Kein Wunschkonzert: Mehrkosten aufgrund von Bauzeitverlängerung
(Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 06.10.2021 – 14 U 39/11)
Es gehört zu den Top-Themen für Architekten/Ingenieure in der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung). Habe ich einen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten, weil die ursprünglich angedachte Bauzeit sich verlängert hat und wie kann ich diese Mehrkosten mit Erfolg gegenüber dem Auftraggeber geltend machen?
Mit diesen Fragen hatte sich das Oberlandesgericht Celle zu beschäftigen. Die klagenden Ingenieure wurden mit der Planung und Bauüberwachung für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) beauftragt. Die Bauzeit war vertraglich mit ca. 3 Jahren geplant. Im Vertrag wurde darüber hinaus vereinbart, dass die Ingenieure ein Anspruch auf Vergütung für „nachweislich erforderliche Mehrkosten“ haben, wenn sich die Bauzeit unverschuldet um mehr als sechs Monate verlängert. Es kam wie es kommen musste. Die Bauzeit verlängerte sich deutlich und die Ingenieure meldeten im Rahmen von Nachträgen Mehrkosten an. Der Auftraggeber sagte eine Zahlung zwar zu, wollte aber zunächst die konkreten Mehrkosten dargelegt wissen. Die Ingenieure bezifferten zwar die Mehrkosten, einen Nachweis für das tatsächliche Entstehen brachten sie allerdings nicht bei. Nachdem die Ingenieure den Nachweis nicht erbrachten, zahlte der Auftraggeber die behaupteten Mehrkosten nicht. Die Ingenieure stellten daraufhin die Leistungen ein, was den Auftraggeber dazu veranlasste den Vertrag außerordentlich fristlos zu kündigen.
Eine Klage vor dem Landgericht blieb für die Ingenieure erfolglos. Auch das Oberlandesgericht Celle gestand den Ingenieuren keinen Mehrkostenanspruch zu. Den Ingenieuren ist der Nachweis nicht gelungen, dass ihnen „nachweislich erforderliche Mehrkosten“ entstanden sind. Voraussetzung dafür wäre u.a. gewesen, dass die Ingenieure eine Pflichtverletzung des Auftraggebers dargelegt und bewiesen hätten, die zu einer Behinderung der eigenen Leistungen geführt hat. Dafür ist nach ständiger Rechtsprechung eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich. Neben den Pflichtverletzungen des Auftraggebers ist daher vorzutragen, welche vorgesehenen Leistungen deswegen nicht, bzw. nicht in der geplanten Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerung konkret auf der Baustelle, bzw. in der Bauüberwachung ausgewirkt hat. Es bedarf im Ergebnis einer ununterbrochenen Kausalkette von der Pflichtverletzung, über die Behinderung zu den entstandenen Mehrkosten. Für den Mehraufwand ist zudem ein Einzelnachweis erforderlich. Eine fiktive Schadensberechnung scheidet aus. Diesen Anforderungen wurde die recht pauschale Aufstellung der Ingenieure – die u.a. auf Schätzungen beruhte - nicht gerecht. Diese Voraussetzungen gelten im Übrigen auch bei der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 642 BGB (Fehlende Mitwirkung des Auftraggebers).
Die Klage der Ingenieure wurde schließlich in der 2. Instanz abgewiesen. Darüber hinaus war die außerordentliche Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber aufgrund der unberechtigten Leistungseinstellung wirksam, womit sich die Ingenieure auch noch schadensersatzpflichtig gemacht haben.
Aus dieser Entscheidung kann man einiges lernen. Wer einen Anspruch auf Mehrkosten aufgrund unverschuldeter Bauzeitverlängerung geltend machen möchte muss bereits während der Leistungsausführung bestens dokumentiert sein, sodass ein Sachverständiger ein valides bauablaufbezogenes Gutachten bezüglich der Mehrkosten erstellen kann. Mit diesem Gutachten ist eine konkrete Darlegung von Mehrkosten im Prozess möglich, bzw. dient auch ohne den Gerichtsweg für eine gute Verhandlungsgrundlage mit dem Auftraggeber. Es verhindert unter Umständen auch Folgeschäden durch (un)berechtigte außerordentliche Kündigungen der Vertragsparteien.