Konsequent in Dämmbeton
Multifunktionshalle, Oensingen/CH

Hier ist wohl jeder Schweizer schon einmal durchgefahren: Östlich von Oensingen im Schweizer Mittelland kreuzen sich die beiden großen Autobahnrouten A1 und A2. Spätestens seit 2015 lohnt sich ein Halt: Im Oktober wurde hier die neue Multifunktionshalle aus Dämmbeton eröffnet. Der Bau von ffbk Architekten aus Münchenstein/Basel ist nicht nur konstruktiv gelungen, sondern überzeugt auch ästhetisch.

Lagerhallen reihen sich an Produktionsstätten, auf Zubringerstraßen folgen Parkplätze und die Bahnlinie. Mittendrin in der Oensinger Peripherie liegt die Kreisschule Bechburg aus den 1970er-Jahren. Ein Gebäudeensemble für rund 170 Schülerinnen und Schüler, das sich mit seinen maximal zweigeschossigen Volumen mit Aluminiumfassaden optisch an die Werkhallenästhetik des Umfelds anpasst. Nachdem die Bevölkerung in den letzten Jahren stetig gewachsen war, sollte hier eine zusätzliche Sporthalle entstehen, für die Schule, aber vor allem auch für die Sportvereine der Gemeinde.

In ihrer Funktion als Bauherrschaft führte Letztere daher 2012 ein Planerwahlverfahren durch, bei dem man verschiedene Architekturbüros im Hinblick auf Erfahrung und Preis einem Vergleich unterzog. Den Auftrag erhielten ffbk Architekten, die in der Vergangenheit bereits mehrere Sportbauten realisieren konnten.

In enger Abstimmung mit der Baukommission, besetzt mit Vertretern der Gemeinde, der Schule und der Vereine, entwickelten die Architekten ihr Konzept. Es sah vor, den Neubau im Süden des Grundstücks entlang der zentralen Erschließungsachse der Anlage anzusiedeln. Die Dimensionen der Halle ließen nicht viel Spielraum, sie ergaben sich aus den funktionalen Anforderungen des Sportbetriebs. Zudem sollte sie auch Platz für Veranstaltungen mit bis zu 600 Personen bieten. Rasch entschied man sich, eines der beiden geplanten Geschosse einzugraben, um mit den bestehenden ein- bis zweistöckigen Bauten des Ensembles nicht zu konkurrieren.

Das mit einer Grundfläche von 45 x 37 m große Volumen ragt knapp 6 m aus dem Boden, was seine tatsächlichen Dimensionen mit einem Gebäudevolumen von immerhin 17 500 m³ kaschiert. Die Funktionen sind einfach und logisch angeordnet: Der Zugang erfolgt von der Haupterschließungsachse der Schulanlage direkt auf die Zuschauertribüne, die Sportler erreichen die im Untergeschoss gelegenen Garderoben durch einen Nebeneingang. Hier, an der Nordostfassade, befinden sich in einer Raumschicht die dienenden Räume. Im Erdgeschoss sind dies beispielsweise ein Kiosk und die Toiletten für die Zuschauer, im Untergeschoss die Garderoben und Duschen für die Sportler, ergänzt durch Materiallager auf der Südwestseite. 3,00 x 2,40 m und 5,50 x 2,40 m große Fenster, vier auf jeder Fassadenseite, sorgen für die natürliche Belichtung der Halle. Die großen Öffnungen mit ihren expressiven, abgeschrägten Laibungen erlauben nicht nur den Blick auf das Spielfeld, sondern rhythmisieren auch die Fassade, sodass deren beeindruckende Länge plötzlich ganz selbstverständlich erscheint.

Dämmbeton einmal ganz groß

So weit, so überzeugend. Was den Bau nebst seiner stimmigen räumlichen Disposition aber so besonders macht, ist die Konstruk­tion aus Dämmbeton. In Anlehnung an den Bestand stand zunächst eine Metallfassade zur Debatte, schon bald aber entschieden sich Planer und Bauherrschaft für Beton – vor allem wegen dessen Robustheit. Aber warum Dämmbeton? Es war ein Herzenswunsch der Architekten, einmal mit diesem Material zu bauen. Sie ließen zunächst beide Varianten – zweischalig mit Kerndämmung sowie einschalig in Dämmbeton –  in finanzieller und tragkonstruktiver Hinsicht berechnen. Am Ende ergab sich eine Pattsituation, der Entscheid fiel für den Dämmbeton.

In energetischer Hinsicht – das Erreichen des Schweizer Minergiestandards war Pflicht – profitierte der Neubau dabei zum einen von der gut isolierten Dachfläche, zum anderen von dem eingegrabenen Untergeschoss. Denn unter Terrain wurde, auch wegen des großen Erddrucks, regulärer Stahlbeton in einer Dicke von 50 cm zusammen mit 30 cm Perimeterdämmung verbaut. Es galt also lediglich, die Außenwände ausreichend zu isolieren. In Zusammenarbeit mit dem beratenden Betontechnologen entschieden sich die Planer für einen Leichtbeton LC 8/9 bei einer Wandstärke von 60 cm – eine Annäherung aus einem möglichst tiefen U-Wert und der für die Aufnahme der Punktlasten der Stahlträger im Dach nötigen Druckfestigkeit.

