Menschlicher gemacht
Ein Hund liegt auf einem Dach einer kleinen Hütte, er wartet auf jemanden. „Cabanon“, eben Hütte, nannte Le Corbusier sein kleines Ferienhaus am Cap Martin an der französichen Riviera, und der Hund, den wir auf einer Fotografie warten sehen, wartete vergeblich: sein Herr kam vom Schwimmen nicht mehr zurück.
Wollen wir den Hund von LC sehen, wenn wir ein Buch über den einflussreichsten Architekten des 20. und wahrscheinlich 21. Jahrhunderts in die Hand nehmen? Oder seine mehr als 100-jährige Mutter am Klavier? Und die frivolen Zeichnungen des Meisters, wollen wir die auch sehen? Das doppeldeutig mit „Le Grand“ Beschriebene – Meister und Buch – verlangt offenbar nach solcher Sicht auf die private Welt, nach dem Streifzug durch die privaten Fotoalben. Denn, im Ernst: Wollen Sie das unzählig publizierte Œuvre ein weiteres Mal reflektieren?
Chronologisch geordnet zeigen die Fotos, Zeichnungen, Postkarten, faksimilierte Dokumente, Briefe etc. ausschnitthaft Stationen eines bewegten und schöpfungsreichen Lebens. Sie zeigen – und das ist gewollt – den anderen LC, einen, der sich um seine Gesundheit sorgte, der knausrig war, zärtlicher Sohn, verbitterter Verlierer, strahlender Gewinner; und als was man sich sonst noch so im Leben fühlen kann. Tatsächlich blättert man gerne in dem fetten Wälzer, entdeckt Bekannte, meist Berühmtheiten, geht noch einmal und vielleicht mit anderem (Foto)Blick durch ein paar seiner Bauten mit.
Richtig spannend wird es im beiliegenden, gleichformatigen Textbuch, das sämtliche Handschriften übersetzt wie ebenso die Drucksachen. Leider ist das Bruchstückhafte hier ein auch editorisch unzuverlässiges Raster, das einer Profilschärfung von Le Grand nur mit Vorbehalt dienen kann. Der Architekt, der Große, soll mittels der Darstellung des Privaten in Verbindung zum Öffentlichen, zum Werk, menschlicher werden. Er wird es. Zumindest für den Moment, in welchem wir in diesem privaten Album mitschwimmen dürfen. Dafür allen Dank!