Manifesto per Venezia
Den Venezianern reicht es schon lange. Also denen, die es noch aushalten in der wohl schönsten Stadt der Welt. Denn abgesehen von zigtausend illegalen Einwanderern, die in der Stadt arbeiten und mehr schlecht als recht überleben, hat die schöne Lagunenstadt nur noch etwa 55 000 Einwohner im
historischen Zentrum. Also dort, wo jährlich 26 Mio. Touristen sich durch enge Gassen schieben oder von gigantischen Kreuzfahrtschiffen auf die Piazza S. Marco herunterschauen. Hochrechnungen gehen von 50 Mio. Besuchern pro Jahr für 2030 aus.
Nun hat eine Gruppe renommierter Wissenschaftlicher das Datum der letzten großen Flutkatastrophe in Venedig, den 4. November 1966, zum Anlass genommen, um am gleichen Tag in 2016 ein Manifest für die Rettung der Stadt zu verfassen. Auch im Rahmen des Abschlusses der Architekturbiennale sind die dort notierten 14 Punkte in dem Bewusstsein verfasst, „dass es noch Hoffnung für Venedig gibt.“
Der von der Fondazione Giorgio Cini initiierte Workshop kommt in diesem Manifest u. a. zu dem Ergebnis, dass man eine starke Gemeinschaft aller lokaler, nationaler und internationaler Gruppen, Verbände und politischen Institutionen braucht, um eine langfris-tige Strategie für Kommunikation und Entwicklung zu erarbeiten. Es gelte, Venedig als Ganzes zu betrachten, also Altstadt mit Lagune, mit Industrie, mit den umliegenden Gemeinden. Man solle endlich auch die Touristen stärker in die finanzielle Verantwortung einbeziehen (Venice Tax?!), die Stadt wieder attraktiv machen für junge Leute („Venedig braucht frisches Blut!“), junge Unternehmen (Start-ups/Spin-offs) und die Wirtschaft der historischen Stadt grundlegend diversifizieren. Und vor allem braucht die Stadt eine neue Führung/Regierung, die stark genug sein muss, die Erfordernisse vor Ort unter globalen Ansprüchen durchzusetzen.
Unterzeichner des Manifestes sind: Bonnie Burnham, ehemaliger Präsident des World Monuments Fund, Joan Busquets, Städteplaner an der Harvard University, Charles Landry, Stadtforscher und Autor, Simon Levin, Umweltforscher an der Princeton University, Yves Mény, Präsident der Scuola Universitaria Superiore Sant’Anna, Pisa, Charles Perrings, Umweltökonom an der Arizona State University, Greg W. Richards, Professor für Freizeitforschung an der Tilburg University, Richard Sennett, Soziologe an der London School of Economics, sowie Pier Vellinga, Klimaforscher an der Wageningen University.
Ob das Manifest eines von vielen bleibt, wird die Zukunft zeigen. Die Erfahrungen mit solchen Aufrufen in der Vergangenheit sind allerdings nicht sehr ermutigend. Be. K.