MAIN – Forschungscluster der TU Chemnitz
„Der elegante und klar strukturierte Neubau überrascht im Innenraum mit einem ausdrucksstarken und eindrucksvollen Material- und Farbkontrast. Die Verwendung von Eichenholz in informellen Kommunikations- und Arbeitsbereichen bricht das ansonsten durchgehend in der Farbe Weiß gehaltene Materialkonzept auf. Das natürliche, warme Material erzeugt dabei eine Wohlfühlatmosphäre, die zur Zusammenkunft einlädt und so zu dem in der Forschung essentiellen, interdisziplinären Wissenstransfer anregt.“⇥DBZ Heftpate Andreas Schulte
Forscher sind Einzelgänger. Still, zurückhaltend, verschroben. Sagt man. Das neue Forschungscluster der TU Chemnitz beweist das Gegenteil. Im Zentrum des Neubaus stehen ein knappes Dutzend Professoren mit ihren Teams, ein knappes Dutzend Forschungsgebiete und Dutzende kluger Köpfe, deren Ideen und Forschungsarbeiten sich gegenseitig befruchten. Alle Teams waren bis dato dezentral organisiert. An unterschiedlichen Standorten arbeiteten sie an identischen oder unterschiedlichen Projekten. Das neue Forschungscluster will jene homogenen Strukturen aufbrechen und über interdisziplinäre Zusammenarbeit schnellere, bessere und zahlreichere Ergebnisse respektive Erfolge erzielen.
Der Standort, den der Freistaat Sachsen als Bauherr für sein Projekt gewählt hat, ist ebenso heterogen wie dessen Nutzerstruktur: Ringsum ragen viergeschossige Wohnhäuser aus den 1950er-Jahren empor und auch ein unter Denkmalschutz stehendes Kontorhaus – also ein Mischgebiet. Im städtebaulich heterogenen Umfeld des Universitätscampus schließt der Forschungsneubau mit seiner langen Front nun den verloren gegangenen Straßenraum und schafft neue Blickbeziehungen im Quartier. Dem Grundstück des Universitätsgebäudes wies der Bebauungsplan mit „Sondernutzung“ zudem eine spezielle Rolle zu – und steckte dabei genaue Grenzen ab.
Teamarbeit Planung – von Anfang an
So war beispielsweise der Grad der erlaubten Schallemissionen festgezurrt oder die erlaubte Traufhöhe auf 18 m begrenzt. Daraus ergaben sich maximal machbare Geschosshöhen, die wiederum die Installationshöhen und -möglichkeiten der Haustechnik beeinflussten. Es brauchte viele Stunden detektivischer Tüftelarbeit, um die zum Teil extremen Installationsanforderungen der unterschiedlichen Einrichtungen erfüllen zu kön-
nen.
Es galt, Reinraumcluster auszustatten, Räume, in denen sich Rasterelektronenmikroskope befinden, Bereiche für die Synthesechemie sowie für Elektro- und Informationstechnik sowie Mikrotechnologielabors, die Nanomaterialien erforschen. Die Laborrichtlinien an den Brandschutz mussten beachtet und Reinraumanforderungen bis zur ISO-Klassifizierungszahl 4 erfüllt werden. Zu- und Ableitungen für Stickstoff und Argon mussten geplant werden, Kanäle für Reinst- und Sondergase berücksichtigt, Gasfarmen mussten entwickelt werden und auch eine Anlage zur Heliumrückgewinnung mit Heliumkompressoren war unterzubringen. Das ging nur als Team: Alle an der Planung beteiligten Fachkräfte, die Architekten, die Ingenieure sowie die späteren Nutzer steckten bei der Konzeption des Neubaus regelmäßig ihre Köpfe zusammen – und zwar von Anfang an.
Nutzungskonzept mit kurzen Wegen
Das Nutzungskonzept folgt der Idee der kurzen Wege: Klassisch installierte Büros und hoch installierte Labore liegen einander gegenüber, die klimatisierten Labore an der Südseite des viergeschossigen Stahlbetonriegels, die nicht klimatisierten Büros im Norden.
