Klimakonzepte mit Geothermie
Klimahaus® Bremerhaven 8°Ost und Dornier Museum in Friedrichshafen

Im Bereich der Gebäudeklimatisierung und -energieversorgung bestehen heute hohe Ansprüche an Nutzerkomfort, Kosteneffizienz, Nachhaltigkeit und ökologische Qualität. Konzepte „von der Stange“ können dem kaum gerecht werden. Die Entwicklung guter energietechnischer Konzeptionen basiert auf einer sorgfältigen Analyse der individuellen Bauaufgabe, des Standortes und dessen Risiken und Möglichkeiten und berücksichtigt diese im Sinne einer integralen Gesamtlösung

In diesem Zusammenhang bieten geothermische Anwendungen an vielen Standorten ein interessantes Potential. Es kann auf unterschiedliche, der speziellen Aufgabenstellung des jeweiligen Bauvorhabens angepasste Weise im Gesamtkonzept der Gebäudeklimatisierung und Energieversorgung wirkungsvoll ausgenutzt werden. Die beiden hier beschriebenen Projekte, das Klimahaus® Bremerhaven 8°Ost und das Dornier Museum in Friedrichshafen, können als Beispiele hierfür dienen. In beiden Projekten, im Jahre 2009 fertig gestellt und eröffnet, wurde die Nutzung oberflächennaher Geothermie in das Energiekonzept integriert. Dabei führten die projektspezifischen Erfordernisse und die lokalen geologischen Gegebenheiten zu unterschiedlichen Lösungen. Im Klimahaus® mit einem dominierenden Kältebedarf dient der geothermische Wärmetauscher im wesentlichen als Kältequelle zur Unterstützung der übrigen Konzeptelemente zur natürlichen Wärmeabfuhr aus den Ausstellungsbereichen. Dazu konnten die für das Gebäudefundament ohnehin erforderlichen Gründungspfähle thermische aktiviert werden, was den Gesamtaufwand für das System reduzierte. Die Regenerierung des Erdreiches erfolgt hier hauptsächlich auf natürlichem Wege. Im Dornier Museum wurden – ebenfalls direkt unterhalb des Gebäudes – Erdwärmesonden niedergebracht. Hier übernimmt das Erdsondenfeld die Hauptaufgabe bei der gesamten Gebäudeklimatisierung. Es wird sowohl im Sommer für die (direkte) Kühlung als auch im  Winter zur Bereitstellung von Raumwärme über eine Wärmepumpenanlage genutzt und somit  im Jahresrhythmus in einem thermischen Pendelbetrieb jeweils durch die gegenläufige Nutzung aktiv regeneriert. In beiden Fällen trägt die Nutzung dieser Form der Umweltenergie zur Verbesserung der Ökobilanz der Gebäude-Energieversorgung bei.

Klimahaus® Bremerhaven 8°Ost

Die Architektur vom Klimahaus® in Bremerhaven gibt eine transparente Glashülle in Freiform vor, in der für die ca. 11 800 m² Ausstellungsfläche ein Haus-im-Haus-Konzept genutzt wird. Im Ausstellungsbereich werden unterschiedliche Klimazonen entlang des 8. Längengrades als Erlebnis für die Sinne inszeniert. Auf der „Reise durch die Klimazonen“ erwarten den Besucher heute fünf thermische Bereiche mit unterschiedlicher Lufttemperatur und Feuchte vom trocken-heißen Wüstenklima bis zur arktischen Zone mit Eisflächen. Die einzelnen Zonen werden mit getrennten und speziell ausgelegten Klimaanlagen konditioniert. Um Energieverluste zu vermeiden wurde schon in der Planung auf eine ausgeglichene Luftbilanz innerhalb der einzelnen Zonen geachtet.

Das Klima- und Energiekonzept ist darauf ausgerichtet, die Gebäudekomponenten und Bauteile mit ihren Eigenschaften einfach und effizient für die Klimatisierung nutzbar zu machen. Solare Wärmelasten spielen im Energiegeschehen vom Klimahaus® übrigens trotz der vollständig verglasten Gebäudehülle kaum keine Rolle, da die Ausstellungsräume im Inneren vom Fassadenraum abgekoppelt sind. Trotzdem erweist sich das Gebäude ganzjährig als Kühlfall, es benötigt dauerhaft Kühlenergie, die das energetische Geschehen gegenüber dem Heizwärmebedarf deutlich dominiert.

Vorrangig sollten am Standort vorhandene natürliche Ressourcen und Umweltenergien eingesetzt werden. Dabei hilft die Betonkernaktivierung, bei der die Speicherfähigkeit der massiven Geschossdecken zur regenerativen Raumtemperierung genutzt wird. Tagsüber nehmen die Betondecken Wärme aus dem Raum auf, nachts zirkuliert kaltes Wasser durch das Rohrsystem und entwärmt den Beton. Am nächsten Tag steht die Betondecke dann wieder zur Wärmeaufnahme zur Verfügung. Die gekühlten Oberflächen der Betondecken tauschen ihre Energie dabei hauptsächlich über Wärmestrahlung aus, die – über die Temperatur der Raumluft hinaus – für den thermischen Komfort eine wichtige Rolle spielt. Rund 75% der Räume in den Ausstellungsbereichen Elemente und Perspektiven können auf diese Weise gekühlt werden.

