Medienfassaden
Gebäude als Kommunikationsmedien

Der verstärkte Einsatz von Medienflächen in der Architektur hat sich zur Begrifflichkeit der Medienfassade entwickelt. Das Wort Me/di/en (Plural) definiert sich als Träger­systeme zur Informationsvermittlung. Im Zusammenhang mit dem architektonischen Begriff Fas­sade wird es zum Trägersystem der visu­ellen Infor­­mationsvermittlung. Es existiert eine technische wie auch gestalterische Integration in die Architektur.

Die Entwicklung der Erzählweise und Kommunikation mit und an Architektur entwickelt sich weiter mit den Möglichkeiten der Technik. Die visuellen Signale mittels Licht stellen sich in Helligkeit, Farbe und deren Verhältnis zueinander dar. Die Mittel der Gestaltung sind grafische Muster, Zeichen in Form von Schrift oder Bildinhalte. Erst mit der Dynamik der Bilder und den Möglichkeiten von Interaktio-nen entstand eine neue Disziplin, die andere Fragestellungen an die gestaltenden Lichtplaner stellt.

Entwicklungen im Bereich der Medientechnik und der Lichtinstallation verändern die Nachtwirkung von Architektur. Mit Hilfe von kleinteiligen Lichtquellen, bis hin zur einzelnen LED, und Projektionen kann ein Gebäude zu einem Kommunikationsmedium transformiert werden, das durch seine Ästhetik, sein Informationsangebot und seinen Unterhaltungswert ein Zugewinn für das nächtliche Leben ist. Die Fassade, die tagsüber vor allem von der Materialität der Oberflächen und deren statischer Gestaltung dominiert wird, verwandelt sich durch die mediale Bespielung in ein selbstleuchtend transluzentes Objekt, dessen Materialität zugunsten der transportierten Bilder in den Hintergrund rückt.

Die konzeptionellen Aspekte von Medienfassaden sind neben der geometrischen Gestaltung die Klärung von Inhalten und Auf­gaben. Die Vermarktung und das Image des Gebäudes beziehungsweise der Fassade werden bestimmt von ihren Inhalten und deren Qualitäten. Eine neutrale Informations- und Dokumentationsplattform wird zur Plattform für Kunst oder Produkte, um die es wirbt – ­oder auch zur Werbeplattform seiner selbst. Die Verdeutlichung der eigenen Daseinsberechtigung und deren produktspezifischen Ästhetik stehen dann im Mittelpunkt. Die Fassade wird Teil der übergreifenden Choreografie, mit der der Event im Gebäude nach außen getragen wird. Dann beeinflusst ein Fassadenelement den städtischen Raum in einer anarchistischen Art und Weise, so dass die Aufgabenstellung an die Stadtplanung anders gestellt werden muss. Häuser und Orte können sich wie ein Chamäleon an die Situationen anpassen und transformieren zur Illusionsarchitektur.


Technologien

Die Dynamik des Lichtes wurde schon in den frühen Neonreklamen verwendet, um Informationen zu vermitteln. Das Bild sollte optimal im Stadtraum präsent sein, Aufmerksamkeit erzeugen und gut erkennbar sein. Zudem konnte der Informationsfluss im Idealfall auch am Tage erreicht werden.

Eine Umsetzung dieser Anforderungen erfolgt inzwischen weitgehend durch LED. Lebensdauer, Formbarkeit und Ansteuerung sind entscheidende Vorteile, wobei die Neonröhre bei hohen Außentemperaturen überlegen ist.

Der nächste Schritt ist, die Neonreklame zu fragmentieren, und damit beliebig be­spielbar zu machen. Aus der Neonreklame wird letztlich ein LED-Screen, der zwar für den gleichen Werbenden stehen könnte, bei bestimmten Events, Tageszeiten oder Jahreszeiten aber auch dem Wettbewerber oder Dritten als Plattform dient. Diese Flexibilität und Optimierung der Wertschöpfung hat seinen Preis, aber gerade in herausragen­den städtebaulichen Positionen ist dieser Trend unaufhaltsam – durch den Preisverfall und technologischen Fortschritt bei LED zusätzlich befeuert.

Andererseits wird mit dem LED-Screen eine Beliebigkeit erzeugt, die in keinem originären Zusammenhang zur Architektur steht. So wie der Inhalt beliebig ist, so kann der Screen auch auf beliebigen Gebäuden installiert sein. Die Beliebigkeit negiert damit die Bildung eines Brand des Gebäudes – im Gegensatz zu Neonreklamen, die in Städten wie Las Vegas oder Hong Kong Gebäuden ein einmaliges und wieder erkennbares Gesicht verliehen haben. War die Neonreklame der Vorläufer von Medienfassaden, so gehören LED-Screens nicht zu dieser Kategorie.

