LAND ART, vergoldetIm ländlichen Kärnten findet man die größte ständige Sammlung zeitgenössischer Kunst Österreichs
Wetteifern Fuchs und Hase um die schönste Gutenachtgeschichte, gewinnt meist der Igel. So jüngst in Neuhaus an der Drau. Wo Österreich ist, wie es kaum einer mehr kennt. Abseits touristischer Highways liegt im Kärntner Grenzland zu Slowenien eine Gegend, die sich stolz „Paradies“ nennt, Ortschaften schon mal „Wunderstätten“, und ihre Hauptstadt Klagenfurt. Gar wunderlich sind im Weichbild der Karawanken auch manche Usancen der (Kultur)-Politik, wovon über die Region hinaus besonders der kuriose Zwist um die verordnete Zweisprachigkeit der Ortsschilder drang: Wiewohl vom Verfassungsgericht sanktioniert, hielten sich Landeshauptmann Jörg Haider und seine Verwaltung nicht daran. Der Streit hält an. Haider behandelte Gerichte, Urteile, Rechtsnormen nach Gutsherrenart, ebenso – als zuständiger Referent – die Kultur.
Ein Sohn dieses Landes, erfolgreicher Unternehmer und Kunstliebhaber, offerierte seiner Heimat die größte Sammlung österreichischer Kunst der Nachkriegs-Moderne samt Museum als öffentliche Institution. Lediglich einen (marginalen) Teil der Bau- und Betriebskosten sollte (und wollte) die Öffentliche Hand tragen. Entsprechende Verabredungen in trockenen Tüchern vermutet, erwarb Herbert Liaunig in eben diesem paradiesischen Landstrich, wo er bereits ein Schlösschen vor dem Verfall gerettet hatte, einen prominenten Platz in draller Natur, schrieb einen Architekturwettbewerb aus und legte los. Die Gewinnerin des Wettbewerbs, Odile Decq aus Paris, scheiterte auf dem Weg zur Realisierung des Bauwerks, ebenso die Vereinbarungen mit der Haider-Administration. Liaunig zog die Notbremse, löste die administrativen Bande, lobte – nun primus sine pares – erneut eine jurierte Konkurrenz aus und baute mit dem Wiener Architekturbüro Querkraft in Neuhaus sein „Privat-Museum Liaunig“.
Und konnte jüngst nach knapp einjähriger Bauzeit – ick bin all hier – angeführt vom Bundespräsidenten mit ganz Österreich stolze Eröffnung feiern. Zu Recht. Haben die Architekten doch eine furios einfache, so verborgene wie unübersehbare Schau-Schatulle in ein archaisches Arkadien gebeamt. Aufgesattelt einem schmalen Bergrücken zwischen hier parallel mäandernder Drau und Bundesstraße, streckt sich ein silbern schimmernder Riegel zwischen Straße und Fluss. Ankommenden Automobilisten indes offenbart sich wechselweise entweder nur das gralsgleich in den Berg gegrabene Entree, oder der Kopf des querliegenden Kunstzylinders, eine kühne Kragkonstruktion, die als betonfingriges Signet dreißig freitragende Meter weit über das Bergplateau hinaus zur Straße weist.
Nichts als Understatement. Hinter der minimalistischen Mimikry nämlich verbirgt sich ein zwei erhabene Etagen hoher Musentempel. Zwei Drittel des Höhenvolumens eingegossen in der Erden, bietet es Raum für beinahe 5 000 m² Nutzfläche; vier Fünftel davon gehören der Kunst. Begrüßt am Empfang in der Halle des quer in den Hang geschnittenen Portals, wird man sogleich angesogen von einer sanft ansteigenden, sich perspektivisch verjüngenden Rampe hinauf in die Ausstellung.
Zwar bildet die „Österreichische Moderne“ wohl den Schwerpunkt der gut 2 000 Sammlungsstücke, doch Herbert Liaunig nimmt Maß am Ideal des Uomo universale: Werden Malerei, Zeichnungen und Skulpturen seiner zeitgenössischen Landsleute gelegentlich kontrapunktiert (somit zuweilen marginalisiert) von Werken renommierter Künstler internationaler Herkunft, überrascht der Sammler seine Gäste (die nur nach Voranmeldung durchs Haus geführt werden) mit einer weiteren seiner Kollektion(en). Nach der Pflicht aus Malerei und Skulptur im atemberaubenden 160 m langen, 13 m breiten, 8 m hohen, tageslichtdurchströmten Schausaal, dessen schiere Unendlichkeit quergestaffelte Stellwände gliedern und welche gleichwohl verstärkt wird von der an beiden raumhoch verglasten Kopfenden hereinströmenden Naturidylle als Teil des künstlerischen Szenarios, wird man erst weitergeführt zur Kür intimer Zwiesprache mit graphischen Werken im zwischen Entree und Haupthalle eingepassten, dezent kunstlichterhellten Querflügel, und sieht sich schließlich geleitet zum Heiligen Gral.
An einer Seitenwand des Hauptsaals zweigt ein dunkel dräuender Stollen ab, diffus erhellt lediglich durch eine filigrane Neonlichtinstallation von Brigitte Kowanz mit den geographischen Koordinaten des Museumsortes. Nach labyrinthischem Linksschwenk öffnet sich eine Art Sepulkralkammer, worin in mythischem Dämmerlicht schimmernde Vitrinen eine der bedeutendsten Sammlungen des „Goldes der Akan“ präsentieren. Herrschen im Hauptbau industrielle Materialen – sauber gearbeiteter Sichtbeton der Wände, pulverbeschichtete Stahllamellen zwischen plexigläsernen Lichtbändern an der halbtonnenförmigen Decke über lichtgrau fabriktauglichem Terrazzoboden – prunken hier die Wandflächen mit einer Anverwandlung von Stucco-Lustro; und Teppichboden dämpft jedes Geräusch. Angemessene Fassung einer Sammlung, ebenbürtig jenen des British Museum in London oder dem Museum of Fine Arts in Houston, ist dieses unterirdische Cubiculum nur ein erster Annex. Nächste soll(t)en folgen: Im nahe gelegenen Herrenhaus Herbert Liaunigs harren weitere Sammlungskonvolute ihrer Zurschaustellung als Zeugnis universalen Kultur-Wissens. Werner Jacob, Bad Krozingen