Kunst und Architektur?!
Kann man eine Buchrezension zum Anlass nehmen, über die Sache selbst zu schreiben? Zum Beispiel darüber, ob ein derart umfassendes „Handbuch“ zu Josef Beuys, wie es jetzt der J. B. Metzler Verlag in seiner Handbuch-Reihe veröffentlicht, auch zu einem Architekten des 20. Jahrhunderts gemacht werden könnte/sollte?! Aber hieße das nicht auch, Kunst und Architektur als miteinander verbunden zu sehen?
Herzog & de Meuron, immerhin eines der wichtigsten (weil einflussreichsten) internationalen Architekturbüros, erzählt immer wieder davon, dass es 1978 Joseph Beuys zur Teilnahme am Umzug der Basler Fasnacht gewinnen konnte, wo die Gruppe mit Kostümen à la Beuys die braven Basler Bürger noch einmal mit dem Ankauf der Stadt einer Beuys-Arbeit konfrontierte; ein Skandal damals, einem Künstler für ein paar Eisenstäbe, bekritzelte Wandtafeln, einen Handwagen und anderes 300 000 Schweizer Franken zu zahlen! Doch auch wenn das Register im vorliegenden Handbuch penibel alle erwähnten Namen listet: Herzog & de Meuron sind nicht zu finden (die Basler Aktion allerdings schon). Überhaupt werden auch sonst keine Architekten genannt, auch zur Architektur: nichts. Dabei wird immerhin auf das neuartige Verständnis Beuys vom Begriff der Plastik ausführlich eingegangen, das „Denken als plastische Praxis“ liegt dem Architektonischen näher, als manche ArchitektInnen es wahrhaben wollen.
Im vorletzten Kapitel „Begriffe“ ist die Nr. 73 der Begriff „Materialien“, einer, der für das Bauen von immer größerer Bedeutung wird (hier im Unterkapitel kommt gleich „Die revolutionären Möglichkeiten von Materialien“!). Beuys, der mit Filz und Fett ganz neue Materialien in den Diskurs eingeführt hatte und dessen Arbeiten von einer Erweiterung des kanonischen Kunstbegriffs motiviert waren, wäre für unsere heutige Zeit immer noch – und wieder – höchst aktuell, sein authentisches, vielschichtig verwobenes Werk in jeder Hinsicht zeitgenössisch. Aus diesem Grund schon lohnt die intensive Beschäftigung mit Mensch und Werk und Wirkung, die wesentlich mehr ist als eine häufig wiederholte Anekdote eines singulären wie offenbar jedoch höchst beeindruckenden Happenings (kos-tümierter Umzug in Basel). Diese Arbeit zum 100. Geburtstag (12. Mai 2021): ein Geschenk an uns alle. Be. K.