Parallel zu der multifunktionalen Werbeplattform auf Fassaden entstand aus einem künstlerischen Ansatz heraus die Veränderung von Fassaden mittels Licht und Interaktion mit dem Betrachter oder dem natürlichen Umfeld. Nicht die konkrete Darstellung eines Produktes, sondern viel mehr die Bildung einer Marke des Gebäudes und seiner Nutzung stehen im Mittelpunkt. Diese Lösungen, basierend meist auf kleinteiligen Lichtquellen oder Projektionen, weisen in der Regel eine hohe Integration in die Architektur auf. Am Tage sind sie unsichtbar oder integrativ sichtbarer Bestandteil. Die Herausforderung – wie lange verweilt das Auge auf der Information, wie abwechselungsreich und komplex ist das Interesse, also wie viel nachhaltige Aufmerksamkeit wird erreicht – besteht auch hier.

Gestärkt werden kann dieser Aspekt durch die Interaktion zur Umwelt, beispielsweise mit Hilfe von Sensoren, die eine Interaktion mit dem Umfeld ermöglichen. Die Gesellschaft kann so Einfluss auf den Inhalt nehmen, ist integriert und im weitesten Sinne motiviert zur Mitwirkung.

Eine anderer Ansatz besteht darin, die Fassade in die Nutzung, beziehungsweise Events, einzubeziehen. Sie wird Teil der Show, integrativer Bestandteil des konzeptionellen Ansatzes und Bühne nach außen.

Zwei Beispiele für Megaevents diesen Jahres stehen dafür besonders gut: Der Crystal von Baku – die Eventlocation für den Eurovision Song Contest 2012 – und das Nationalstadion Warschau – unter anderem Eröffnungs- und Halbfinalstadion für die Fußball Europameisterschaft 2012. Beide Arenen hat Lichtvision in enger Zusammenarbeit mit gmp Architekten geplant.


Crystal Hall Baku

Nachdem Aserbaidschan 2011 den Eurovision Song Contest gewonnen hat, musste innerhalb eines knappen Jahres eine würdige Eventlocation in der Hauptstadt Baku ent­stehen. In neunmonatiger Planungs- und Ausführungszeit entstand eine Stahlrahmenkonstruktion, deren äußere, gefaltete Fassade durch leicht transparente Gewebe gebildet wurde. Durch einen dynamisch funkelnden Lichteffekt soll der Fassade in der Nacht einer­seits der Charakter des Kristalls verliehen und andererseits eine Einbeziehung in die mediale Inszenierung des Events ermöglicht werden.

Der erarbeitete Entwurf sieht gut 5 400 LED-RGB-Lichtpunkte vor, die über die vertikale Fassadenfläche streng geometrisch ­verteilt sind. Jeder Lichtpunkt, entwickelt als integrativer Bestand­teil der Fassadenkon­struktion, besteht aus zwei unabhängig ansteuerbaren LED-RGB-Lichtquellen. Eine Lichtquelle strahlt direkt, während die andere indirekt eine reflektierte Korona auf der Mem­bran erzeugt. Dies führt zu einem weicheren Erscheinungsbild, und besondere Farbkontraste lassen sich durch den separat ansteuerbaren Vorder- und Hintergrund abbilden. Die Fassade war wesentlicher Bestandteil des choreografischen Show­konzeptes. Vor den Auftritten der Künstler wurde die jeweilige Landesflagge auf der Fassade dargestellt und in die Fernsehübertragung eingebunden, ebenso wie ein virtuelles Blitzlichtgewitter.

Aufgrund des sehr kurzen Bau- und Planungszeitraums war es notwendig, auf ein am Markt vorhandenes, erprobtes Leuchtenprodukt zurückzugreifen. Die Montage vor Ort musste schnell und unkompliziert erfolgen, so dass unsere Auswahl auf eine hinsichtlich der Längen variabel vorkonfigurierbare LED-RGB-Kette fiel. Jeder Lichtpunkt der Kette ist individuell ansteuerbar, mit 9 SMD-RGB-LEDs ausgestattet und optional mit einem Diffusor-Dome bestückbar. Die Netzteile und Controller der LED-Ketten sind in Unterverteilungsgehäusen, montiert an der Fassadenkonstruktion hinter der Membran, positioniert. Es wurden insgesamt 1 080 LED-Ketten aufgeteilt auf 12 verschiedene Längen­konfigurationen verbaut. Die Flachbandkabel­verbindungen zwischen den LED-Lichtpunkten verlaufen nicht sichtbar in kleinen Installa­tionskanälen auf der Membranfassade. Auch die Gehäuse der LED-Lichtpunkte wurden eingehaust, um das Erscheinungsbild der Fassade zu optimieren.

Die Lichtsteuerung erfolgt über zwei Media Server, wobei ein Server nur als Back­bone-Absicherung bei Ausfall dient. Über ein Turbo-Fiberoptik-Kabel wird die Ethernet-Verbindung zu den vier Licht-Unterverteilungen der Arena geführt. Dort findet dann die Sig­nalumsetzung von Ethernet zu DMX statt. Über CAT5-Kabel werden die DMX-Steuersignale zu den Verteilungen an der Außenfassade geführt, wo die Netzteile und Controller der LED-Ketten untergebracht sind.