Zwischen Labors und Büros schieben sich nebengeordnete Funktionen und in regelmäßigen Abständen eingerichtete Kommunikationsräume. In Form von Holzboxen, die zum Flur hin verglast sind, laden sie zum Gespräch. „Die Sichtbarmachung der Kommunikation war ein wichtiger Punkt unserer Planung. Damit das knappe Dutzend hier arbeitender Professoren auch wirklich miteinander kommuniziert, müssen sich die einzelnen Personen sehen“, konstatiert Thomas Gräning, der als Projektleiter im Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner das Bauvorhaben betreute. „Und das muss räumlich gefördert werden – auch, indem der Vorbeigehende sieht, wer gerade an der Kaffeemaschine steht.“
Der durchgesteckte Eingangsbereich bietet im Erdgeschoss Zugang zu einem unterteilbaren Konferenzbereich mit separatem Foyer sowie eigener Terrasse. Darüber hinaus führt er zur Haupttreppe, die alle Ebenen des Gebäudes miteinander verbindet.
Von der Detailarbeit zum Weitblick
An zwei Stellen im Gebäude unterbrechen zweigeschossige Aufenthaltsräume mit einer Galerie – die sogenannten „Wissensgärten“ – den horizontalen Rhythmus der in den einzelnen Etagen aneinander gereihten Arbeitsräume. Über Metallwendeltreppen können die Kollegen in den Wissensgärten schnell zwischen den Geschossen wechseln und auf kurzem Weg die benachbarte Forschungsgruppe aufsuchen.
Große Glasfronten öffnen diese Sonderzonen zudem Richtung Stadt, sodass die Wissenschaftler davon ebenso optisch wie inhaltlich profitieren. „Forscher arbeiten sehr fokussiert. Wer aber ständig durch sein Mikroskop späht, in Aufzeichnungen wälzt und Proben untersucht, der braucht als Ausgleich auch die Möglichkeit, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen“, formuliert der Planer.
Leise, aber mit hohem Wiedererkennungswert
An der streng gegliederten Hülle des viergeschossigen Riegels lassen sich die Glasfronten der Wissensgärten als klare Zäsuren ablesen. Auch die Labore sind verglast, die Bürospange kennzeichnet eine mit Metalllisenen gegliederte Glasfront. Die Reinraumflächen sind als weißes Band erkennbar. Sie wurden ebenso wie die restlichen geschlossenen Bereiche der Außenhaut mit weißem, gekantetem Metallblech bekleidet.
So entstand ein feingliedriges Spiel zwischen Transparenz und Geschlossenheit, mit wenigen, aber markanten Highlights, die dem ansonsten leisen Gebäude einen deutlichen Wiedererkennungswert verleihen: MAIN steht in dicken weißen Lettern auf der Front aus Metall: Es ist die Abkürzung für „Materials, Architecture and Integration of Nanomembranes“ – und zeigt mit diesen vier Buchstaben draußen am Gebäude, was drinnen ist.
Feine Materialsprache, dicker Boden
„Und weil wir davon ausgegangen sind, dass die Nutzer des Gebäudes sehr viel Eigenes einbringen würden – Dokumentationen, Exponate oder auch nur Bilder –, haben wir uns bei der Material- und Farbsprache auch im Gebäudeinneren bewusst zurückgehalten“, erzählt der Architekt. Als Materialien dominieren Glas, Metall und Holz, als Farbe dominiert Weiß.
Das haptische, nahbare Holz findet sich in den hölzernen Kommunikationsboxen wieder, auf deren Böden und an deren Wänden. Das Material Metall verwendeten die Planer für das Geländer der Haupttreppe und ließen daraus die Wendeltreppen in den „Wissensgärten“ bauen. Glas nutzten sie für Ausschnitte in den Labor- und für Glaspaneele neben den Bürotüren sowie als trennende und zugleich verbindende Fronten zwischen den hölzernen Kommunikationsboxen und den Fluren.
Weiß ist fast alles: die Wände ebenso wie die Treppengeländer, die Akustikdecken aus Gipskarton in den Fluren – die Labore wurden meist offen installiert – und der Quarzwerkstein im Foyer sowie die Kautschukböden im Rest des Gebäudes.