Das Problem: Die beiden Eigenschaften widersprechen sich. Je höher der Dämmwert, desto geringer die statische Wirksamkeit, weshalb das Material bisher eher bei kleineren Bauvorhaben wie Einfamilienhäusern oder Umbauten zum Zug kam. Der mit 0,42  W/m²K eigentlich zu hohe U-Wert der Außenwände konnte aber durch den Einbezug des Dachs und der unterirdischen Gebäudehülle in die Gesamtberechnung kompensiert werden.

Anspruchsvolle Ausführung

Um die Ausführung in der gewünschten Qualität zu gewährleisten, erstellte das Bauunternehmen zunächst eine Versuchswand im Werk. Sie überzeugte, woraufhin eine zweite Versuchswand auf der Baustelle angefertigt wurde – dies, um die Auswirkungen des Transports sowie das Betonieren vor Ort besser kalkulieren zu können.

Letzteres war nicht ganz ohne: Zunächst brachte der Bauunternehmer Zementbojake auf die neuen Schaltafeln auf, die anschließend wieder entfernt wurde. So verhinderte man, dass sich auf der späteren Sichtbetonoberfläche ein glänzender Film bildete. Das Schalöl wurde auf die Schaltafeln gesprüht und dann sorgfältig abgezogen. Die einzelnen Betonieretappen von 35–40 m³, die sich aus den Dimensionen der Fenster ergaben, lagen am Maximum des Möglichen: Durch die großen Wandstärken erhitzten sich die Wände soweit, dass einige der Distanzhalter aus Kunststoff schmolzen. Aufgrund der hohen Abbindetemperatur durften die Etappen auch nicht zu früh ausgeschalt werden. Um einen allzu plötzlichen Temperaturabfall und damit ein Bersten der Wände zu verhindern, beließ man sie drei Tage lang in der Schalung. Dank dem Engagement des Bauunternehmerteams weist der Sichtbeton kaum Lunker auf – trotz Betonieretappen von bis zu 7 m Höhe. Um den Sichtbeton gegen eindringendes Wasser zu schützen, erhielt er eine Tiefenhydrophobierung über die gesamte Fassadenfläche. Sie soll die kapillare Aufnahme von Flüssigkeiten verhindern. Ein Graffitischutz, ebenfalls über die gesamte Höhe, ergänzte die Oberflächenbehandlung.

Experiment gelungen

Entstanden ist ein Baukörper, der eine große Ruhe ausstrahlt – ein Novum in diesem von baulicher Beliebigkeit geprägten Umfeld und ein Gewinn für Gemeinde und Schule. Das liegt vor allem am Dämmbeton und dessen gekonnter Anwendung: Seine schiere Masse und die Reduktion der Konstruktion auf eine einzige Schicht erlauben die reliefartige Ausformulierung der Öffnungen, die die Fassade gleichzeitig gliedern und die Wand in ihrer ursprünglichen Funktion, als raumabschließende Trennung von außen und innen, spürbar machen.
Die hohe Qualität des Sichtbetons mit seiner fast samtenen Anmutung trägt das Übrige dazu bei.

Die Planer gingen das Wagnis ein, mit einem ihnen unbekannten Material für eine bisher nicht erprobte Anwendung zu konstruieren. Ihr Mut wurde belohnt. Nachfolger sind erwünscht. Tina Cieslik, Bern/CH

436  1–6

1 Dachaufbau:
Kies 50 mm
Abdichtung
Gefälledämmung
Abdichtung
Trapezprofil 160 mm

mit Dämmkeilen gefüllt
IPE Stahlträger 1400 mm
2 Dachrand:
Abdeckblech, verzinntes Stahlblech
Einhängestreifen Stahl
Dachpappe
Flüssigkunststoff
Dämmbeton hydrophobiert
3 Außenwandaufbau über Terrain:
Dämmbeton hydrophobiert 600 mm
4 Außenwandaufbau unter Terrain:
Stahlbeton 530 mm
Abdichtung
Perimeterdämmung 300 mm
5 Bodenaufbau Sporthalle:
PUR-Beschichtung 3 mm
Elastische Zwischenschicht 8 mm
Holzplatte zur

Lastverteilung 18 mm + Kleber 1 mm
PUR-Verbundschaummatte 20 mm
XPS-Hartschaumplatte
Reprofilierung
Bituminöse Abdichtung
Bodenplatte Ortbeton 300 mm
PE-Folie
Schaumglas-Schüttung 300 mm Vlies

x

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