 

Nationalstadion Warschau

Auch bei dem Nationalstadion Warschau war die mediale Bespielung der Fassade bei diesem Megaevent von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil des Gestaltungskonzeptes. Die vorgelagerte, bespielbare Fassade besteht aus Streckmetallfeldern, die an Anlehnung an die typischen Korbflechtarbeiten diagonal versetzt angeordnet und in den Na­tio
­nalfarben Rot und Weiß (Silber) gehalten sind. Hinter der Fassade befinden sich sowohl Verwaltungsbereiche wie auch teilweise die öffentliche Zirkulation, die Verfügbarkeit von Tageslicht ist somit unerlässlich. Die verwendeten Streckmetallpaneele verfügen einerseits über eine ausreichende Transparenz, andererseits reflektieren sie ausreichend Licht, um eine Bespielung zuzulassen.

Die Lichtlösung ist auch bei diesem Projekt als integrativer Bestandteil der Fassadenkon­struktion entwickelt worden. Integriert in das außenliegende Ständerwerk sind über 1 500 lineare LED-Leuchten hinter den Stützen mon­tiert, die seitlich die Streckmetallflächen waschen. Nach umfangreichen Bemusterungen wurden Lichtfarben und Optiken so ausgewählt, dass der bestmögliche Effekt erzielt werden kann. Aus der Konstruktion ergibt sich eine „kreisförmige“ Auflösung von 144 x 11 Pixel, auf der Buchstaben oder ein Countdown dargestellt werden können und über vorprogrammierte Szenen auch Stimmungen aus dem Stadion auf die Fassade projiziert werden können, wie eine La Ola-Welle.

Jede der 1 584 Streckmetallflächen von ca. 6 x 2 m wird von einer Leuchte seitlich angestrahlt und kann als unabhängig ansteuerba­res Pixel betrachtet werden. Den roten Flächen werden Leuchten zugeordnet, die mit 2/3 weißen und 1/3 roten LEDs ausgestattet sind; die weißen Flächen werden mit weißen LEDs der Lichtfarbe 5 000 K beleuchtet. Jede Leuchte (L 1,6 m) ist mit 36 LEDs des Typs Luxeon Rebel 1 W bestückt, wobei die Ausstattung mit Optiken jeweils auf die zwei Fassadengeometrien angepasst ist. Zusätzlich ist jede Leuchte schwenkbar und mit einer 1,8 m langen Blende ausgerüstet, um den direkten Einblick in die Lichtquellen zu vermeiden. Der Lichteffekt sowie die Auswahl der Lichtfarben und Optiken wurde vorab an einer Musterfassade mit Originalgeometrien und -streckmetallausführungen getestet.

Jede Leuchte ist über DMX ansteuerbar. Das Netzteil und der Controller sind in einem Gehäuse direkt an der Leuchte untergebracht. Die Netzleitung und die Steuerleitung sind in einem gemeinsamen Zuleitungskabel integriert, das die Leuchten in Reihe („Daisy Chain“) miteinander verbindet. Somit können Montageaufwand, -kosten und Fehler­risiko verringert werden.

An zentraler Stelle im Gebäude (Regieraum) ist die Light Engine – das zentrale Element der Lichtsteuerung – untergebracht. Die Lichtsteuerung hat eine Reihe potentialfreier Kontakte, über die Lichtszenen von der Gebäudeleittechnik abgerufen werden können. Der gesamte Szenenablauf eines Events wird als DMX-Sequenz abgelegt. Die Lichtszenen können auch über einen Dämmerungssensor oder eine astronomische Zeitschaltuhr automatisch in Abhängigkeit vom Tageslicht, Uhrzeit sowie Öffnungszeiten aufgerufen werden. Parallel ist jederzeit im Regieraum der manuelle Aufruf der Szenen möglich. Im Regieraum ist auch ein Switch positioniert, auf dem das Ethernet-Netzwerk zusammenläuft. Die interne Ethernet-Verkabelung verläuft über zwei Lichtwellenleiter-Kabel aus dem Regieraum zu jeweils zwei Unterverteilungen mit wiederum jeweils einem Switch. In den Lichtracks der vier Unterverteilungen sind auch die Geräte der Ethernet-DMX-Schnittstelle (e:cue Butler) untergebracht. Für jeweils ca. 30 Leuchten wird ein DMX-Strang benö­tigt. Der e:cue Butler setzt das Ethernet auf zwei DMX-Stränge um, die nach außen zur Fassade führen und jeweils Leuchten an acht bzw. zehn Stützen bedienen. An jeder Stütze ist eine kleine IP65-Unterverteilung zur Aufnahme von herstellerspezifischen, zum Betrieb der Leuchten erforderlichen Geräte (z.B. DMX-Splitter/ Booster usw.) untergebracht. Von diesen kleinen Unterverteilungen geht nur ein gemeinsames Netz- und Datenkabel von Leuchte zu Leuchte.

Für die Außenfassade sind fünf dynamische (z.B. Sternenhimmel, LaOla-Welle, Torjubel, dyn. umlaufende Schriftzüge) sowie drei statische Lichtszenen vorprogrammiert worden.

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