 000 m². Architekten- und Projektenamen deuten auf High End: One World Trade Center von Daniel Libeskind/David Childs SOM (hier allerdings „nur“ die den mächtigen Sichtbetonsockel bekleidenden Glasschwerter). Das gigantische „Hudson Yards“, ein Planungsgebiet im nördlichen Westen, das in der Fertigstellung 15 Skyscraper haben wird, der höchste höher als das One World Trade Center. Oder der edle „53W53“ von Jean Nouvel, auch „MoMA Expansion Tower“ genannt. Wer sich dort eine Wohnung leisten kann, erhält lebenslang kostenlosen Eintritt ins anliegende Museum, das ebenfalls Räume in dem Turm haben wird. Mit diesen und mehr als 20 weiteren Bauten (Stand März 2016) versammelt Interpane eine illustre Projektetruppe.

Workshop auf hohem (Turm-)Niveau

Zu dieser gehört auch der „Vista Tower“ in Chicago, der gerade im Bau ist und wohl in zwei Jahren mit einer Endhöhe von 361 m auch in Chicago auffallen wird. Architekten sind dort Studio Gang Architects, die in Chicago wie New York City große Büros haben. Die New Yorker Abteilung des Büros fand sich am 17. und 18. November mit anderen Vertretern internationaler Bürogrößen im sechsthöchsten Gebäude der Welt zum Stelldichein: Im zum Teil tatsächlich noch nicht ausgebauten 86. Geschoss des One World Trade Centers, in der „TWA lounge at 1WTC”, folgten erstrangige Architekten erstrangiger Büros der Einladung von Interpane zu einem Glasfassadenworkshop.

Es kamen u. a. Fassadenexperten und Bauleiter von Arup, BIG, SHoP, Weiss Manfredi, OMA, SOM, FXFOWLE, Front, HOK, Richard Meier & Partners, ODA, Pelli Clark Pelli, Herzog & de Meuron und Pei Cobb Freed & Partners. Themen im Workshop waren unter anderem: „Coating Systems.The basics on glass coatings, layers and composition, angle stability, properties”, „Tolerances and production characteristics of Heat treated glass”, „Glass Technical Packages: Thermal Stress Analysis”, „Typical Glazing failures. Defects on butyl, secondary seal, … ” oder das im internationalen Austausch wichtige Thema „European Standards vs. American Standards”.

In kleinen Gruppen, die jeweils zu den unterschiedlichen Themen wechselten, diskutierten die Architekten mit den Fachleuten des Glasherstellers theoretische, aber auch ganz praktische Fragen. Zum Beispiel die nach den Kosten. Und nach Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren. Oder die nach Transportzeiten vom Ort der Herstellung (Deutschland beispielsweise) in die oberen Geschosse eines Neubaus in New York City Midtown.

Beratender Partner: coating on demand

Ganz bewusst hat Interpane genau diese teils auch kontroverse Gesprächssituation gesucht, denn nur über die direkten Rückmeldungen kann der Hersteller bei zukünftigen Aufträgen an den entscheidenden Stellen nachbessern. Dass die Feedbacks hochkarätig waren und mitten aus der Baupraxis kamen, hat die Veranstaltung auch ihrem Austragungsort zu verdanken. Denn wohl in kaum einer anderen Stadt außer in New York City kann man so viele Entscheider großer Architekturbüros gleichsam über den kurzen Dienstweg an einem Tag in einem Raum versammeln.

Ein zentrales Stichwort, neben den oben schon genannten, im Workshop war das „coating on demand“, das das Selbstverständnis Interpanes von partnerschaftlicher Zusammenarbeit deutlich aufscheinen lässt. Dabei handelt es sich um ein digitales Tool, mit dessen Hilfe annähernd realistisch beinahe jede gewünschte Verglasung für ein Gebäude entwickelt werden kann. Ganz konkret heisst das, dass Bauherr und/oder Architekt mit dem geplanten Projekt nach Deutschland reisen, hier das gewünschte Design (Farbe, Reflexion, Größe und Form etc.) und die technischen Anforderungen zusammen mit dem Gesamtdesign des Gebäudes über ausgewählte Parameter in das Programm eingeben, das daraus eine realistische Visualisierung erarbeitet. Ist das Ergebnis nicht überzeugend, kann so lange nachgearbeitet werden, bis Transparenz, Reflexion oder Farbigkeit den Vorstellungen entsprechen. Die Visualisierungen berücksichtigen dabei den Tageslichtverlauf, Witterung und Jahreszeiten. Ist der Planer zufrieden, kann über die Mittagspause – so Interpane – ein Fassadenmusterstück produziert werden, mit Hilfe dessen das am Vormittag produzierte, digitale Bild handgreiflich anschaulich wird.

Damit kann über die Anpassung der verschiedenen coatings eine, wie Interpane betont, einmalige Fassadengestaltung erzielt werden. Und: Noch Jahre später könne exakt dieses Glas über die dem Kunden exklusiv zur Verfügung gestellten Daten nachproduziert werden.

Auch für die Produktion von Gläsern für Bestandsbauten, deren Glasfassade energetisch ertüchtigt wird, biete das coating on demand Vorteile: Über die Software sei das ursprüngliche Glas exakt in seinen Farbeigenschaften, der Lichtdurchlässigkeit etc. nachbaubar, nun aber mit den aktualisierten energetischen Eigenschaften.

Wie beim Schneider

Bezogen auf das coating on demand kommentierte Interpane, das sei „a tailor-made service”, das Produkt am Ende sei „your product.” Die gemeinsam erarbeitete Beschichtung in individueller Farbe und Konfiguration wird damit weltweit exklusiv nur für das möglicherweise ikonische Leuchtturmprojekt. Und wie es beim Schneider erwartbar ist, könne man auch Übergrößen liefern. Sowohl was die Scheibenformate angehe, aber auch was die Glasstärke beträfe. Diese fordere vor allem die Logistiker und, wegen der besonders großen thermischen Wirkkräfte, die Ingenieure. Beim Transport der Überformate werden nach oben offene Überseecontainer genutzt, die nicht unten stehen dürfen! Im Zusammenhang mit der stark gestiegenen Nachfrage nach Überformaten kam auch das Thema der Lieferbarkeit auf: Wie schnell kann ich ein paar tausend Quadratmeter großflächige  Scheiben nach Übersee geliefert bekommen etc.?

Automatisierung, Verpackung und Lieferung sowie die Fragen nach Kosten und Qualitätssicherung waren mit vielen anderen Aspekten Teil der Diskussionen nach den Themenpräsentationen durch die Architektenberater von Interpane. Und irgendwie schloss sich beim abendlichen Dinner mit Blick auf das lichterglänzende Manhattan dann noch ein Kreis: In der TWA Lounge sitzend könnte man – theoretisch – zum JFK Flughafen und dort auf das zurzeit sanierte TWA Hotel schauen. Für dessen Glasfassaden liefert Interpane die Scheiben in einem Überformat: dicker sind sie, wegen des geforderten Schallschutzes. Be. K.

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