Wo keine freiliegenden Betondecken nutzbar sind, kommen Kühldecken zum Einsatz. Da diese selbst kein Speichervermögen besitzen, müssen sie auch tagsüber mit Kälte versorgt werden. Anstelle von Kältemaschinen wird die hierfür nötige Kühlenergie aus einem regenerativen Speicher bezogen: dem Erdreich unterhalb des Gebäudes, wo im Sommer deutlich niedrigere Temperaturen als in der Außenluft herrschen. Die Nutzung oberflächennaher Geothermie bietet sich an, da das gesamte Gebäude auf insgesamt 770 Betonpfählen gegründet ist, die das Tragwerk rund 20 m tief im Untergrund verankern. 464 dieser Pfähle sind als Energiepfähle mit Rohrschlangen belegt, in denen ein Wärmeträgermedium zirkuliert und die somit als Wärmetauscher mit dem Erdreich wirken. Das Energiepfahlfeld stellt eine Spitzenkühlleistung von rund 270 kW zur Verfügung.

Besonders im Sommer muss der gläserne Fassadenzwischenraum mit Außenluft „durchspült“ werden, um die Aufheizung der Zuluft für die natürliche Lüftung zu minimieren. Im Winter dagegen sind die Wärmegewinne aus der Fassade willkommen und wärmen die Frischluft vor. Die warme Abluft strömt über offene Lufträume frei nach oben ab, was den Aufwand für Lüftungskanäle und Lufttransport reduziert. Vor dem Austritt ins Freie wird der Abluft die noch nutzbare Energie über Wärmerückgewinnung entzogen. Im Sommer dient die natürlich unterstützte Lüf tung zusätzlich als Nachtluftspülung. Der Spitzenbedarf für Zuluft und Kühldecken wird geothermisch abgedeckt.

Die Wärme für das Klimahaus® kommt – neben der vorrangigen Nutzung der eigenen Abwärme über Wärmerückgewinnung – als Fernwärme aus dem Bremerhavener Müllheizkraftwerk. Im Sommer steht diese Energieform im Überfluss und günstig zur Verfügung. Daher ist es vorteilhaft, diese Wärmeenergie über Sorptionstechnik, also thermochemische Prozesse, zur Kälteerzeugung einzusetzen. Eine einstufige Absorptionskältemaschine auf Lithium-Bromid-Basis wurde speziell für diesen Zweck installiert. Sie erzeugt aus einer Heizleistung von 84 kW eine Kälteleistung von 65 kW. Auch zur sommerlichen Kühlung der Frischluft wird Wärmeenergie zur Kälteerzeugung eingesetzt. Die Lüftungsanlage mit einer Luftmenge von rund 35 000 m³/h ist mit einem so genannten Desiccant Cooling System (DCS) ausgestattet, das Fernwärme in eine Kälteleistung von ca. 85 kW umwandelt.

Der Strombedarf wird vollständig mit regenerativ erzeugtem und zertifiziertem Ökostrom aus Wind- und Wasserkraftanlagen gedeckt. Damit liegt die CO2-Bilanz für den Betrieb des Klimahaus® praktisch bei Null, genauer gesagt bei rund 400 g CO2 pro Besucher. Zusätzlich zeigt das Klimahaus® auch, wie die eigene Stromerzeugung multifunktional ins Gebäude integriert werden kann: In das Glasdach der Plaza sind monokristalline Photovoltaik-Zellen mit einer elektrischen Leistung von 37 kW direkt in den Isolierglas-Aufbau eingebaut. Dabei reduzieren die schwarzen Zellen die Sonneneinstrahlung in der Plaza auf unter 20% und wirken so gleich¬zeitig als Sonnenschutz. Die pro Jahr produ zierte Energiemenge reicht aus, um den Strom  ¬bedarf eines Teils der Ausstellungsbereiche vollständig zu decken.

Dornier Museum, Friedrichshafen

Beim Neubau des Dornier Museums in Friedrichshafen sollte sich die formale Orientierung am Gebäudetyp des Hangars als Industriearchitektur auch im Hinblick auf das Klima- und Energiekonzept fortsetzen und trotzdem einen Museumsbetrieb ermöglichen. Eine erste Herausforderung stellte dabei die Gebäudehülle dar, die in den beiden geschwungenen Hauptfassaden nach Süden und Norden großflächig transluzent konzipiert war. Als Fassadenmaterial dienen hier gebäudehohe Polycarbonat-Mehrfachstegplatten, die mit einem u-Wert von 1,3 W/m²K gute Wärmeschutzeigenschaften bieten. Für eine wirksame Begrenzung solarer Wärmeeinträge im Sommer war es jedoch erforderlich, auf der Außenseite eine zusätzliche Bedruckung mit einem weißen Punktmuster aufzubringen, deren Intensität in detaillierten Verschattungsanalysen optimiert wurde, um Energieeintrag und Tageslichtversorgung gegeneinander abzuwägen. Die Bedruckung wurde im Siebdruck-Verfahren aufgebracht. Die Fassaden der Stirnseiten sind mit einer leistungsfähigen hochselektiven Sonnenschutzverglasung (g-Wert von rund 0,20) vollflächig verglast. Die westliche Fassade lässt sich dabei als Falttor vollständig öffnen.

