Kolonnaden statt Einheitsdenkmal?
Als vor vielen Jahren Wilhelm von Boddien seine Schlossträume in Berlin mittels bedruckten Kunststoffplanen vor Eisengerüsten artikulierte, waren alle begeistert. 1993 war das; mancher von denen, die in ein paar Jahren staunend vor der Schlossreplik stehen werden, waren da noch nicht geboren. Die Wenigsten ahnten, dass der Kaufmann aus Hamburg mit Wurzeln in der preußischen Provinz Pommern nur wenige Jahre später eine Internationale Expertenkommission zu einem knapp entschiedenen Pro-Wiederaufbau-Gutachten bringen würde. Der damalige Vorsitzende der Kommission, Hannes Swoboda, hatte die positive Entscheidung kurz und bündig so zusammengefasst: „Auch Berlin müsse erlaubt sein, was vielen anderen europäischen Städten unmittelbar nach dem Krieg erlaubt gewesen sei.“
So wurde, nach dem Motto „Wunde heilen, Lücke schließen“, mit den Betonarbeiten begonnen. Aber nicht bloß mit dem Handgreiflichen, es wurde und wird bis heute das Projekt „Wiederaufbau Mitte“ an vielen Stellen lanciert. Man fühlt vor, klopft weich, eruiert, lotet Grenzen aus. Und sammelt Geld, denn das Gutachten von 2002 ging von einem PPP-Projekt „Schlosswiederaufbau“ aus. Und dann sollte mit einem Mal mehr als eine Kuppelgeste dazu kommen, möglicherweise die Gigantentreppe restauriert werden, hier ein Salon, dort eine Hoffassade. Auch der Stadtraum drumherum wurde wettbewerbsmäßig beplant, der Neptunbrunnen soll an seine alte Stelle, Bäume und Beete statt einer zwar gestalteten Pflasterlandschaft.
Und jetzt, weil die Bundeskasse gefühlt voll ist, beschlossen Bundestagsabgeordnete erneut Geld für Rekonstruktionen rund um das Schloss: 62 Mio. € für den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie und 18 Mio. € für die Rekonstruktion der Kolonnaden auf der Schlossfreiheit. Letztere werden dann dort stehen, wo ihr Original einmal gestanden hat, ob mit oder ohne Kaiser-Wilhelm-Denkmal davor, das ist noch nicht entschieden. Und ebenso nicht, was in der Bauakademie konkret passieren soll, ein SPD-Abgeordneter fantasierte schon eine Art Apotheose vom Schinkel-4.0-Bauen.
Die Planlosigkeit bedeutet allerdings ganz planvoll das endgültige Aus des von niemandem wirklich geliebten Freiheitsdenkmals, dessen Verzicht dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, eine „abgrundtiefe Verachtung des Beitrags der Ostdeutschen zur Freiheits- und Demokratie-Geschichte“ von Seiten des Haushaltsausschusses ist. Aber mal ehrlich: Wer möchte schon eine Obstschale, wenn er Wilhelm haben kann?! Be. K.