Zum Schutz der schwingungsempfindlichen Messgeräte für Nanobereiche steht der Neubau als Ganzes auf einer 1,60 m starken Bodenplatte aus Stahlbeton. Auf dieser sind die extrem sensitiven Geräte bzw. Laborflächen, die an den Schwingungsschutz höchste Anforderungen stellen, im Untergeschoss direkt auf der Bodenplatte situiert. Auch die komplette Haustechnik, von der Elektroversorgung über die Raumlufttechnik und die Medienanschlüsse, befindet sich im Untergeschoss. Alle übrigen Einrichtungen und die Mitarbeiter außerhalb der Labore werden mit Tageslicht versorgt. So ist alles gut sichtbar und höchst kommunikativ – ganz im Sinne des gemeinsamen Arbeitens am Erfolg. Christine Ryll, München
Baudaten
Objekt: Forschungszentrum MAIN, „Materials, Architecture and Integration of Nanomembranes“, Technische Universität Chemnitz
Standort: Rosenbergstraße 6, Chemnitz
Typologie: Hochschulbau / Forschungsbau
Bauherr: Freistaat Sachsen vertreten durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Niederlassung Chemnitz
Nutzer: Technische Universität Chemnitz
Fakultäten Elektrotechnik, Informationstechnik, Naturwissenschaften und das Zentrum für Mikrotechnologien
Architekt: Heinle, Wischer und Partner, Freie Architekten, Dresden, www.heinlewischerpartner.de
Verantwortlicher Partner: Jens Krauße, Heinle, Wischer und Partner, Dresden
Team: Thomas Gräning, Christoph Meinhardt, Armin Pommerencke
Bauleitung: Mehmet Coskun, Stefan Voß
Bauzeit: März 2015 – November 2017
Fachplaner
Tragwerksplaner, Bauphysik: Krebs + Kiefer Ingenieure GmbH, Dresden, www.kuk.de
TGA-Planer: DERU Planungsgesellschaft für Energie-, Reinraum und Umwelttechnik mbH, Dresden, www.deru-reinraum.de
Brandschutzplaner: Ingenieurbüro Brandschutz, Dipl.-Ing. Andreas Oehme, Brand-Erbisdorf,
Projektsteuerung: DU Diederichs Projektmanagement, Berlin, www.du-dietrichs.de
Prüfstatik: Prof. Rühle, Jentzsch und Partner GmbH, Dresden, www.rjp.de; Ingenieurbüro Weißbach, Thum, www.juergen-weisbach.de
Baudynamik: Heiland & Mistler GmbH, Bochum, www.baudynamik.de
Baugrunduntersuchung: Trepte & Partner GmbH, Chemnitz; Schäfer Geotechnik Consult GmbH, Chemnitz, www.schaefer-geotechnik.de
SIGEKO: Sachverständigenbüro Thomas Roitzsch, Chemnitz, www.buero-roitzsch.de
Projektdaten
Grundstücksgröße: 4 100 m²
Grundflächenzahl: 0,7
Geschossflächenzahl: 2,01
Nutzfläche gesamt: 4 002 m²
Nutzfläche: 3 796 m²
Technikfläche: 1 685 m²
Verkehrsfläche: 2 441 m²
Brutto-Grundfläche: 9 589 m²
Brutto-Rauminhalt: 35 819 m³
Baukosten (nach DIN 276)
KG 200 (brutto): 94 300 €
KG 300 (brutto): 13,14 Mio. €
KG 400 (brutto): 11,86 Mio €
KG 500 (brutto): 1,52 Mio. €
Gesamt brutto: 34,29 Mio. €
Hauptnutzfläche: 9 035 €/m² (auf gesamt)
Brutto-Rauminhalt: 957 €/m³ (auf gesamt)
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 88,1 kWh/m²a nach EnEV 2009
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,22 W/(m²K)
U-Wert Fassadenpaneel = 0,27 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 1,07 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,19 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,30 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 1,0 W/(m²K)
Haustechnik
Umsetzung der EnEV 2009, um mindestens 15 % unterschritten. Beheizung und Trinkwarmwassererzeugung über Fernwärme, Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung, Vorkonditionierung der Außenluft durch baulichen Luftkanal, Büros an der Nordseite wg. sommerlichem Wärmeschutz, klimatisierte Labore auf der Südseite
Hersteller
Pfosten-Riegel-Fassade: WICONA, www.wicona.com
Beschläge: dormakaba Deutschland GmbH,
Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE,
Dachbahnen: Paul Bauder GmbH & Co. KG,
www.bauder.de, WOLFIN Bautechnik GmbH,
Teppichboden: Gerflor DLW GmbH, www.dlw.de
Bodenbeläge: norasystems GmbH, www.nora.com
Trockenbau: Knauf Gips KG, www.knauf.de
Elementwand Büros: Linder Group KG,
Holz-Glas-Elemente: Hoba Holz Schmid GmbH & Co. KG, www.hoba.de
Türen: Hörmann KG, www.hoermann.de, Schörghuber Spezialtüren KG, www.schoerghuber.de