Einem Industriebau angemessen verfügt die Museumshalle ausschließlich über natürliche Lüftung. Um die Homogenität der großflächigen Fassaden zu erhalten, wurde die Lüftungsfunktion unterhalb des Fassadenfußpunktes angeordnet. Neben der „Unsichtbarkeit“ bietet diese Anordnung den Vorteil, dass die Frischluft bodennah eingebracht wird und die volle Gebäudehöhe für den thermischen Antrieb der Luftbewegung zur Verfügung steht. Die Abluft wird über die RWA-Öffnungen im Dach hinausgeführt. Weitere regelbare Öffnungen befinden sich in der verglasten Ostfassade bzw. der Falttoranlage nach Westen. Auf diese Weise ist ein gleichmäßiger und flexibler Betrieb der Lüftungsfunktion möglich. Neben der Frischluftzufuhr dient das System hauptsächlich der natürlichen Ablüftung von sommerlichen Wärmelasten und zur Nachtluftspülung der Hangarhalle. Eine mechanische Lüftung, die sich am hygienisch notwendigen Maß für die Frischluftzufuhr der Besucher orientiert, ist nur in der Ausstellungsbox im Obergeschoss sowie in entsprechenden Sonderbereichen (z. B. Gastronomie) oder vollständig innen liegenden Räumen installiert.

Dem Charakter des Gebäudes entsprechend lag die Integration des Hallenbodens in das Klimakonzept nahe. Der Betonboden ist mit einer Industriefußbodenheizung, wie sie auch aus echten Hangargebäuden bekannt ist, ausgerüstet. Sie sorgt im Winter für die Grundkonditionierung und wird im Sommer als Fußbodenkühlung genutzt, mit der solare Wärmelasten effizient abgeführt werden. Nachdem die ursprünglich als reine Verkehrsfläche angelegte Galerie inhaltlich in das Ausstellungskonzept einbezogen wurde, erwies sich hier die zeitweise Bereitstellung von zusätzlicher Kühlleistung als erforderlich, so dass auf der Galerie fassadenseitig Brüstungselemente mit UmluftKonvektoren ausgestattet wurden. Zur bedarfsgerechten Beheizung der Museumshalle dienen Unterflur- bzw. Fassadenkonvektoren in zwei Ebenen entlang der Nord- und Südfassade. In Sonderbereichen, z.B. unterhalb der eingestellten Ausstellungsbox, sind darüber hinaus Deckenstrahlplatten eingebaut, die eine gezielte und bedarfsweise Klimaregulierung erlauben.

Damit eignet sich das entwickelte Klimakonzept sehr gut für die Bereitstellung von Heiz- und Kühlenergie auf Niedertemperaturniveau und so für die effiziente Nutzung von am Standort verfügbaren Umweltenergien. Zentrales Element ist hierbei ein Geothermiefeld aus 81 Erdwärmesonden unterhalb des Gebäudes. Diese erschließen das Erdreich zur thermischen Nutzung nach dem Prinzip eines Pendelspeichers: Das Erdreich dient während der Heizperiode als effiziente Niedertemperaturquelle, die zu einer Abkühlung des Erdreichs führt. Im Sommer steht damit eine Kältequelle zur Gebäudekühlung zur Verfügung. Wichtig ist hierbei eine im Jahreszyklus ausgeglichene Bilanz aus Wärme- und Kältenutzung, um langfristig einen stabilen Betrieb des Geothermiefeldes sicherzustellen.

Das Gesamtsystem aus Gebäude, Geothermiefeld und Energieversorgung wurde dazu über mehrere Jahre in Computermodellen detailliert simuliert und ausgelegt. Insgesamt konnte auf diese Weise erreicht werden, dass die Klimatisierung des Hauses – abgesehen von der Spitzenlastkühlung auf der Hangar-Galerie an besonders heißen Tagen – vollständig ohne mechanische Kälteerzeugung auskommt, was für einen derartigen Museumsbau eine bemerkenswerte Besonderheit darstellt. Die Betriebskosten für die Gebäudeklimatisierung liegen deutlich unter denen konventioneller Konzepte. Auch die Umweltbelastung durch den Betrieb der Gebäudeklimatisierung, gemessen an den CO2-Emissionen, ist gegenüber einem herkömmlichen Konzept um ca. 50% reduziert, so dass pro Jahr knapp 100 t an CO2-Emissionen eingespart werden.

Christian Oberdorf, München

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