Liebe Leserinnen und Leser,
die zurzeit in Deutschland teils heftig geführte Debatte um Wohnraum gilt vielen als die soziale Frage unserer Zeit. „Bezahlbaren“ Wohnraum möchte man hinzufügen, denn rein auf die Wohnflächen bezogen stellt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland so schlecht gar nicht dar. Immerhin, es gibt Sanierungsbedarf, der weit umfassender zu betrachten wäre als die rein energetische Ertüchtigung, die vordergründig für eine positive Entwicklung des Bestands herangezogen wird.
Und ja, es fehlen Wohnungen. In den Ballungsräumen steigt die Zahl der Menschen, die sich trotz durchschnittlichem Verdienst nur noch Wohnungen jenseits der Speckgürtel leisten können. Die Gründe für den Mangel sind schnell ausgemacht: Niedrigzinsen seit gefühlt Jahrzehnten ließen den Neubau zum lukrativen Invest werden. Was wohl auch noch in den kommenden Jahren so sein wird. Kostentreiber ist dabei extrem teures Bauland, das die in der Verantwortung stehenden Kommunen vor den goldenen Zeiten heute wie damals leichtsinnig und weit unter Preis zur Sanierung der Haushalte verscherbelt haben.
Wir trafen uns mit ksw architekten + stadtplaner, einem Hannoveraner Architekturbüro, das sich seit Anbeginn seines Bestehens mit dem Thema Wohnen befasst. Und das über sich und die Kollegen gleich zu Beginn unseres Gesprächs kritisch anmerkt, dass die Architektenzunft nicht unerheblich für den Wohnungsmangel verantwortlich sei: weil man zuviel mitgemacht habe. Beispielsweise den Trend unterstützt, immer mehr Wohnfläche je Bewohner zu planen. Und keine überzeugenden Antworten auf die Frage geliefert zu haben, wie umgehen mit dem Bestand, der schon demografisch bedingt diese Wohnflächenkummulation herbeigezwungen habe: Die Kinder sind aus dem Haus, das auf einmal viel zu groß geworden ist.
In dem sehr intensiv und durchaus auch kontrovers geführten Gespräch nach den relevanten Projekten für diese aktuelle Ausgabe der DBZ kamen weitere Themen auf, die auf die Mechanismen auf dem Wohnungsmarkt einen durchaus offenbarenden Fokus lenkten: Baugruppe vs. genossenschaftliches Modell, Eigentümer-/Mieterverantwortung, Kontext und Urbanität, Laubengangerschließung und Balkonregale, Vermarktung und Vermittlung, ...
Und immer wieder kam die Frage auf, wie es den Architekten gelingen kann, ihre gestalterische Kompetenz so in den ökonomisierten Realisierungsprozess einzubringen, dass am Ende ausreichend Identifikationsangebote vorhanden sind, die das Wohnen erst zu einem Zuhausesein machen. Wertschätzung führt dann automatisch zu Werterhalt etc.
Dass wir am Ende des langen Gesprächs fünf Wohnprojekte ausgewählt hatten, die gestalterisch und bezogen auf die Ausstattung so sehr unterschiedlich sind, kann nicht verwundern. Denn ganz selbstverständlich ist aus Sicht unserer Heftpaten der Wohnungsbau zumindest ortsbezogen. Und Orte haben noch ganz eigene Gesichter. So lange jedenfalls noch, wie es Architekten gibt, die ihre Aufgabe als verantwortlichen Part in der Entwicklung unserer Gesellschaft ernst nehmen!
Über allen Ernst hinaus wünschen wir Ihnen viel Vergnügen in diesem Heft,
Ihr
Benedikt Kraft